Vom Arbeitnehmer zum Anteilseigner
Beantwortet von Diplom Wirtschaftsingenieur (FH) Oliver Böhm in unter 2 Stunden
Fragestellung
Ich bin seit etwa zwei Jahren bei einer kleinen Agentur für digitale Lerninhalte tätig. Das Team besteht aus meinem Arbeitgeber und mir, sowie zwei 450€-Kräften.
Die Aufgabenverteilung hat sich stark auf mich und meinen Arbeitgeber verteilt. Während er hauptsächlich im direkten Kundenkontakt steht, arbeite ich an der Erstellung von digitalen Lösungen. In diesem Bereich habe ich mit der Zeit auch ein spezifisches Fachwissen aufgebaut, welches mein Arbeitgeber nicht vorweisen kann. Uns ist daher beiden bewusst, dass es eine starke Abhängigkeit gibt und mein Arbeitgeber hat auch vermehrt die Sorge, dass er alleine nicht in der Lage wäre unsere Themenfelder abzudecken, oder dafür einen entsprechenden Ersatz finden könne.
Wir möchten daher eine Lösung finden, um die Verantwortungen auf uns beide gerecht zu verteilen.
Was wäre für mich die beste Option zur Hälfte am Unternehmen (aktuell UG) beteiligt zu werden?
Der aktuelle Unternehmenswert ist mir nicht bekannt. Wir haben dieses Jahr kaum Gewinne erzielt und letztes Jahr lagen die Gewinne bei etwa 50.000€. Das Unternehmen wurde 2014 gegründet, bis 2018 war es aber ein Ein-Mann-Unternehmen.
Es gab auch die Überlegung die UG in eine GmbH umzuwandeln und ich in diesem Zuge Unternehmensanteile aufkaufe. Hier sehe ich aber den Nachteil, dass es für mich ein hoher finanzieller Aufwand bedeutet, während sich der Nutzen daraus in Grenzen hält, da mein Arbeitgeber stärker auf mich angewiesen ist, als ich auf ihn.
Gibt es noch weitere Möglichkeiten, die in so einer Situation empfohlen werden können?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Diplom Wirtschaftsingenieur (FH) Oliver Böhm
Sehr geehrte/r Fragesteller/-in,
grundsätzlich findet die Beteiligung an Unternehmen stets im Verhältnis der Einlagen, also in Höhe des zu tragenden finanziellen Risikos, statt. Das Tragen von Verantwortung oder Wissen innerhalb der Firma spielt dabei keine Rolle und dies wird daher auch arbeitsvertraglich geregelt werden (z.B. über Bonuszahlungen, Lohnerhöhungen, sonstige zusätzliche geldwerte Vorteile).
Grundsätzlich gibt es fünf Möglichkeiten der Kapitalbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft (UG, GmbH):
- Stille Beteiligung: Die Mitarbeiter agieren als stille Gesellschafter, die einen Teil am Gewinn des Unternehmens erwerben. Bei diesem Modell haben die Mitarbeiter kein Mitspracherecht.
- Mitarbeiterguthaben: Es den Mitarbeitern eine Erfolgsbeteiligung auf dessen firmeninternes Konto eingezahlt. Das Geld bleibt eine gewisse Zeit auf dem Guthabenkonto und wird dann an den Mitarbeiter ausgezahlt. Auch hier haben die Mitarbeiter kein Mitspracherecht.
- Genussrechte: Hierbei sind die Mitarbeiter durch sogenannte Genussrechte am Gewinn Ihres Unternehmens beteiligt. Das heißt: Die Mitarbeiter werden keine Gesellschafter und haben somit auch kein Mitspracherecht am Unternehmen.
- Mitarbeiterbeteiligung an einer UG bzw. GmbH: Bei diesem Modell verkauft der Geschäftsführer bzw. die Gesellschafter Ihren Mitarbeitern Gesellschaftsanteile. Das Unternehmen erhält dadurch langfristiges Eigenkapital. Die Mitarbeiter hingegen erhalten Anspruch auf Gewinnausschüttung und eine Beteiligung am Wertzuwachs des Unternehmens. Jedoch sind die Mitarbeiter auch am Verlust beteiligt. Mitarbeiter haben bei diesem Modell ein Stimmrecht. Dieses Stimmrecht wird nach dem Unternehmensanteil, das der Mitarbeiter besitzt, bemessen.
- Optionsrechte: Anstelle ihres Gehalts erhalten die Mitarbeiter sogenannte Bezugsrechte an einem Teil des Unternehmens. Nach Ende einer bestimmten Zeit (=Optionszeit) haben die Mitarbeiter verschiedene Möglichkeiten, sich ihre Bezugsrechte in Form sogenannter Optionsrechte auszahlen zu lassen. Den Mitarbeitern obliegen die Optionsrechte (=Wahlrecht). Es gibt unterschiedliche Ausgestaltungen der Optionsrechte, zwischen denen sich die Mitarbeiter entscheiden können. Durch die dadurch erlangte Unternehmensbeteiligung, hat der Mitarbeiter zwar auf einen Teil seines Lohnes in Form von Geld verzichtet, jedoch fließen seine Bezugsrechte in das Wahlrecht ein. Dieses kann nach Ende der Optionszeit ausgeübt werden. Der Mitarbeiter steht vor folgenden Wahlmöglichkeiten:
- Barauszahlung der Bezugsrechte: Nach 5 Jahren lässt er sich seine Bezugsrechte bar auszahlen. Damit verzichtet er auf seine Anteile.
- Unternehmensanteile: Er wählt die Anteile am Unternehmen. Damit ist er Gesellschafter am Unternehmen und je nach vertraglicher Form still oder stimmberechtigt (=Mitspracherecht am Unternehmen).
- Weitere 5 Jahre-Wartezeit: Er wartet weitere 5 Jahre und entscheidet dann, ob er eine Barauszahlung wünscht oder Unternehmensanteile erhalten will.
Wenn also tatsächlich das finanzielle Ergebnis (also Erfolg sowie Risiko) der UG als Kapitalgesellschaft auf einen weiteren Gesellschafter (also Sie) mit übertragen werden soll, so kann dies durch finanzielle Einlagen Ihrerseits aber auch durch eine Beteiligung an der UG (oder ggf. GmbH) im Rahmen von Optionensrechten durch Lohnverzicht erfolgen (ähnlich wie oft übliche Aktienausgaben an Mitarbeiter bei einer AG).
Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers bleiben im übrigen steuerfrei, soweit der Vorteil insgesamt 360 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt.
Zusammengefasst scheint aber die Ausgabe von Bezugsrechten (Optionsrechten) im Rahmen des Lohnverzichts Ihrem Ziel am Nächsten zu kommen und somit für Ihre Zwecke sinnvoll zu sein.
Ich hoffe, dass ich Ihre Frage ausreichend beantwortet habe. Falls nicht melden Sie sich gerne nochmal.
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