Wer übernimmt Kosten bei Schaden
Beantwortet in unter 1 Stunde
Fragestellung
Meine Freundin T. arbeitet auf MinijobBasis in einer Tankstelle. Nach einem PC-Ausfall rief eine Hotline an und begehrte die Überpüfung der Geschenkkarten, durch Vergleich der Kartennummern mit dem jeweiligen FreischaltungsCode. Nach einiger Zeit kamen meiner Freundin Zweifel und mir ihrem Chef zusammen riefen sie die Aussteller der Geschenkgutscheine (wie zb. Amazon) an, doch alle Karten waren schon von den Betrügern belastet. Der Chef verlangt nun von meiner Freundin die Rückzahlung des entstandenen Schadens, in Höhe von ca. 650€. Ist seine Forderung berechtigt?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
09005 5555 13 * anrufen
Antwort des Experten
Sehr geehrter Ratsuchender,
ihre Frage betrifft die sog. Arbeitnehmer-Haftung. Das heißt unter welchen Voraussetzungen muss ein Arbeitnehmer haften.
Arbeitnehmer haften ihrem Arbeitgeber im Prinzip unter den gleichen Voraussetzungen auf Schadensersatz, unter denen umgekehrt auch der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig ist.
Konkret müssen Sie als Arbeitnehmer
- erstens gegen Ihre rechtlichen Pflichten verstoßen haben,
- zweitens durch den Pflichtverstoß einen Schaden verursacht haben, und
- drittens den Pflichtverstoß und den Schadenseintritt verschuldet haben, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Abweichend vom allgemeinen Schadensrecht verlangt das Bundesarbeitsgericht (BAG) zugunsten des Arbeitnehmers, dass sich sein Verschulden nicht nur auf den Pflichtverstoß, sondern auch auf die Schadensfolge bezieht.
Die ersten beiden Voraussetzungen sind in ihrem Fall gegeben. Ihre Freundin hätte nicht die Daten nicht herausgeben dürfen. Hierdurch ist dem Arbeitgeber auch ein Schaden entstanden.
Die alles entscheidende Frage ist, ob ihre Freundin diesen Schaden fahrlässig verursacht hat. Vorsatz scheidet in ihrem Fall klar aus.
Da man als Arbeitnehmer immer auf Anweisung seines Arbeitgebers und in dessen Betrieb tätig wird, und meist keinen Einfluß auf die betrieblichen Abläufe und Gefahren hat, und nicht in der Lage ist, mit seinem Arbeitsverdienst hohe Verluste bei betrieblichen Schadensfällen auszugleichen, begrenzt die Rechtsprechung die Pflicht des Arbeitnehmers zum Schadensersatz gegenüber dem allgemeinen Zivilrechtganz erheblich.
Konkret gelten für alle Schäden des Arbeitgebers, die ein Arbeitnehmer durch eine betrieblich veranlaßte Tätigkeit rechtswidrig verursacht, die folgenden Haftungsregeln:
Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer "in der Regel" voll, d.h. er haftet in den meisten Fällen auf Ersatz des gesamten Schadens, doch gibt es auch Ausnahmefälle, in denen die Ersatzpflicht gemindert ist.
Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt.
Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer gar nicht.
In ihrem Fall scheidet grobe Fahrlässigkeit aus.
Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn man ganz naheliegende Sorgfaltsregeln, die in der gegebenen Situation "jeder" befolgt hätte, außer acht läßt. Der Verstoß gegen die "im Verkehr erforderliche Sorgfalt" muß also sehr krass sein. Man muß förmlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn man von dem Schadensereignis erfährt. Aufgrund des PC-Ausfalls musste ihre Freundin von einer besonderen Situation ausgehen.
In ihrem Fall kommt allenfalls mittlere Fahrlässigkeit in Betracht. Das heißt, dass eine Schadensaufteilung stattfindet.
Die in solchen Fällen gebotene "Aufteilung" des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer heißt aber nicht, dass die Arbeitsgerichte schematisch "Halbe-Halbe" macht. Vielmehr sind sämtliche Umstände des Einzelfalles in die Betrachtung einzubeziehen. Viele dieser Umstände sprechen im Ergebnis für eine weitgehende Entlastung des Arbeitnehmers, d.h. für eine Schadensteilung, die den ganz überwiegenden Anteil des Schadens dem Arbeitgeber zuweist. Sogar die hundertprozentige Entlastung des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung eine mögliche Variante der "Schadensteilung".
Besondere Umstände des Einzelfalls, die zu einer Entlastung des Arbeitnehmers führen können, sind zum Beispiel
- die objektive Gefährlichkeit der Arbeit (ihre "Gefahrgeneigtheit"),
- die Höhe des Schadens,
- die Vergütung des Arbeitnehmers (die eine Risikoprämie enthalten kann),
- die Stellung des Arbeitnehmers in der Betriebshierarchie,
- die Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Schaden durch eine Versicherung vorzubeugen,
- der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses (wie hat der Arbeitnehmer bisher gearbeitet?).
Alle diese Umstände können im Einzelfall eine Herabsetzung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteils am Schaden zur Folge haben.
Vor diesem Hintergrund heißt das konkret:i
Ihre Freundin übt einen Minijobs aus, der Schaden ist ebenfalls nicht immens hoch. Weiterhin musste ihre Freundin infolge des PC-Ausfalls von einer außerordentlichen Situation ausgehen. Wenn ich weiter davon ausgehen darf, dass ihre Freundin bislang tadellos gearbeitet hat, komme ich zu dem Schluss, dass ihre Freundin gute Chancen hat diesen Schaden nicht tragen zu müssen. Schlechtenfalls muss Sie eine geringe Betrag des Schadens übernehmen. Was ausscheidet ist die Übernahme des vollen Schadens.
Ich hoffe Ihnen weitergeholfen zu haben. Über eine Bewertung würde ich mich freuen.
Rechtsanwalt Samir Omeirat
Sie haben eine Frage im Bereich Arbeitsrecht?
Raten Sie nicht weiter!
Unsere Rechtsanwält*innen geben Ihnen gerne eine kostenlose
Ersteinschätzung zu Ihrem Anliegen.
Jetzt kostenlose Ersteinschätzung einholen