Zustandekommen Vertrag/Widerruf/Geschäfte außerhalb der Geschäftsräume
Fragestellung
Guten Abend,
meiner Mutter und mir ist folgendes passiert. Wir waren auf einer Messe (Mainfrankenmesse). Auf dieser Messe wurden wir von einem sehr netten und charmanten Mann, zwar etwas überrumpelt, aber er war freundlich und somit haben wir uns auf ein Gespräch eingelassen. Vollkommen unverbindlich, meinte er noch. 10 Minuten später gaben meine Mutter und ich einen Auftrag zur Bestellung eines Topfsets im Wert von jeweils 1700 €. Zuhause haben wir dann doch ziemlich schnell realisiert, dass wir das nicht machen können und haben den Auftrag direkt per Email zurückgezogen. 3 Tage später erst, erhielten wir mit der Post, eine Auftragsbestätigung. Ich erinnerte erneut per email, dass wir den Auftrag bereits zurückgezogen haben. Heute erhielten wir mit der Post ein schreiben, dass es Ihnen leidtue, aber sie den Widerruf nicht annehmen, da es sich um Geschäfte außerhalb der Geschäftsräume handelt. Wir sind nun sehr verblüfft, da ich dachte, dass zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Vertrag zustande gekommen war und auch, dass man nicht darauf hingewiesen werden muss, dass man kein Rücktrittsrecht bei dieser Art von Käufen hat. Könnten Sie uns bitte sagen, ob erstens ein Vertrag zu Stande kam; Zweitens, ob ein Messestand wirklich ein Geschäft außerhalb der Geschäftsräume darstellt; Drittens, wie wir Verfahren sollen um die Topfsets nicht annehmen zu müssen? Herzlichen Dank
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Antwort von Rechtsanwalt Martin Schröder
Sehr geehrte Fragesteller,
nach Ihren Angaben ist zu vermuten, dass zunächst einmal ein Vertrag zustande gekommen ist. Denn mit einer Bestellung wird in der Regel eine Vertragserklärung abgegeben, dass man sich verbindlich verpflichten möchte, den bestellten Gegenstand zu erwerben und zu bezahlen. Es kann aber von einzelnen zusätzlichen Umständen abhängen, ob ein Vertrag tatsächlich zustande kommt, insbesondere von dem genauen Wortlaut der Bestell-Erklärung. Ich vermute, dass Sie ein Bestellformular unterschrieben haben? Dann können Sie mir dieses Formular noch als Scan zur Verfügung stellen. Ich werde es dann ergänzend durchsehen.
Aus dem Umstand, dass Sie zunächst von einem "unverbindlichen" Gespräch ausgingen, folgt noch nicht, dass Sie im Rahmen des Gespräches keine verbindliche Bestelltung aufgegeben haben. Denn die Zielrichtung eines Gespräches kann sich ja ändern und auf einer Verbrauchermesse wie der Mainfrankenmesse ist grundsätzlich damit zu rechnen, dass die Aussteller auch verkaufen wollen. Eine Vertragerklärung kann gleichwohl anfechtbar sein, wenn Sie durch Täuschung oder Drohung erwirkt wurde, aber davon gehe ich nach Ihren Angaben nicht aus.
Bleibt die Frage der Widerruflichkeit. Wenn ein Widerrufsrecht besteht, haben Sie dieses bereits per Email ausgeübt. Ob eines besteht, ist derzeit eine völlig offene Frage:
Gemäß § 312 g Abs. 1 BGB besteht ein Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossnen Verträgen im Sinne von § 312 b Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dazu gehört ein Vertrag, der an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Ihr Widerrufsrecht hängt also davon ab, ob der Messestand ein Geschäftsraum des Verkäufers ist. Das könnte nach § 312 b Abs. 2 BGB durchaus der Fall sein, wenn ein solcher Messestand ein beweglicher Gewerberaum ist, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.
Ob letzteres bei Messeständen der Fall ist, ist eine umstrittene Rechtsfrage, deren zutreffende Beantwortung maßgeblich von Europarecht abhängt. Der Bundesgerichtshof hat daher diese Frage aktuell dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Sie können den Vorlagebeschluss des BGH unter
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=79173&pos=0&anz=1
abrufen und lesen. Bis zur Entscheidung über diese Rechtsfrage ist Ihre Frage nicht eindeutig zu beantworten.
Ich schlage Ihnen vor, mir das vollständige Bestellformular und das aktuelle Schreiben des Verkäufers zu Lesen zu geben. Ich kann Ihnen dann eine ergänzende Handlungsempfehlung geben. Sie können die Dokumente hier hochladen oder mir an meine Kanzleimailadresse schicken, die Sie im meinem Profil unter "rechtliche Angaben" finden.
Mit besten Grüßen
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Mit besten Grüßen
der Wortlaut der Erklärungen im Bestellformular lässt leider keinen anderen Schluss zu, als dass Sie sich bereits mit Unterzeichnung der Bestellung vertraglich verpflichtet haben. Für eine andere Sichtweise fehlen Anhaltspunkte.
Meine Empfehlung wäre, dass Sie auf das letzte Schreiben antworten, dass Sie auf dem bereits erklärten Widerruf nach §§ 312 b, g, 355 BGB bestehen. Schlagen Sie vor, dass mit Lieferung und Bezahlung abgewartet werden soll, bis der EuGH über die Vorlage des BGH entschieden hat. Widerrufen Sie vorsorglich auch die Einzugsermächtigung, die Sie im Bestell formular erteilt haben. Dann können Sie zunächst mal die Reaktion abwarten.
Wenn Sie in der Sache weiteren Bedarf nach Beratung oder Vertretung haben, könenn sie jederzeit auf mich zurückkommen.
Mit besten Grüßen