Zielvereinbarung zu Provisionsanteilen rechtens?
Fragestellung
Hallo,
Gemäß Arbeitsvertrag habe ich eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausezeiten.
Des Weiteren beinhaltet der Arbeitsvertrag folgende Passagen:
„Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus, ohne weitere Vergütungsansprüche, Überstunden zu leisten, soweit diese betrieblich erforderlich sind, angefordert werden und nicht gegen die gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen Verstoßen. Etwa anfallende Überstunden sind mit dem vereinbarten monatlichen Brutto-Monatsgehalt abgegolten.“
„Sofern nicht ausdrücklich schriftlich gegenteilig festgelegt, gelten Vereinbarungen des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber über umsatz-, ertrags-, oder erfolgsabhängige Vergütungen (Provisionen) sowie anderweitige variable Gehaltsbestandteile jeweils nur für den festgelegten Zeitraum; anschließend treten diese Vereinbarungen ersatzlos außer Kraft und entfalten auch keine Nachwirkungen.“
Unsere Firma hat weder einen Tarifvertrag noch einen Betriebsrat
Mein Jahresgehalt besteht aus 86,1% Fixgehalt und 13,9% Zielprovision. Gemäß Arbeitsvertrag wird die Provisionsbasis gesondert vereinbart.
Nun hat mir mein Arbeitgeber heute (27.04.2016) das Provisionsmodell schriftlich für 2016 zukommen lassen.
Nach diesem Provisionsmodell sind 30% meiner Zielprovision (ca.4,2% meines Jahresgehalts) für 2016 abhängig von meinen geleisteten Produktiv-Stunden.
<=45% Produktivitätsauslastung = 0% Zielerreichung,
90% Produktivitätsauslastung = 100% Zielerreichung,
135% Produktivitätsauslastung = 200% Zielerreichung.
Um 135% Produktivstunden zu leisen, müsste ich 54 Wochenstunden Produktiv ausgelastet arbeiten.
Nun meine Fragen:
1.) Ist solch eine Zielvereinbarung rechtmäßig?
2.) Verstößt mein Arbeitgeber mit dieser Zielvereinbarung gegen das Arbeitszeitgesetz, da er verrucht mich zu motivieren 54 Wochenstunden zu arbeiten?
3.) Welche Ansprüche auf meine Zielprovision habe ich, wenn ich diese Zielvereinbarung nicht unterzeichne?
4.) Wieviel Wochenarbeitsstunden im Jahresdurchschnitt kann mein Arbeitgeber basierend auf den oben genannten Passagen meines Arbeitsvertrags von mir verlangen?
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Björn Alexander Koll
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihrer Anfrage, die ich Ihnen auf der Basis Ihrer Angaben gern wie folgt beantworten möchte:
1. Die von Ihnen dargestellte Zielvereinbarung ist grundsätzlich rechtmäßig. Die Bestimmung der Zielart sowie die Gewichtung einzelner Ziele unterliegen der Vertragsfreiheit und sind bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit jederzeit möglich. Wann diese überschritten sein dürfte, hat das Bundesarbeitsgericht schlussendlich noch nicht entschieden. Es ist davon auszugehen, dass die variable Vergütung einen bestimmten Anteil (25 bis 30 Prozent) an der Gesamtvergütung nicht überschreiten darf, um nicht in den Bereich der Sittenwidrigkeit und damit Unwirksamkeit der Zielvereinbarung zu kommen. In diesen Bereich ist die vorliegende Zielvereinbarung nicht zu sehen.
2. Bei einer und damit auch bei Ihrer Zielvereinbarung handelt es sich jedoch um einen gegenseitigen Vertrag, zu dessen Abschluss auch Ihre Zustimmung erforderlich ist. Es steht Ihnen mithin frei, die Vereinbarung zu unterzeichnen oder aber die Eckpunkte der Vereinbarung mit Ihrem Arbeitgeber neu auszuhandeln. In der Regel gibt es in Unternehmen für diese Art von Auseinandersetzungen eine Schlichtungsstelle, selbstverständlich könnten Sie sich dahingehend auch (anwaltlich) vertreten lassen, für eine weitere konstruktive Zusammenarbeit mit Ihrem Arbeitgeber in der Zukunft wäre eine solche Vorgehensweise aber wohl kaum anzuraten.
3. Phasenweise sind 54 Wochenstunden durchaus mit dem Arbeitszeitgesetz vereinbar, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Gem. § 3 S. 2 des Arbeitszeitgesetzes wäre sogar eine 60 Stundenwoche phasenweise rechtmäßig. In Ihrem Fall wäre diese Grenze aber natürlich überschritten, wenn Sie dauerhaft verpflichtet wären 54 Wochenstunden für Ihren Arbeitgeber tätig zu sein. Das ist aber der vorliegenden Zielvereinbarung nicht zu entnehmen, denn es obliegt alleine Ihnen, in welchem Wochenstundenumfang Sie für Ihren Arbeitgeber neben der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit schlussendlich tätig sind.
4. Selbstverständlich können Sie - wie bereits dargestellt - Ihre Zustimmung zu der Zielvereinbarung auch verweigern. Hierdurch verlieren Sie jedoch Ihren Anspruch auf die Zahlung der gesamten Provision, sofern nicht bisher bereits eine Zielvereinbarung besteht, aus der ein etwaiger Anspruch Ihrerseits herzuleiten ist, wovon ich nach Ihren Schilderungen allerdings nicht ausgehe.
5. Im Ergebnis empfiehlt sich vorliegend eine individuelle Zielvereinbarung mit Ihrem Arbeitgeber anzustreben, die für Sie tragbar ist, u.a. und insbesondere auch im Hinblick auf den Faktor den zeitlichen Aufwand und den monetären Nutzen für Sie betreffend.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Bis dahin wünsche ich ein schönes Wochenende und verbleibe
mit besten Grüßen
RA Koll
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