Vollzeit Job +Gewerbe mit Kleinunternehmerregelung & freiberlicher Webdesigner
Beantwortet von Diplom Wirtschaftsingenieur (FH) Oliver Böhm in unter 2 Stunden
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich hatte ursprünglich vor, zu einer persönlichen Steuerberatung zu gehen. Da die meisten aber
eine Beratung erst im Zuge einer festen Mandatschaft anbieten, habe ich mich entschlossen, mir
hier einfach die wichtigsten Fragen beantworten zu lassen.
Situation:
Ich bin seit 3 Jahre fest angestellt und habe dieses Angestelltenverhältnis zum Ende dieses Jahres gekündigt, da mir das Gewerbe & Webdesign als Freiberufler und der Vollzeitjob einfach zu viel werden.
1. Gewerbe (Kleinunternehmerregelung)
Aus dem letzten Jahr gib es ein Gewerbe welches eine große Firma mit Kaffeeautomaten umfasst. Ich habe dort sehr beschauliche Einnahmen von ca. 400€ im Monat.
Es gibt regelmäßige Einkaufe (Kaffee, Getränke, Toppings, Filter etc.) und es die entsprechenden Einnahmen.
Auf dieses Gewerbe lasse ich außerdem ein paar Privatausgaben laufen wie z.B. mein Wasser, 1x alle zwei Monate eine (Wartungsfahrt) ca. 136€ Benzin nach Stuttgart zu meinem Geschäftspartner „Heiß-Kalt-Frisch“.
• Eine Steuernummer
• ein Geschäftskonto bei der Postbank
• ein Buchhaltungsprogramm (Sevdesk)
2. Freiberuflicher Webdesigner (www.M.-webdesign.de)
Seit 4 Monaten betreibe ich außerdem sehr aktiv Webdesign. Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache und meine Stammkundschaft und Auftragslage gehen steil nach oben. Ich habe hauptsächlich mit Unternehmen zu tun und das wird auch so bleiben, denke ich.
Ich bin hoch motiviert und habe mir schon ein großes Arsenal an Lizenzen und Tools zugelegt. Einnahmen schwanken derzeit noch sehr stark zwischen 600€ und 4000€, wobei die Obergrenze der Einnahmen nächsten Monat um ca. 2000€ nach oben ausgedehnt wird.
Ich dachte bis vor kurzem, dass ich alles auf mein Gewerbe laufen lassen kann, aber das Finanzamt hat mir jetzt eine neue Steuernummer zugeteilt. (freiberuflich)
Derzeit laufen Ausgaben und Einnahmen noch zusammen auf ein Konto, was ja nicht richtig sein kann.
Jetzt einige Fragen zu dieser Situation:
• Ist die Kleinunternehmerregelung sinnvoll überhaupt noch sinnvoll wenn ich hauptsächlich mit Firmen
zu tun habe? Also soll ich noch bis zu den vollen 22.500€ warten bis zur Regelbesteuerung?
• Brauch ich ein zweites Geschäftskonto und einen zweiten Buchhaltungsacount?
• Ich hatte überlegt, Gründungszuschuss zu beantragen beim Arbeitsamt. Ist das sinnvoll?
• Ist es generell sinnvoll mich erstmal Arbeitslos zu melden bis meine Einkünfte hoch genug sind um Versicherungen und Grundausgaben zu decken?
• Ist es bei so kleinen Einnahmen ratsam, das Gewerbe (Kaffee) weiter zu führen? Wenn nein, soll ich es komplett auflösen oder nur pausieren beim Finanzamt?
• Kann ich Ausgaben wie Wasser und Sprit etc. auch auf mein zukünftiges Geschäftskonto vom Webdesign laufen lassen? Oder geht das nur bei einem Gewerbe?
Ich hätte vielleicht noch gerne einen Rat, in welche Richtung ich das alles am besten führen soll.
Ich freue mich auf Ihre Antwort und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Liebe Grüße
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Diplom Wirtschaftsingenieur (FH) Oliver Böhm
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne möchte ich nachfolgend versuchen, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit hinreichend zu beantworten:
zu 1. Eine Kleinunternehmerregelung macht nur Sinn, wenn man den Aufwand der USt-Anmeldungen und den damit verbundenen bürokratischen Aufwand (wie monatliche USt-Voranmeldung) scheut. In der Regel trifft dies nur auf Nebengewerbe zu. Ansonsten ist eine normale Unternehmereigenschaft mit USt-Ausweis stets zu bevorzugen, um in den Genuss des Vorsteuerabzugs, also der Zahlung des Nettopreises ohne MwSt (insbesondere bei großen Investitionen), zu kommen. Die Grenze der Kleinunternehmer-Regelung liegt seit diesem Jahr im Jahr der Geschäftseröffnung übrigens bei einem Umsatz von bis zu € 22.000,-.
zu 2. Bei Einzelunternehmen ist es nicht unbedingt notwendig, mehrere Bankkonten zu haben, da die Einkünfte ja stets Ihnen allein zugerechnet werden. Es empfiehlt sich aber, für jedes Ihrer Zweige ein gesondertes Konto einzurichten, um einen besseren Überblick zu behalten und es beim Verbuchen der Einnahmen leichter zu haben. Sie müssen tatsächlich die Einnahmen aus der gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeit getrennt erfassen, da für die Einnahmen aus Gewerbebetrieb nach Überschreiten der Freigrenze in Höhe von € 24.500,- Gewerbesteuer anfällt.
zu 3. Ja, es ist sehr sinnvoll den Gründungszuschuss bei der Arbeitsagentur zu beantragen, da es sich dabei um einen nichtrückzahlbaren Zuschuss in Höhe des ALG zzgl. € 300,- für die Sozialversicherung über 6 Monate handelt (auf Antrag sogar nochmal je € 300,- für weitere neun Monate). Hierfür müssen Sie sich mindestens für einen Tag arbeitslos melden (Ihre aktuelle Nebenbeschäftigung können Sie weiterführen, sofern diese nicht 15 Std. die Woche überschreitet).
zu 4. Wie erwähnt, empfehle ich Ihnen aus vorgenannten Gründen sich zunächst arbeitslos zu melden. Sie können dann auch zunächst ein über einen Aktivierungsgutschein (AVGS) gefördertes Gründungscoaching beantragen, in welchen Sie in allen Rechts- und Steuerfragen fit gemacht werden und in welchem Sie einen Businessplan erstellen, welchen Sie zur Beantragung des Gründungszuschusses benötigen. Hierzu kann ich Sie ggf. später gesondert beraten. Sie können die Arbeitslosigkeit tatsächlich so lange hinziehen, um Beiträge zur Sozialversicherung zu sparen, da diese in der Zeit der Arbeitslosigkeit von der Arbeitsagentur gezahlt werden. Beachten Sie dabei aber, dass für die Beantragung des Gründungszuschusses mind. 150 Tage Restanspruch auf ALG 1 bestehen müssen.
zu 5. Für den Status "arbeitslos" sind die Einkünfte aus Ihrem Gewerbe nur am Rande interessant und führen ggf. nach Überschreitung des Freibetrags zur Verrechnung mit Ihrem ALG. Viel wichtiger ist es, dass Sie nicht mehr als 15 Stunden je Woche dafür aufwenden, da Sie ansonsten nicht ausreichend für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, was für den Bezug von ALG zwingend ist. Sie brauchen das Kleingewerbe also nicht unbedingt abmelden oder pausieren.
zu 6. Eine freiberufliche Tätigkeit unterscheidet sich zu einer gewerblichen Tätigkeit nur in der Pflicht zur Zahlung von Gewerbesteuer und bei der Art der Gewinnermittlung. Freiberuflicher müssen unabhängig von der Höhe des Gewinns keine Gewerbesteuer abführen und können den Gewinn unabhängig von der Höhe mit der Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln. Insofern können Sie Ihre betrieblichen Ausgaben in dem Zweig buchhalterisch gewinnmindernd ansetzen, in dem er (für das Finanzamt nachvollziehbar) entsteht. Das kann auch auf einem Bankkonto sein, muss dann eben beim Verbuchen der Positionen nur auseinandergerechnet werden. Beachten Sie aber bitte, dass private Ausgaben (wie Verpflegung) nicht als betriebliche Ausgabe erfasst werden dürfen, wenn Sie keine Bewirtung von Dritten (Gästen) durchführen. Anders wäre es, wenn Sie eine Kapitalgesellschaft (UG, GmbH) gründen. Dann wären es aber ab einer gewissen Menge geldwerte Vorteile, die ebenfalls steuerlich zu berücksichtigen wären.
Zusammenfassend:
Melden Sie sich bereits jetzt arbeitssuchend zum Jahresende bei der Arbeitsagentur online an. Sie werden dann schriftlich angehört werden, warum Sie arbeitslos werden. Da Sie selbst gekündigt haben, droht eine Sperre von drei Monaten, wenn Sie keine wichtigen Gründe vorweisen können. Ein wichtiger Grund könnte ein ärztlicher Rat sein, diesen müssten Sie aber dann um eine schriftliche Bestätigung bitten. Wenn das ALG bewilligt ist, teilen Sie Ihrem Sachbearbeiter mit, dass Sie nicht mehr angestellt arbeiten möchten (bzw. wegen der Gesundheit nicht können) und sich daher selbständig machen wollen. Sie fragen dazu nach dem AVGS und beantragen dann gleichzeitig den Gründungszuschuss. Sie bekommen dann die Antragsunterlagen ausgehändigt, welche Sie zusammen mit Ihrem Coach ausfüllen können. Nach dem Gründungscoaching können Sie die Gründung gut vorbereiten und sich rechtzeitig vor Ablauf der 150 Tage in Vollzeit selbständig machen. Dies melden Sie dann beim Gewerbeamt an, da dies dort vermerkt wird und Sie die Bestätigung bei der Arbeitsagentur vorlegen müssen. Mit diesem Datum endet dann Ihre Arbeitslosigkeit und der Gründungszuschuss wird stattdessen gezahlt.
Ich hoffe, alle Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben und freue mich, wenn meine Antworten Ihnen weiterhelfen.
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