Wie werden wir den Bruder meiner Frau los ?
Fragestellung
Zunächst eine (möglichst) kurze Darstellung der Situation:
Ich (58) lebe seit 2004 mit meiner jetzigen Ehefrau (50) zusammen (verheiratet seit 2013).
Ihre Familie bestand aus Vater (87), Mutter (verstorben 2013) und Bruder (47), damals in Sachsen lebend. Der Bruder verlor 2007 seine Arbeit in Sachsen, wurde von seiner Schwester (meiner Ehefrau) zu uns nach Bayern geholt und bekam hier eine neue gutbezahlte Arbeitsstelle.
Um die alten und zunehmend pflegebedürftigen Eltern nicht alleine in Sachsen zu lassen hat meine Frau 2008 einen Bauernhof mit 2 Häusern gekauft, in einem Haus leben wir, im anderen in der EG-Wohnung meine Schwiegereltern (jetzt nur noch der Schwiegervater) und in der OG-Wohnung ihr Bruder. Mietverträge gibt es nicht, ihr Bruder überweist pro Monat 300 Euro für Nebenkosten (Strom, Wasser, Heizung, Müll, Telefon, Internet).
Im Mai 2015 erkrankte ihr Bruder an Thymusdrüsen-Krebs der eine myasthene Krise nach sich zog.
Meine Frau, selbst im August 2015 an Krebs erkrankt, hat als ihr Bruder Ende 2015 eine myasthene Krise bekam und 56 Tage intensivmedizinisch und künstlich beatmet in der Klinik lag die Betreuungsvollmacht erhalten und sich täglich um ihn gekümmert.
Im Januar 2016 wurde er von der Klinik entlassen, nach 3 Wochen Reha nach Hause entlassen.
Seither sitzt er zu Hause und „tut nichts“, verlässt seine Wohnung nicht mehr, verweigert die Annahme von Briefen oder öffnet sie nicht, nimmt keine Medikamente, lässt sich nicht krankschreiben – nichts, er vernachlässig sich, seine Gesundheit, seine Arbeitsstelle, seine gesamten Angelegenheiten.
Laut Ferndiagnose auf Grund unserer Schilderung durch einen uns bekannten Neurologen handelt es sich wohl um eine schwere Persönlichkeitsstörung „passiver pathologischer Narzissmus“ – aber wohlgemerkt nur diagnostiziert auf Grund unserer Erzählung, in keiner Weise eine fundierte Diagnose für uns aber auf grund seiner Vita absolut schlüssig.
Im Juli kam es darüber zwischen ihm und mir zu einem Streitgespräch, seither hat er den Kontakt zu uns und seiner Umwelt komplett abgebrochen. Wohnungstür abgeschlossen, auf penetrantes Klopfen bzw. Anrufe hört man maximal ein „lasst mich in Ruhe – ich will hier in Ruhe sterben“.
Im August endete die Betreuung meiner Frau. Nach langem Bemühen ist es uns gelungen den Amtsarzt zur Begutachtung diese Woche herzubekommen. Doch da auch dieser nicht eingelassen wurde war für ihn die Sache erledigt. Nach seinem Bericht würde wohl das zuständige Gericht möglicherweise reagieren. Wer weiss wann ?
Diese Gesamtsituation ist für meine sich von ihrer Krebstherapie erholende Ehefrau der blanke Horror ! Täglich schaut sie ob irgendwo in der Wohnung ihres „kleinen“ Bruders noch Licht an und aus geht – ob er noch lebt. Die Machtlosigkeit und die Langsamkeit der bisherigen Maßnahmen machen sie verrückt. Schlaf findet sie nur noch mit Tabletten bzw. genügend Alkohol. Selbstverständlich belastet das auch unsere Partnerschaft extrem.
Somit sind wir Beide zum Ergebnis gekommen, dass es für uns extrem wichtig ist, dass ihr Bruder die Wohnung schnellstmöglich verlässt – am besten natürlich in eine psychatrische Betreuung. Oberste Priorität hat die Situation an sich zu beenden.
FRAGE : WIE WERDEN WIR IHN LOS ?
Mietrecht : kein Mietvertrag , gibt es da ein „Gewohnheitsrecht“ oder ist er nur „Gast“ , den wir jederzeit raussetzen können ? Wenn ja wie, wenn er uns den Zugang verweigert ?
Wie kann man „Kündigen“ ohne Vertrag ?
Ist es möglich / zulässig sich durch die Polizei Zugang zur Wohnung zu verschaffen ? Wie läuft so etwas ab ?
Können wir ihm (sollte er die Wohnung doch mal verlassen) den Zutritt verweigern ?
Im Sinne des Bruders : Können wir ihn durch die Polizei (unserer Meinung nach ist „Gefahr im Verzug für sein Leben“, da er seit 3 Monaten keine Lebensmittel mehr eingekauft hat und nur Wasser aus der Leitung trinken kann) dann zwangsweise in stationäre ärztliche Behandlung verbringen lassen wenn die Beamten den Eindruck haben, daß es ihm schlecht geht, wovon wir ausgehen ?
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Antwort von Rechtsanwältin Sylvia True-Bohle
Sehr geehrter Ratsuchender,
so etwas ist natürlich der Mega-Gau für eine Familie und belastet dann auch die Beziehung.
1.)
Zunächst einmal sollte Ihre Frau sich nochmals mit dem Amtsgericht in Verbindung setzen und von der Dringlichkeit informieren.
Hier ist für alle Beteiligtejn schnelle Hilfe gefordert, wobei der erste richtige Schritt - Begutachtung durch Amtsarzt - erfolgt ist. Wurde aber die Untersuchung verweigert, muss der Richter informiert werden, damit er eingreifen kann. Er muss dann - notfalls mit Polizeihilfe - die Begutchatung vornehmen und den Bruder zwangsweise dann einweisen lassen; auch wird ein Berufsbetreuer einzusetzen sein.
Das alles sollte man gegenüber dem Betreuungsrichter aber nochmals deutlich machen, damit das schnelle Handeln auch durchgeführt wird.
2.)
Neben diesem Schritt ist dann die räumliche Trennung zu veranlassen.
Entgegen Ihrer Auffassung besteht aber ein Mietvertrag, denn dieser kann auch mündlich geschlossen werden.
Und das ist hier geschehen (Entgeltzahlung für Wohnraumüberlassung), so dass ein Mietvertrag besteht, der schriftlich gekündigt werden muss.
3.)
Wenn einem einem geschäftsunfähigen Mieter gekündigt werden soll, so muß die Kündigung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter des Mieters erklärt werden. Gibt es (noch) keinen Vertreter, hat der Vermieter die Möglichkeit, beim zuständigen Vormundschaftsgericht (=Amtsgericht) die Bestellung eines Betreuers anzuregen.
Sie können also derzeit gegenüber dem Bruder nicht wirksam die Kündigung aussprechen, da dieser offenbar geschäftsunfähig ist, müssen also auch insowqeit mit dem Vormundschaftsgericht Kontakt aufnehmen.
Nach einer dann ausgesprochenen wirksamen Kündigung muss - sofern der Betreuer dann die Räumung nicht veranlasst - der Bruder zwangsgeräumt werden, wiederum unter Androhung gegenüber dem Betreuer.
Diese Räumung dürfen Sie nicht selbst vornehmen, sondern ein Gerichtsvollzieher muss dieses dann - ggfs. unter Zurhilfenahme der Polizei - durchführen.
4.)
Das alles kostet leider viel Zeit, ist aber rechtsstaatlich leider nicht anders zu bewältigen.
Wichtig ist die Kontaktaufnahme mit dem Amtsgericht, um schnell ein Einschreiten zu veranlassen.
Für Rückfragen stehe ich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin
Sylvia True-Bohle
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