Auskunftsergänzungsanspruch - Auskunft- und Beleganspruch
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Wöhler,
Sie haben mir in meiner Scheidungsangelegenheit in den letzen Tagen bereits sehr gute Auskünfte auf meine diversen Fragen gegeben. Jetzt hat sich ein weiter Themenblock aufgebaut und ich benötige nochmals Ihre Hilfe.
Mein Unterhalt ist noch nicht geregelt worden. Bisher hat mein Nochehemann einen monatlichen Dauerauftrag in Höhe des Haushaltsgeldes im letzten Ehejahr (2013) eingerichtet. Aufgrund der langjährigen Verhandlungen hat mein Ehemann seit letztem Jahr immer mehr Unterhaltskürzungen vollzogen um mich unter Druck zu setzen. Mein Unterhalt ist jetzt um ca. 2/3 gekürzt worden. Mein neuer Familienanwalt hat die Gegenseite am 08.03.18 aufgefordert gemäß § 1605 BGB Auskünfte über das erzielte Einkommen der Jahre 2017, 2016 und 2015 zu erteilen sowie zu belegen z.B. durch Jahresabschlüsse, Einkommensteuerbescheide usw.
Die Gegenseite hat nun drei Excel-Tabellen der Jahre 2015, 2016 und 2017 sowie einen USB-Stick mit diversen Bilanzen, welche teilweise nicht unterschrieben sind oder das Datum fehlt, Steuererklärungen, unvollständige Listen zu den Mieteinnahmen der Immobilien eingereicht. Zum Jahr 2017 wurden nur reine Schätzwerte angegeben größtenteils ohne Belege, sodas wir nur die reinen Zahlen auf dem Tisch liegen haben. Es müsste aber für die Firmanbeteiligungen und seinen eigenen Firmen zu mindestens Summen- und Saldenlisten, Betriebswirtschaftliche Auswertungen für das Jahr 2017 geben, da mein Nochehemann Steuerberater und Wirtschaftsprüfer beschäftigt. Manche Jahresabschlüsse der kleineren Firmen werden jedoch von ihm selbst erstellt und sind somit ungeprüft.
1. Frage: Was versteht man unter einem Auskunftsergänzungsanspruch? Mein Anwalt hat mir geschrieben, das er diesen Anspruch geltend machen möchte, da ein Großteil der Einkünfte meines Nochehemannes überhaupt noch nicht deklariert sind, mir aber keinerlei weiteren Erklärungen zu diesem Auskunftsergänzungsanspruch gegeben.
Bezieht sich dieser Auskunftsergängungsanspruch nur auf meinen Unterhaltsanspruch oder gibt es diesen Anspruch auch bezüglich der Auskünfte zum Anfangs-, Trennungs- und Endvermögen, da uns hier auch noch viele Unterlagen der Gegenseite fehlen? Mein Auskunfts- und Beleganspruch bezüglich der Auskünfte zu den jeweiligen Stichtagen (Anfangs-, Trennunis-und Endvermögen) wurde noch nicht tituliert! Mein Anwalt zieht dies in Erwägung, hat diesen Schritt jedoch noch nicht gemacht, was ich langsam nicht mehr nachvollziehen kann.
2. Mein Anwalt ist der Meinung das meine Unterhaltsansprüche an der Leistungsfähigkeit meines Nochehemannes nicht scheitern werden. Zur Abkürzung des Verfahrens schlägt mein Anwalt nun vor, den Auskunfts- und Beleganspruch, der partiell nicht erfüllt ist, etwa für den Veranlagungszeitraum 2013, 2014 und 2015 (hier wurden jeweils nicht alle Einkünfte erfasst und festgestellt) nicht weiter zu verfolgen. Er möchte meine Ansprüche jetzt lieber beziffern.
Soll ich wirklich auf meinen Auskunft-und Beleganspruch verzichten? Was würden Sie mir raten?
2013 war das Jahr meiner Trennung und 2015 hatte mein Nochehemann ein wirtschaftlich sehr schlechtes Jahr, ab 2016 und 2017 lief es wirtschaftlich jedoch bei meinen Nochehemann wieder wesentlich besser. Ende 2015 hat mein Nochehemann die Scheidung eingereicht! Ich frage mich daher, ob die Einkommensunterlagen für das Jahr 2013 (Trennungszeitpunkt )nicht doch sehr wichtig sind, damit eventuelle "Vermögensverschiebungen" nachvollzogen werden können, da wir insbesondere für das Jahr 2013 und teilweise für 2014 und 2015 keine oder nur unzureichende Unterlagen, Bilanzen usw. vorliegen haben.
3. Ist es über meinen Auskunfts- und Beleganspruch im Unterhaltsrechtlichen Bereich daher nicht möglich eventuell an die noch fehlenden, korrekten Auskünfte/Bilanzen für 2013, 2014 und 2015 zu kommen bzw. den Druck auf die Gegenseite zu erhöhen?
Mein Nochehemann ist an einem komplizierten Firmenverbund im In- und Ausland beteiligt, bezieht jedoch nicht aus allen Firmen Einkommen. Teilweise werden die Firmengewinne thesauriert und mein Nochehemann ist daher der Meinung, das diese Einkünfte ihm nicht angerechnet werden können, da er keine Mehrheitsbeteiligung an diesen Firmen hat und somit nicht über den Gewinn verfügen kann. Bei einer großen Firmengruppe hat mein Mann 45 % Firmenanteil und es wird ein erheblicher Gewinn ausgewiesen. Es gibt aber auch Firmen an denen er 100 % beteiligt ist. Leider wird hier natürlich ein Verlust angegeben, welcher mein Nochehemann in seinen Auskünften zur Leistungsfähigkeit auch ansetzt. Mein Nochehemann führt seit der Trennung seinen gehobenen Lebensstil fort, insbesondere seit 2016 werden viele Luxusreisen mit der neuen Lebensgefährtin unternommen. Des Weiteren wird ein sehr teures Auto (geleastes Firmenfahrzeug) seiner eigenen Firma gefahren und ein neues Ferienhaus im Ausland gekauft. Er scheint also über genügend finanzielle Mittel zu verfügen, auf der anderen Seite wurde mir mein Unterhalt immer mehr gekürzt.
Bezüglich meiner Auskunfts- und Belegansprüche bin ich mir jetzt sehr unsicher und würde daher gerne Ihren Ratschlag hören. Mir ist natürlich bewusst, das es ein sehr langes Verfahren geben kann, wenn ich auf diese Ansprüche bestehe.
4. Befinde ich mich eigentlich erst im gerichtlichen Verfahren, wenn ich einen Titel habe, also zum Beispiel wegen den Auskünften zum Anfangs-/Trennungs- und Endvermögen? Im ersten Anhörung- und Gütetermin beim Familiengericht wurde vereinbart, das beide Eheleute geschieden werden möchten, für den Versorgungsausgleich zwar kein Entwurf vorliegt dieser aber entscheidungsreif sein dürfte und bei der Folgesache Zugewinn sich die Beteiligten darauf geeinigt haben bis zum neuen Termin sich außergerichtlich über die Erfüllung des Auskunftsanspruchs zu einigen.
Ich denke dieser Punkt, ob außergerichtlich oder gerichtliches Verfahren dürfte auch bezüglich der gesetzlichen Gebühren für die Anwälte nicht gerade unwichtig sein. Mein Anwalt ist schon älter und der Gegenanwalt ebenfalls. Für den sehr erfahrenen Gegenanwalt ist es das letzte Mandat, denn er möchte dann in Ruhestand gehen bzw. befindet sich eigentlich schon mehr oder minder darin. Beide Anwälte kennen sich wohl schon lange aus dem Anwaltsverein. Das wusste ich jedoch bei der Mandatserteilung nicht...
Mein Anwalt ist zwar auch schon über 60 Jahre, hat aber seinen Sohn als Nachfolger in seiner Familienkanzlei. Beim ersten Anhörung- und Gütetermin vor dem Familiengericht hat der Gegenanwalt meinen Anwalt zum Schluss gedutzt, was mich sehr verwundert hat und mich jetzt auch verunsichert, wenn ich ehrlich bin. Es kann natürlich auch eine Taktik des Gegenanwalts gewesen sein.
Mit freundlichen Grüßen
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Antwort von Rechtsanwalt Oliver Wöhler
Sehr geehrte Ratsuchende,
ich danke für Ihre Anfrage.
1. Zunächst noch einmal der Hinweis, dass es ohne Kenntnis der umfangreichen Akten natürlich immer schwierig ist, aus der Distanz 100 % Aussagen zu treffen.
Beim Auskunftsergänzungsanspruch geht es hier allein um den Unterhalt. Es gibt rechtlich keinen Auskunftsergänzungsanspruch, sondern nur den Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB. Entweder ist die Auskunft richtig und vollständig oder nicht. Wenn diese unvollständig ist, muss sie ergänzt werden. Es geht hier nur um den Unterhalt und das Vorgehen Ihres Anwalts ist richtig.
2. Sie haben ja schon die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwer ist vollständige Auskünfte zu erhalten. Es besteht die Gefahr, sich in der Auskunftsstufe zu verlieren. Ich bin ein großer Befürworter davon, schnell den Anspruch zu beziffern, auch wenn die Zahlen nicht ganz vollständig sind. Es gibt eine wichtige Vorschrift in § 235 FamFG. Das Gericht kann im Unterhaltsverfahren beide Seiten zwingen Auskunft zu erteilen und zu belegen. Das Gericht darf nach § 236 FamFG auch bei Dritten, etwa Finanzamt, direkt anfragen. Es gibt daher die Chance die fehlende Auskunft im Prozess nachzuholen. Daher ist es immer besser irgendwann zu beziffern.
3. Ich verweise auf Ziffer 2. Gerade bei den schwierigen Verhältnissen ist es sinnvoll bei Gericht zu beantragen das das Gericht dem Gegner aufgibt Auskunft zu erteilen. Bei Selbstständigen kann man zum Teil auch über die Entnahmen auf das Einkommen schließen. Wenn Ihr Mann viel Geld ausgibt aber offiziell wenig hat, ist das Anlass die steuerlichen Unterlagen beim Unterhalt sehr kritisch zu prüfen. Steuerrecht und Unterhalt sind nicht identisch.
4. Ich kenne die Akten nicht und daher ist es schwer Detail zu nennen. Sie sind aber wegen der Scheidung und des Zugewinns schon im gerichtlichen Verfahren. Das gerichtliche Verfahren findet immer zuerst statt und hat eventuell zur Folge das ein Titel entsteht. Ich weiß aber nicht ob Ihr Anwalt den Zugewinn, also die Auskunftsstufe schon bei Gericht beantragt hat, dass scheint mir eher nicht der Fall zu sein. Um einen Titel auf Auskunft zu erlangen muss man aber ein gerichtliches Verfahren durchlaufen. Ich verstehe Sie so, als dass bisher nur die Scheidung läuft und Auskunftsansprüche zum Zugewinn und Unterhalt bisher nicht gerichtlich geltend gemacht wurden.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Wöhler, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Familienrecht und Arbeitsrecht
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