Arbeitsrecht Kündigungsfrist und Abwerben bei Insolvenz
Fragestellung
Hallo Herr Schröter,
ich habe folgende zwei Fragen:
1. Mein Arbeitgeber hat Insolvenz angemeldet. Der Geschäftsbetrieb wird erstmal fortgeführt und ein Verkauf des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter ist Richtung November 2015 angestrebt. Dann beginnt auch das Insolvenzverfahren.
Nun hat das Unternehmen über das Intranet angekündigt, damit ihm die Mitarbeiter nicht sofort weglaufen, das er einseitig eine Verkürzung der Kündigungsfrist, quasi zum Vorteil der Mitarbeiter, umsetzten will.
Als Beispiel: Ich habe eine Kündigungsfrist von 3 Monaten, müsste also bis Ende September vertraglich kündigen damit ich zum 31.12 das Unternehmen verlassen kann.
Durch die angebotene Verkürzung kann ich angeblich auch erst z.b. Mitte November kündigen und kann das Unternehmen trotzdem zu 31.12 verlassen.
Nun die Frage: Ist das Rechtswidrig? Geht das überhaupt eine einseitige Verkürzung der Kündigungsfrist und kann man es durchsetzen, da man es ja nicht schriftlich hat, wenn es zu einer Übernahme kommt bei dem neuen Arbeitgeber? Ist hier nicht eine offizielle Vertragsänderung notwendig bzw. überhaupt machbar? Brauche ich da etwas schriftlich?
Der Wortlaut aus dem Intranet lautet:
"Wir wollen, dass Sie sich auch weiterhin für unsere gemeinsame Zukunft entscheiden. Jedoch mag dem ein oder anderen von Ihnen insbesondere mit einer langen Kündigungsfrist, das Warten auf November zu unsicher sein. Damit Sie von Ihrem Kündigungsrecht nicht voreilig Gebrauch machen, sondern sich die Lage im November in Ruhe ansehen, sichern wir Ihnen hiermit Folgendes zu:
Wenn Sie sich im November entscheiden, nicht mehr für uns arbeiten zu wollen, werden wir diesem Wunsch noch vor Jahresende entsprechen. Und zwar unabhängig von allen vertraglichen Vereinbarungen.
Dies können Sie zu gegebenem Zeitpunkt mit Ihrem Vorgesetzten beziehungsweise Ihrem HR Businesspartner absprechen und für eine geordnete Übergabe Ihrer Tätigkeiten sorgen.
Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Wir möchten Sie keinesfalls zur Kündigung ermuntern, sondern Ihnen die Entscheidung zu bleiben so leicht wie möglich machen. Dieses Versprechen soll verhindern, dass verunsicherte Mitarbeiter voreilig ihren Vertrag kündigen."
2. Thema: Wechsel in ein neues Unternehmen das Einsicht in die Finanzakten beim Insolvenzverwalter hat und eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet hat.
Ist die Aussage korrekt das ein möglicher Übernahmeinteressent an dem insolvente Unternehmen, welcher die Akteneinsicht beim Insolvenzverwalter hatte, offiziell wegen Schadensersatzansprüchen belangt werden kann wenn er weiterhin Mitarbeiter aus diesem Unternehmen abwirbt und bei sich einstellt bevor der Verkauf entschieden und abgeschlossen ist?
Beispiel: Kaufinteressent A und B haben Akteneinsicht bei Insolventer Firma.
B bekommt den Zuschlag und Kauft das Unternehmen.
A wirbt VOR der Übernahme Mitarbeiter ab. Kann B dann A verklagen wegen Wettbewerbsvorteil o.Ä.?
Die Frage geht gezielt auf das Abwerben von MA obwohl man Akteneinsicht hat und das einem als Wettbewerbsvorteil ausgelegt werden kann. Man wird sich dann ja wahrscheinlich nur MA abwerben aus den "guten" Abteilungen, da man die Zahlen ja kennt.
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
0900-1010 999 * anrufen
Antwort von Rechtsanwalt Marcus Schröter
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich nachfolgend beantworte:
1. Eine einseitige Verkürzung der Kündigungsfrist ist nicht möglich. Nur durch eine Änderung des Arbeitsvertrages oder eines Tarifvertrages, § 622 Abs. 4 BGB kann die Kündigungsfrist verkürzt werden.
2. Sie haben aber die Möglichkeit außerordentlich, d.h. ohne Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist das Vertragsverhältnis zu kündigen. Sie können sich dann auf die Ankündigung des Arbeitgebers bzw. Insolvenzverwalter berufen, wonach dieser die Einhaltung der vertragliche vereinbarten Kündigungsfrist nicht verlangen wird.
3. Die einseitige Verkürzung der Kündigungsfrist widerspricht daher dem bestehenden Arbeitsvertrag. Ein neuer Arbeitgeber muss sich hierauf nicht einlassen. Streben Sie daher eine schriftliche Vereinbarung oder Änderung des Arbeitsvertrages an, dass die Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechend reduziert wird.
4. Die Formulierung des Arbeitgebers ist aus meiner Sicht dann so zu verstehen, dass wenn der Arbeitnehmer das Vertragsverhältnis im November zum 31.12.2015 beenden will hier ein Aufghebungsvertrag geschlossen wird. Dieser bedarf aber auch der Zustimmung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
5. Ein Schadensersatzanspruch oder ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe besteht durchaus. Allerdings wird das Unternehmen A sich gegenüber dem Insolvenzverwalter schadensersatzpflichtig machen. Denn A wird eine Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber dem Insolvenzverwalter unterschrieben haben, in der auch der Schadensersatzanspruch oder die Höhe der Vertragsstrafe geregelt ist.
Das Unternehmen B wird, wenn Mitarbeiter gezielt von einem Mitbewerber trotz Verschwiegenheitsvereinbarung abgeworben wurden, den Insolvenzverwalter in Anspruch nehmen. In diesem Fall auf Minderung des Kaufpreises für das Unternehmen oder von dem Vertrag zurücktreten.
Da zwischen A und B kein Vertragsverhältnis besteht, sondern diese als Kaufinteressenten auftreten, wird in diesem Verhältnis kein Schadensersatzanspruch bestehen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen. Bei Rückfragen stehe ich weiterhin zur Verfügung.
Mit besten Grüßen
Marcus Schröter
Rechtsanwalt
Sie haben eine Frage im Bereich Insolvenzrecht?
Raten Sie nicht weiter!
Unsere Rechtsanwält*innen geben Ihnen gerne eine kostenlose
Ersteinschätzung zu Ihrem Anliegen.
Jetzt kostenlose Ersteinschätzung einholen