Atypischer Auffahrunfall
Fragestellung
Handelt es sich bei der geschilderten Sachlage um einen atypischen Auffahrunfall und hat eine Klage bei Einräumung einer Mitschuld überhaupt Aussicht auf Erfolg.
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Antwort von Rechtsanwalt Jens Jeromin
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Informationen wie folgt beantworte.
Zunächst führt der Entwurf der Klageschrift aus, der Unfall sei für den Zeugen N unvermeidbar gewesen. Dass passt nicht zum Einräumen eines Mitverschuldens. Ich würde diese Unvermeidbarkeitspasasage herausnehmen und das Verfahren nur dann sofort betreiben, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht.
Das Kostenrisiko eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens, das Sie beantragt haben, ist zu beachten. Unter dem Strich besteht im Falle eines Prozessverlustes die Gefahr, an Gerichts- und Anwaltsgebühren sowie Sachverständigenkosten mehr zu zahlen, als eingeklagt wurde.
Denn der Ausgangspunkt ist folgender: Bei einem Auffahrunfall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende den Unfallschuldhaft herbeigeführt hat, weil er entweder unachtsam, mit einer angesichts der Sichtweise zu hohen Geschwindigkeit oder ohne ausreichenden Abstand gefahren ist (BGH, VersR 1989, 54; 1987, 1241; vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 4 StVO, Rdnr. 17 ff. m.w.N.).
Ein Kraftfahrer darf sich auch grundsätzlich nicht darauf verlassen, dass ein vor ihm fahrendes Kraftfahrzeug heftiges Bremsen unterlässt (BGH, NJW 1987, 1075).
Dass bedeutet, dass der Beweis des ersten Anscheins gegen ein Alleinverschulden des Zeugen N spricht.
Dieser Anscheinsbeweis müsste nun erschüttert werden.
Selbst dann käme man nur zu einer Quote, denn im innerörtlichen Verkehr muss stets mit einem Anlass zum Bremsen gerechnet werden, so dass den Auffahrenden auch dann eine Mithaftung trifft, wenn das vorausfahrende Kraftfahrzeug stark und ohne zwingenden Grund abgebremst wird (OLG Düsseldorf, VersR 1978, 331; OLG Koblenz, VM 1992, Nr. 116).
Sie schreiben „Der Beklagte zu (1) beschleunigte nunmehr sein Fahrzeug um einen Augenblick später, ohne das Vorhaben durch Setzen des Blinkers anzuzeigen in großem Bogen nach rechts abzubiegen.“
Darauf kommt es aus meiner Sicht bei der Beurteilung der Haftungslage nicht an.
Denn Sie schreiben weiter „Mit Einleitung des Abbiegevorgangs verringerte sich der Abstand beider Fahrzeuge, so dass der Zeuge (N) seine Geschwindigkeit auf ca. 20 km/h senkte um einen ausreichenden Sicherheitsabstand von ca. 10 m einzuhalten.“
N hatte trotz des geschilderten Verhaltens also die Situation zunächst erkannt und sich darauf eingestellt.
Wesentlich wird sein, ob bewiesen werden kann, dass der Unfallgegner ohne zwingenden Grund abbremste, also die „Fahrradfahrer“- Erklärungen widerlegt werden kann.
Hier kommt es allein darauf an, ob N zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft darlegen kann, dass er den Kreuzungsbereich als nachfolgendes Fahrzeug so umfassend und ununterbrochen einsehen konnte, dass er diese Version absolut ausschließen kann.
Hier kann ich nicht jede mögliche Frage, die das Gericht zur Sachverhaltsaufklärung für wichtig erachtet, antizipieren, Bedeutung wird auch haben, welches Interesse N am Prozessausgang haben könnte, die Aussage eines Verwandten, Mitarbeiters o.ä. würde das Gericht entsprechend kritisch zu hinterfragen haben.
Fakt bleibt aber, dass Ihnen mit N ein Zeuge zur Verfügung steht, dessen Angaben geeignet sind, den Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Glaubt das Gericht dem N, halte ich eine Quote von mindestens 25% (bei bestehender Rechtsschutz-Versicherung würde ich 50% ansetzen) für absolut realisierbar.
Ob es N glaubt, ist Tatfrage, das kann ich nicht abschließend vorhersehen.
Ich hoffe Ihnen auf diesem Weg eine hilfreiche rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jeromin
Rechtsanwalt
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bezogen auf Ihre Nachfrage teile ich Ihnen folgendes mit: der Begriff "atypisch" ist bei Auffahrunfällen nicht gerade gängig und scheint hier mehr zu verkomplizieren, als aufzuklären.
Der Beweis des ersten Anscheins spricht für die Alleinschuld des Auffahrenden. Diesem obliegt es, diesen ersten Anschein zu erschüttern. Das wäre der Fall, wenn bewiesen werden könnte, dass ein völlig unnötiges Bremsmanöver vorlag. Gelingt dieser Beweis nicht, steht Klageabweisung zu erwarten.
Niemand muss eine Verkehrssituation, hier eine Kreuzung umfassend und pauschal überblicken. Es besteht allerdings die Pflicht, eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschliessen. Im Blick muss ich also diejenigen haben, mit denen ich in Kontakt kommen kann, vor allem vorausfahrende Fahrzeuge, Fahrzeuge die Vorfahrt genießen sowie Dritte, die berechtigt die Straße bzw. meinen Fahrweg kreuzen.
Mit freundlichen Grüßen
Jeromin
Rechtsanwalt