Zahlungsausgleich/Tarifgruppe Einstufung
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Ordemann,
seit Dezember 2017 habe ich angefangen bei einer Firma der Pharmaindustrie als Produktionsmitarbeiter im Bereich Abfüllung von Lokalanästhetika zu arbeiten. Nach erfolgreicher Einarbeitung in dieser Abteilung habe ich im Dezember 2018 ein Angebot erhalten, als Vorarbeiter im Bereich Verpackung tätig zu werden. Mit der mündlichen Zusage dadurch in die Tarifgruppe E7 zzgl. 20% Vorarbeiterzuschlag zu rutschen, wie auch die anderen Vorarbeiter in dieser Abteilung.
Bislang war ich in der Tarifgruppe E4 zzgl. 10% Schichtzuschlag. Das Angebot habe ich im Dezember angenommen und ab März 2019 arbeite ich als Vorarbeiter im Bereich Verpackung. Es gab keinen schriftlichen Arbeitsvertrag für die neue Stelle. Man hat mir immer wieder versprochen, dass es so schnell wie möglich zu einem Vertrag kommt und dass man sich über die Tarifgruppe einigt. Mir wurde dann von der Personalabteilung ein Angebot für die Tarifgruppe E5 unterbreitet welches ich nicht angenommen habe. Die Gruppe die ich nun leite ist bisher nicht sehr erfolgreich gewesen. Seitdem ich diese leite ist es eine der stärksten Gruppen mit einer Produktionssteigerung um 2,9 %.
Meine Frage, ist es rechtmäßig ohne Änderung oder neuen Arbeitsvertrag die neue Arbeitsstelle zu besetzen und bezüglich der Entlohnung? Ist es möglich mich geringer einzustufen als andere Vorarbeiter in dem Bereich. Da ich auch seit zwei Monaten die neue Stelle ausübe und immer noch nach Tarifgruppe E4 gezahlt werde stellt sich auch die Frage, ob mir nach Lösung dieser Angelegenheit ein Zahlungsausgleich zusteht?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen und danke Ihnen im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
A. A.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Uta Ordemann
Sehr geehrter Mandant,
vielen Dank für Ihre Anfrage, zu der Folgendes anzumerken ist:
1.
Laut der arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 8. Oktober 2018 waren Sie seit dem 1. Dezember 2018 als "Mitarbeiter Produktion" beschäftigt.
Der Arbeitgeber hat sich in dieser Vereinbarung vorbehalten, dass er berechtigt ist, Ihnen auch andere gleichwertige Aufgaben vorübergehend oder ständig zu übertragen, sofern die neuen Aufgaben Ihren Kenntnisse, Fähigkeiten und Ihrer Erfahrung entsprechen.
Der Arbeitgeber kann Sie aufgrund dieses Vorbehalts damit grundsätzlich auch mit anderen Aufgaben unter den genannten Voraussetzungen betrauen. Diese müssen dann aber mindestens gleichwertig sein. Es darf sich nicht um geringer wertige Aufgaben handeln. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
2.
Die Vereinbarung sieht zudem vor, dass Änderungen der vorstehenden Anstellungsbedingungen zu Ihrer Gültigkeit der Schriftform bedürfen.
Damit bedarf auch die Änderung der Position bzw. Funktion der Schriftform, wenn Sie seit dem 1. März 2019 nicht mehr als Mitarbeiter Produktion tätig sind, sondern als Vorarbeiter im Bereich Verpackung. Diese arbeitsvertragliche Änderung ist bislang schriftlich nicht fixiert worden, was nach der Vereinbarung aber erforderlich ist, da sich Ihre Position und offensichtlich auch der Bereich geändert haben, in dem Sie tätig sind.
3.
Hinsichtlich der Eingruppierung ist anzumerken, dass diese vorliegend offensichtlich nur in Anlehnung an den Bundesentgelttarifvertrag der Chemischen Industrie erfolgt ist. Der Bundesentgelttarifvertrag würde auf das Arbeitsverhältnis nur dann unmittelbar Anwendung finden, wenn der Arbeitgeber Mitglied in dem tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverband und Sie zugleich auch Mitglied der vertragschließenden Gewerkschaft wären. Ob dies hier der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Aufgrund der Formulierungen in der Vereinbarung gehe ich aber davon aus, dass hier keine beiderseitige Tarifbindung vorliegt, sondern die Tarifverträge durch die ausdrückliche Inbezugnahme in der Vereinbarung "im Übrigen" auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Diese Formulierung spricht gegen eine unmittelbare Geltung der Tarifverträge. Vielmehr gelten diese erst "im Übrigen" durch die Inbezugnahme.
Die Formulierung "im Übrigen" bedeutet, dass die Bestimmungen der Tarifverträge nur insoweit zur Anwendung kommen, als in der individuellen Vereinbarung keine gesonderte Regelung getroffen wurde. Zu der Position und der Entgeltgruppe wurde hier aber eine individuelle Vereinbarung getroffen.
Diese Vereinbarung entspricht aber nicht mehr der seit März 2019 tatsächlich ausgeübten Funktion bzw Tätigkeit und muss daher vertraglich angepasst werden, da Änderungen zu dem Vertrag der Schriftform bedürfen. Da Sie nicht mehr als Mitarbeiter Produktion tätig sind, müsste dies auch schriftlich festgehalten werden.
4.
Eine andere Frage ist, in welche Entgeltguppe Sie einzuordnen sind. Wie ausgeführt, ist die ursprüngliche Vereinbarung, nach der die Tarifentgeltruppe E4 für Sie gilt, offensichtlich in Anlehnung an den Bundesentgelttarifvertrag Chemie erfolgt.
Seit März 2019 üben Sie nun eine höherwertige Tätigkeit aus, ohne dass der Arbeitgeber die mündlich zugesagte neue Eingruppierung in die Tarifentgeltgruppe E7 bislang vorgenommen hat. Die Änderungen zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das bedeutet, dass bislang noch keine wirksame Vereinbarung über eine Höhergruppierung getroffen worden ist. Die mündlich gemachten Zusagen sind insoweit nicht ausreichend.
Der gesamte Arbeitsvertrag wurde aber in Anlehnung an die tariflichen Bedingungen in der Chemischen Industrie ausgestaltet. Wenn Sie nunmehr eine höherwertige Tätigkeit ausüben, die einer höheren Tarifentgeltgruppe entspricht, sollten Sie gegenüber Ihrem Arbeitgeber geltend machen, dass Sie entsprechend den Tarifmerkmalen der auf Ihre Tätigkeit zutreffenden Entgeltgruppe vergütet werden. Wenn der Bundesentgelttarifvertrag mangels einer beiderseitigen Tarifbindung nicht unmittelbar auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet, bedarf es aber einer ausdrücklich individuellen Vereinbarung über die Höhergruppierung. Einen Rechtsanspruch auf eine Höhergruppierung bei Ausübung einer Tätigkeit nach einer bestimmten Entgeltgruppe würde nur dann bestehen, wenn eine beiderseitige Tarifbindung vorliegt. Da Sie hier aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 8. Oktober aber in Anlehnung an den Bundesentgelttarifvertrag vergütet werden, können Sie bei Ausübung höherwertiger Tätigkeiten durchaus verlangen, nach einer höheren Entgeltgruppe vergütet zu werden. Hierzu bedarf es dann aber einer individuellen schriftlichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber.
5.
Es stellt sich dann die Frage, in welche Entgeltgruppe die Tätigkeit als Vorarbeiter einzuordnen ist. Der Bundesentgelttarifvertrag Chemie enthält in § 5 nähere Angaben zu der Tätigkeit als Vorarbeiter. Danach sind Vorarbeiter Arbeitnehmer, denen unmittelbar unter der Meisterebene die Aufsicht über eine Arbeitsgruppe übertragen worden ist und die in ihrer Funktion vom Arbeitgeber schriftlich bestellt bzw bestätigt worden sind.
Da die Meister mit einem einfachen Aufgabengebiet und Meister, die in ihrem Aufsichtsbereich eine Teilverantwortung tragen, in der Entgeltgruppe E7 aufgeführt sind und der Vorarbeiter nach § 5 unmittelbar unterhalb der Meisterebene angesiedelt ist, sind Sie m.E mindestens in die Entgeltgruppe E6 einzuordnen. Da für die Zuordnung zu den Entgeltgruppen aber eine Reihe von Kriterien maßgeblich sind, müsste im Einzelnen unter Berücksichtigung dieser Kriterien geprüft werden, welche Entgeltgruppe hier einschlägig ist. Hierbei spielen dann unter anderem auch die individuellen Qualifikationen und die Berufserfahrung, die der betreffende Arbeitnehmer mitbringt, eine Rolle. Den Bundesentgelttraifvertrag Chemie können Sie unter dem link www.chemie.com einsehen.
Hinsichtlich der Eingruppierung der anderen Arbeitnehmer ist anzumerken, dass aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz grundsätzlich kein Anspruch auf "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" besteht. Wenn Sie hingegen dem Tarifvertag aufgrund einer beiderseitigen Tarifbindung unmittelbar unterliegen würden, hätten Sie einen Anspruch darauf, bei Vorliegen der entsprechenden Tätigkeitsmerkmale in die jeweilige Entgeltruppe eingruppiert zu werden. Hier wurde aber eine individuelle Vereinbarung - in Anlehnung an den Tarifvertrag der Chemischen Industrie - getroffen, so dass die Festlegung der neuen Entgeltgruppe letztlich Verhandlungssache der Parteien ist. Insoweit gilt die Vertragsfreiheit. Das gilt auch für die Vereinbarung der neuen Entgeltgruppe rückwirkend ab März 2019. Dies müsste dann ausdrücklich in der Vereinbarung festgehalten werden, dass die neue Entgeltgruppe, die in Anlehnung an den Bundesentgelttarifvertrag für Sie gelten soll, rückwirkend ab Aufnahme dieser neuen Tätigkeit zum Tragen kommt. Dre Arbeitgeber müsste dann für die zurückliegenden Monate die Gehaltsdifferenz nachzahlen, wenn Sie mit ihm vereinbaren, dass die neue Entgeltgruppe rückwirkend ab März 2019 gilt.
Falls Sie noch weitere Fragen hierzu haben, melden Sie sich gern.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Ordemann
Rechtsanwältin
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