Abfindungsanspruch in stillschweigender Gesellschaft
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Park,
ich habe vor 2,5 Jahren mit zwei Freunden damit begonnen, ein gemeinsames Lektorat aufzubauen. Wir haben zwar niemals explizit eine Rechtsform festgelegt, aber nach meinem Dafürhalten und nach der Auslegung des BGB liegt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ja bereits dann vor, wenn sich mindestens zwei Personen zu einem wirtschaftlichen Vorhaben zusammenschließen – auch ohne Vertrag, also stillschweigend. Genau das war bei uns der Fall.
Nach meinem Ausstieg Ende 2016 war ich der Meinung, dass mir eine Abfindung zusteht. Hierzu sah ich eine klare Rechtsgrundlage – vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1997 – II ZR 81/96, BGHZ 135, 387, 390: "Ein gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss ist grundsätzlich sittenwidrig im Sinn von § 138 Abs. 1 BGB und nur in Ausnahmefällen zulässig. Der Gesellschafter hat durch Kapitaleinsatz und ggf. Mitarbeit zu dem im Wert seines Geschäftsanteils repräsentierten Gesellschaftsvermögen beigetragen. Die Gesellschafterstellung darf dann nicht ohne Wertausgleich verloren gehen."
Insgesamt haben wir jeder ca. 1000 Stunden an unbezahlter Strukturarbeit und einen niedrigen 4-stelligen Euro-Betrag in das Unternehmen investiert. Wir haben allerdings nie einen gemeinsamen Gesellschaftsvertrag aufgelegt.
Auch haben wir niemals eine gemeinsame Steuernummer für die GbR beim Finanzamt beantragt, sondern auf unsere jeweiligen Steuernummern als Freiberufler fakturiert. Die Aufträge gingen also auf einer zentralen E-Mail Adresse ein und wurden an den jeweiligen Gesellschafter weitergeleitet. Dabei wurde auf eine gerechte Verteilung geachtet. Nach Abschluss des Auftrags wurde die Rechnung mit der individuellen Steuernummer des Lektors/Gesellschafters an den Kunden gesendet. Hierzu ist anzumerken, dass jeder von uns die Kleinunternehmerregelung nutze und somit niemand von uns eine Umsatzsteuer ausgeben musste.
Meine beiden Kollegen waren aber der Ansicht, dass sich so eine GbR und folglich auch die Zahlung der Umsatzsteuer verhindern ließen. Folgende Punkte sprechen in meinen Augen aber eindeutig für eine GbR und gegen eine Kooperation von drei freiberuflichen Gesellschaftern: gemeinsame Webseite + gemeinsame Facebookseite, gemeinsames Logo (u. a. auf Webseite, Rechnungen und Bildmaterial), keine Abgrenzung der Leistungen auf der Website (z. B. Lektorat Gesellschafter A, Lektorat Gesellschafter B, Lektorat Gesellschafter C), interne Zuweisung von Arbeitsbereichen an die Gesellschafter (strategische Unternehmensführung; Marketing- und Social Media; Auftragsmanagement), gemeinsame Werbekampagnen, regelmäßige Arbeitstreffen, kumulierte Arbeitsstunden für den Strukturaufbau des Unternehmens in Höhe von ca. 3.000 Stunden.
Nach meinem Hinweis auf eine rechtmäßige Abfindung lautete die Antwort meiner beiden ehemaligen Gesellschafter, dass eine GbR im steuerlichen Sinne nicht gegeben war, da jeder Gesellschafter separat fakturiert hat. Außerdem habe die GbR lediglich infrastrukturell gesellschaftlich gehandelt, was nicht mit einer (steuer-)rechtlichen GbR gleichzusetzen sei.
Ich sehe das anders, da meiner Meinung nach auch infrastrukturelles Handeln eine GbR „auslöst“, die folglich rechtlich auch als solche behandelt werden muss (inkl. Abfindungsanspruch). Außerdem beeinträchtigen die steuerlichen Begebenheiten nach meinem Dafürhalten keinesfalls die zivilrechtlichen.
Meine Fragen:
Handelt es sich trotz der Nichtbeantragung einer gemeinsamen Steuernummer im geschilderten Fall zweifelsohne um eine GbR?
Gibt es eine Unterscheidung zwischen einer steuerrechtlichen und einer nicht-steuerrechtlichen GbR? (wie es von meinen ehemaligen Gesellschaftern suggeriert wird)
Hat die Fakturierung auf die individuellen Steuernummern irgendeine Auswirkung auf den Abfindungsanspruch meinerseits?
Ist mein Anspruch auf Abfindung dementsprechend rechtmäßig?
Ich würde mich sehr über eine Einschätzung – bzw. die Beantwortung der Fragen freuen! Vielen Dank für Ihre Zeit!
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Antwort von Rechtsanwalt Alexander Park
Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Frage auf Grundlage der von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen wie folgt:
Aus meiner Sicht ist Ihre Einschätzung völlig richtig, eine GbR i.S.d. §§ 705 ff. BGB dürfte vorliegen, da sich Gesellschaftsvertrag mindestens zwei Gesellschafter gegenseitig verpflichtet haben, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern. Dieser Vertrag kann, muss aber nicht schriftlich ausformuliert sein. In letzterem Fall hilft dann das BGB.
In dem vom von Ihnen geschilderten Fall mit den Steuernummern könnte man auf den ersten Blick auf die Idee kommen, dass hier eine Innengesellschaft vorliegt, da Sie aber nach außen hin aufgetreten sind, gemeinsam Werbung geschaltet haben und ein gemeinsames Logo geschaltet haben, sind Sie auch nach außen aufgetreten.
Konstitutive Merkmale des Gesellschaftsvertrags sind der vereinbarte gemeinsame Zweck und die entsprechenden Förderungspflichten aller Vertragspartner.
Dieser gemeinsame Zweck lag bei Ihnen unstreitig vor, die drei Gesellschafter taten sich zusammen, um ein Lektorat aufzubauen und zu unterhalten.
Dass man nach außen hin mit unterschiedlichen Steuernummern aufgetreten ist, mag an dieser Einschätzung nichts zu ändern.
Hier hätte man zwar sinnvollerweise eine eigene Steuernummer für die GbR beantragt, doch ist selbst bei Verwendung der Steuernummer der Gesellschafter ist eine GbR im Außenverhältnis entstanden. Es gibt diesbezüglich keinen Unterschied zwischen einer GbR mit eigener Steuernummer oder ohne. Die Steuernummer ist nur als weiteres Indiz für ein Handeln nach außen zu bewerten.
Wie Sie selber richtig ausgeführt haben, billigt der BGB in ständiger Rechtsprechung dem ausgeschiedenen Gesellschafter einer GbR grundsätzlich einen Abfindungsanspruch zu. Der Ausschluss einer solchen Abfindung ist generell nur unter sehr engen Bedingungen möglich und nur dann, wenn er schriftlich vereinbart wurde.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Ihre GbR wirtschaftlich tätig war, also hier keine rein karitativen Motive für Ihre Tätigkeit in der GbR vorlagen, hier immer eine wirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund stand und entsprechend auch eine Abfindung zu erwarten war.
Gegenüber den anderen Gesellschaftern haben Sie also einen Ausgleichsanspruch, den Sie geltend machen und auch durchsetzen können.
Mit freundlichen Grüßen
Alex Park
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vielen Dank für Ihre Einschätzung, sie war sehr hilfreich für mich! Nun ist Gegenseite der Meinung, dass kein Abfindungsanspruch bestehe, da die ‚Organisationsgemein-schaft‘/GbR keine wirtschaftliche Einheit im Sinne dessen sei, dass die Gesellschafter an einem gemeinschaftlich erwirtschafteten Gewinn beteiligt wurden, sondern an den Kosten einer ‚Organisationsstruktur’, weshalb sich auch von einer ‚Kostengemeinschaft’ sprechen ließe (vergleichbar mit einer Praxisgemeinschaft von Ärzten). Entsprechend seien auch keine gemeinsamen Schulden oder Überschüsse auseinanderzusetzen. Die zum 01.01.2017 neu gegründete GbR (der beiden verbleiben Gesellschafter) sei hingegen keine Fortführung dieser Organisationsgemeinschaft, sondern eine neue GbR als ‚Gemeinschaftsorganisation’ (‚Gemeinschaftspraxis’) mit Gemeinschaftsvermögen, gemeinschaftlicher Fakturierung, Anteilen an Gewinn und Verlust, gemeinschaftlicher Haftung etc.
Diese Ausführung ist meiner Meinung nach nicht rechtens, weil der Terminus ‚Organisationsgemeinschaft‘ meiner Meinung nach irreführend ist, da es sich zweifelsohne um eine GbR handelt. Des Weiteren wurde von einer Innengesellschaft ausgegangen, die hier nicht vorlag. Der gemeinsame Außenauftritt war zweifelsohne vorhanden (durch gemeinsamen Namen, Logo, Website, Facebookseite, Werbung). Deshalb ist auch der Vergleich mit einer Kostengemeinschaft irreführend, da die Kostengemeinschaft keinen gemeinsamen Außenauftritt umfasst.
Wie bewerten Sie die Kostengemeinschaft in diesem Zusammenhang und insbesondere die Annahme, dass die Gesellschafter nicht an einem gemeinschaftlich erzielten Gewinn, sondern nur an den Kosten beteiligt waren?
Ich wäre Ihnen für eine ganz kurze Einschätzung sehr dankbar!
Vielen Dank!