Ausgleichspflicht Gem. Testament
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Neumann,
meine 3 Geschwister und ich haben eine Frage zum Thema Ausgleichspflicht bei dem gemeinschaftlichen Testament unserer Großeltern (Großvater verstorben 2011, Großmutter verstorben 2019).
Wir Geschwister sind zu einem gemeinschaftlichen Erbteil i.H.v. 1/3 im Sinne von §2093 BGB im gemeinschaftlichen Testament eingesetzt. Weitere Erben sind unsere zwei Tanten zu je 1/3 Anteil. Unsere Mutter hat Anspruch auf Ihren Pflichtanteil. Weitere direkte Abkömmlinge als unsere beiden Tanten und unsere Mutter gibt es nicht. Von daher sind unsere Tanten auf Ihren gesetzlichen Erbteil angesetzt.
Inwiefern sind unsere Tanten uns gegenüber ausgleichspflichtig (z.B. für Immobilien-Schenkungen die unsere Tanten und unsere Mutter zu je den gleichen Anteilen von unseren Großeltern in den 90er Jahren erhalten haben) bzw. wir Ihnen gegenüber (z.B. wir für eine Schenkung, die unsere Mutter ggf. von unseren Großeltern zu Lebzeiten erhalten hat, unsere Tanten jedoch nicht).
Im Testament steht: "Auf meinem Tod vorhandene Pflichteilsberechtigte haben sich auf ihren Erbteil und Pflichtteil dasjenige anrechnen zu lassen, was sie zu Lebzeiten als freigebige Zuwendung von mir erhalten habe". Weitere Aussagen zur Ausgleichspflicht sind nicht beschrieben.
Ich verstehe ohnehin §2052 BGB so, dass unsere Tanten uns Geschwistern ausgleichspflichtig gegenüber sind, wir aber nicht ihnen gegenüber für die Schenkung an unsere Mutter.
Schöne Grüße
O. S.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Roger Neumann
Sehr geehrter Fragesteller,
nachfolgend beantworte ich Ihre Fragen. Wenn noch etwas unklar ist oder im Falle von Missverständnissen können wir das im Rahmen der Rückfragefunktion schnell und unkompliziert klären.
Eine abschließende Beurteilung würde erfordern, das gesamte Testament zu kennen und zu prüfen, da dies das zentrale Dokument ist. Auslegungsansätze können sich bei einem Testament nicht nur aus den einzelnen Klauseln sondern auch aus dem Gesamtzusammenhang ergeben.
Dies vorweg geschickt führe ich zu Ihrer Frage das folgende aus:
§ 2052 BGB gilt, wenn der Erblasser zu Anrechnungs- oder Ausgleichspflichten keine Regelung getroffen hat. Da Ihre Großeltern eine Regelung getroffen haben, geht diese den gesetzlichen Vorschriften vor, ist also ausschlaggebend.
Nach meinem Dafürhalten ist die zitierte Regelung eindeutig. Nur bei dem Tod vorhandene Pflichtteilsberechtigte müssen sich lebzeitige Zuwendungen anrechnen lassen. Da Ihre Mutter noch lebt und Sie somit gemäß § 1930 BGB von der Erbfolge ausgeschlossen sind, sind Sie und Ihre Geschwister nicht pflichtteilsberechtigt, folglich auch nicht verpflichtet sich etwas anrechnen zu lassen. Zudem wären nach dem Wortlaut der zitierten Klausel auch ohnehin nur die Zuwendungen anrechenbar, die Sie (also die Enkel) selbst erhalten haben. Schon aus diesem Grund müssten Sie sich also Zuwendungen an Ihre Mutter nicht anrechnen lassen.
Diese Regelung war nach der Vorstellung Ihrer Großeltern sicherlich auch genau so gewollt, weil eine Anrechnung sowohl auf den Pflichtteil Ihrer Mutter als auch bei Ihnen als Erben zu einer doppelten Anrechnung führen würde.
Ob und wie weit die Anrechnungspflicht hinsichtlich Ihrer Mutter wirksam ist, ist eine andere Frage. Das hängt davon ab, ob bereits bei den seinerzeitigen Schenkungen die Anrechnung auf den Pflichtteil angeordnet war, § 2315 BGB, denn das Pflichtteilsrecht ist insofern zwingendes Recht.
Im Ergebnis sind also die Schenkungen an Ihre Tanten anzurechnen. Das bedeutet, die Schenkungen sind dem Nachlass fiktiv hinzuzurechnen mit auf den Erbfall indiziertem Wert (Inflationsausgleich). Die sich so ergebende relevante Summe ist dann nach der Erbquote aufzuteilen und dann bei Ihren Tanten jeweils wieder der indizierte Vorausempfang abzuziehen.
Sofern die Anrechnungsanordnung zum Pflichtteil Ihrer Mutter wirksam ist, würde auch mit den Schenkungen Ihrer Mutter genauso verfahren, wobei die Anrechnung zu Lasten Ihrer Mutter ginge. Zur Ermittlung des Pflichtteils wäre von der relevanten Summe der Erbteil zu errechnen, dieser zu halbieren (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB) und davon dann der indizierte Vorausempfang abzuziehen.
Sollte die Anrechnungsanordnung zum Pflichtteil der Mutter unwirksam sein, dann würde hingegen von der relevanten Summe der Erbteil errechnet, dann der Vorausempfang abgezogen und erst dann die Halbierung vorgenommen, §§ 2016, 2050 BGB. Das wäre für Ihre Mutter günstiger, weil im Ergebnis die lebzeitigen Zuwendungen nur mit der Pflichtteilquote (ein Sechstel) angerechnet würde.
Die Einzelheiten der Berechnung aller Anrechnungen können sich kompliziert gestalten.
Die Last, den Pflichtteil Ihrer Mutter auszukehren, trifft alle Erben entsprechend ihren Quoten.
Ich hoffe, Ihre Fragen im Sinne der von Ihnen gewünschten Beratung beantwortet zu haben. Wenn noch etwas unklar ist oder wenn Sie noch Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, von der kostenlosen Rückfragemöglichkeit Gebrauch zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Roger Neumann
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beim nochmaligen Durchsicht meiner Antwort ist mir eine kleine sprachliche Ungenauigkeit aufgefallen:
Ich nutze die Formulierungen "indizierter Wert" und "indizierter Vorausempfang".
Richtig müsste es heißen: "indexierter Wert" und "indexierter Vorausempfang".
Ich bitte, das Versehen zu entschuldigen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Roger Neumann
vielen Dank für die ausführliche Antwort! Eine Rückfrage habe ich hierzu noch. Betrifft die Schenkungsanrechnung unserer Tanten auch noch Schenkungen die mein Großvater (gestorben 2011) an meine Tanten gemacht hat, oder ist dies mittlerweile schon "verjährt"?
Schöne Grüße
O. S.
gern beantworte ich Ihre Rückfrage:
Es entspricht ständiger Rechtsprechung bereits seit Zeiten des Reichsgerichts, dass im Falle eines gemeinschaftlichen Testamentes als Erblasser im Sinne des § 2052 BGB auch der zuerst verstorbene Ehegatte gilt. Das wird in Ihrem Fall auch so anzuwenden sein, so dass die Schenkungen des Großvaters ebenfalls anzurechnen sind. Eine Verjährung ist nicht eingetreten. Ich unterstelle dabei, dass ein gemeinschaftliches Testament Ihrer Großeltern mit gegenseitiger Erbeinsetzung und Bestimmung der Schlusserben vorliegt. Ferner unterstelle ich, dass alle drei Kinder Ihrer Großeltern gemeinsame Kinder sind, so dass also alle Erben Abkömmlinge sowohl des Großvaters als auch der Großmutter sind.
Ich hoffe, die Rückfrage verständlich beantwortet zu haben. Wenn noch etwas unklar ist, fragen Sie gern noch einmal nach.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Roger Neumann