Anfrage zum Steuerrecht in Verbindung mit Ausländerrecht
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Merkel!
Eine ukrainische Studentin, die ich betreue, studiert an der Leibniz Universität Hannover (LUH) und benötigt eine Beratung in der folgenden Angelegenheit:
Die Studentin ist durch die Studierendenschaft aktuell gewählte Referentin im AStA der LUH und erhält für ihre Arbeit einen monatliche Arbeitsentschädigung in Höhe von knapp 600 Euro. Sie kennt sich mit dem deutschen Steuerrecht nicht aus und hat bisher so gehandelt wie ihre deutschen AStA-Mitglieder, die ihre Tätigkeit auch nicht beim Finanzamt angemeldet haben.
Die Studentin besitzt wie die anderen AStA-Mitglieder keinen Arbeitsvertrag mit der Studierendenschaft. Diese führt auch keine Sozialabgaben für die AStA-Mitglieder ab.
Lt. des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 22. Juli 2008 – VI R 51/05:
"Der Bundesfinanzhof hat seine ständige Rechtsprechung zur Unterscheidung selbständiger von nichtselbständiger Arbeit ein weiteres Mal bestätigt. Anlass war diesmal die Frage, ob die nach dem einschlägigen Hochschulrecht als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts behandelte Studentenschaft einer Universität Arbeitgeber und die für sie tätigen Organe, der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) sowie die dafür handelnden Personen – Vorsitzende und Referenten des AStA – Arbeitnehmer sein können."
Seit 2008 sind bei der verfassten Studierendenschaft der LUH keine Konsequenzen aus dem o..a. Urteil gezogen. Es erfolgte an die AStA-Mitglieder keine Information, dass sie steuerechtlich zu handeln haben. Bisher wurden auch keine Arbeitsverträge geschlossen.
Nunmehr hat sich der Sachverhalt ergeben, dass das Finaz- und Sozialverwaltung auf diesen Missstand aufmerksam geworden sind. Die Studentin aus der Ukraine befürchtet nun strafrechtliche Konsequenzen und Ausweisung aus Deutschland.
Meine Frage:
Sind die Befürchtungen der Studentin realistisch?
Mit freundlichem Gruß
Dr. phil. Berthold Gomm
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Antwort von Rechtsanwältin Anja Merkel, LL.M.
Sehr geehrter Ratsuchender,
ich beantowrte Ihr Anliegen auf Basis Ihrer Angaben folgendermaßen:
Sind die Befürchtungen der Studentin realistisch?
Meiner Ansicht nach, nein.
Zunächst einmal müsste bei der Studierenden ja überhaupt ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt (Steuerhinterziehung, Betrug) vorliegen. Da die LHU die Umsetzung des Urteils des BFH bezüglich der ASTA-Mitglieder hätte durchführen müssen, ist der Studierenden kein persönlicher Vorwurf zu machen Der Arbeitgeber hätte die Angestellten ASTA-Mitglieder entsprechend steuerlich melden und finanziell behandeln müssen. Das einzelne ASTA-Mitglied muss meiner Meinung nach nicht davon ausgehen, dass die LHU diesbezüglich fehlerhaft handelt.
Damit kann ein Verstoß also nur darin liegen, dass die Studierende den empfangenen Lohn/Entschädigung nicht beim Finanzamt gemeldet hat. Jedoch ist dann zu fragen, ob die Studierende dies überhaupt hätte melden müssen.
Sie hätte eine Steuererklärung dann abgeben müssen, wenn Sie über den jährlichen Freibetrag ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit hätte. Hier ist die Tätigkeit nach der Rechtssprechung zwar unselbstständig, da jedoch die LHU dieses Verhältnis nicht gesehen hat, musste die Studierende davon ausgehen, dass die Entschädigung als selbstständiges Einkommen gilt. Bei 600 Euro hat die Studierende also 7200 Euro pro Jahr verdient. Damit lag Sie innerhalb der Freibeträge und war somit nicht verpflichtet eine Steuererklärung abzugeben. Die Freibeträge werden jedes Jahr neu festgesetzt und betrugen: 2015: 8.472 EUR; 2016: 8.652 EUR; 2017: 8.820 EUR.
Etwas anderes kann sich ergeben, wenn die Studierende einen weiteren Job hat. Dann hätte es Sie bereits wegen mehrerer Arbeitgeber eine Steuererklärung abgeben müssen, oder aber wegen Überschreitung des jährlichen Freibetrages.
Eine strafrechtliche Verurteilung sehe ich nicht.
Die Versagung des Aufenthaltstitels kann zwar im laufenden Strafverfahren erfolgen. jedoch kann dagegen Rechtsmittel eingelegt werden, mit dem Ziel das Strafverfahren abzuschließen. Hier wäre dann ja nichts zu befürchten, so dass auch die Versagung des Aufenthaltstitels nicht im Raum steht.
Sollte es zu Fragen diesbezüglich von der Ausländerbehörde kommen, so muss immer auf die entscheidende Rolle der LHU als Arbeitgeber hingewiesen werden und dem berechtigten Vertrauen der Studierenden, dass die LHU korrekt vorgeht und Sie als Studierende keine Steuererklärung anzufertigen braucht.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dieses Forum eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann, sondern vor allem dafür gedacht ist, eine erste rechtliche Einschätzung zu ermöglichen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen könnte die rechtliche Beurteilung Ihres Anliegens anders ausfallen.
Ich hoffe Ihnen eine erste rechtliche Orientierung gegeben zu haben.
Beste Grüße
Anja Merkel, LL.M.
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Erst einmal meinen herzlichen Dank für Ihre Informationen und Einschätzung.
Leider stellt sich der Sachverhalt noch anders dar: Die Studentin hat auf meine Nachfrage bestätigt, dass sie einen weiteren Nebenjob ausübt.
Das sind die tatsächlichen Verdienste pro Jahr:
2016: 11.710,- Euro
2017 (bisher): 11.980,- Euro
Damit wird der Steuerfreibetrag für das Jahr 2016 um 3.238,- Euro und für das Jahr 2017 bisher um 3.160,- Euro überschritten.
Ich wäre Ihnen für Ihre Einschätzung des neuen Sachverhaltes sehr dankbar.
Mit freundlichem Gruß
Bezüglich der anderen Tätigkeit müsste die Studierende sich zunächst erkundigen, wie Sie dort beschäftigt ist. Auf Rechnung oder sozialversicherungspflichtig angestellt.
Bei letzterem wäre die Studierende ja zumindest Arbeitgeberseitig beim Finanzamt gemeldet und Lohnsteuer würde direkt abgeführt.
Sie müsste dann eine Steuererklärung machen und die ASTA-Beträge mit angeben. Hier sollte Rücksprache mit der LHU gehalten werden, wie die Uni damit umgeht für die Vergangenheit und für die Zukunft.
Entsprechend sollte Sie Steuererklärungen anfertigen. Vorteil für die Studierende neben der Klärung der Verhältnisse, ist möglicherweise ein finanzieller Vorteil, indem Sie Werbekosten etc. geltend machen kann und so gegebenfalls von der bereits gezahlten Lohnsteuer etwas wiederbekommt.
Ihre Sudierende sollte sich mit einem Steuerberater/Lohnsteuerhilfe etc. beraten. Dies z.B. vor dem Hintergrund, dass ab einem bestimmten Arbeitsumfang steuerrechtlich und versicherungsrechtlich als Arbeitnehmerin und nicht als Studierende gilt.
Um Ihre Ausgangsfragen zu beantworten:
Eine Strafbarkeit und Ausweisung sehe ich dennoch nicht, Zumindest dann nicht, wenn die Studierende den anderen Job angestellt erledigt.
Dann geht es nur um die Leistungen als ASTA-Mitglied und dem Versehen der LHU und nicht der Studierenden. Hier greift dann die bereits vorgetragene Argumentation.
Mit freundlichen Grüßen