Verweigerung des Zutritts zu angrenzenden Räumen für Schallmessung
Fragestellung
Nach Vermietung einer Gaststätte fordert das Landratsamt vor Erteilung der Betriebserlaubnis einen Bauantrag und ein Schallgutachten wegen einer Nutzungsänderung.
Vorige Erlaubnis: Schank- und Speisewirtschaft mit Barbetrieb. Besonderheiten: Regelmäßige Musikaufführungen, Theater, Kabarett.
Antrag der neuen Mieter: Schank- und Speisewirtschaft - Familienfeiern, Hochzeiten
Frage: Ist die Forderung angemessen oder rechtswidrig? Das Landratsamt geht von einer Erweiterung der Gaststättenerlaubnis aus.
Begründung: Die alte Erlaubnis wurde 1995 erteilt. Bestandteil der alten Erlaubnis ist ein Baubescheid aus dem Jahr 1987 mit der Auflage: "in der Gaststätte ist nur Hintergrundmusik gestattet"
Frage: Verstößt diese Auflage in Verbindung mit der alten Erlaubnis gegen §36 VwVfG und ist nach §44 VwVfG nichtig und muss auf Antrag gelöscht werden, da der Begriff Hintergrundmusik unbestimmt ist und keine Rechtsfolgen auslösen kann?
Das geforderte Schallgutachten erstreckt sich auf die Gaststättenräume und die angrenzenden Wohnräume. Der Eigentümer der angrenzenden Räume (inzwischen umgewandelt in Büros und vermietet) verweigert den Gutachtern den Zutritt. Begründung: 1996 - also vor über 20 Jahren, sei bereits ein Gutachten erstellt worden mit Mängelnachweisen.
Ohne neues Gutachten erhalten die Meter keine Betriebserlaubnis. Sie warten nun seit 6 Monaten auf die Erlaubnis und verweigern die Mietzahlung.
Seit 20 Jahren sind keine neuen Mängel angezeigt worden. Es hat früher Schallbrücken gegeben, die beseitigt wurden. Der Betrieb wurde vom Landratsamt auch nicht untersagt.Es wurden keine neuen Auflagen erlassen.
Frage: kann der Eigentümer der angrenzenden Räume gezwungen werden, die Gutachter rein zu lassen? Einstweilige Verfügung? Das Landratsamt kann keine Anordnung erlassen. Privatauftrag an das Gutachterbüro.
Macht sich der Eigentümer der angrenzenden Räume schadenersatzpflichtig gegenüber den Mietern oder dem Vermieter, - ebenfalls Eigentümer in derselben Eigentümergesellschaft?
Können die Mieter den Vermieter schadenersatzpflichtig machen, wenn der Eigentümer der angrenzenden Räume das G+utachten verhindert?
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Antwort von Rechtsanwalt Reinhard Otto
Guten Tag,
ich beantworte Ihre Anfrage wie folgt:
Frage: Ist die Forderung angemessen oder rechtswidrig? Das Landratsamt geht von einer Erweiterung der Gaststättenerlaubnis aus.
Die Änderung der Erlaubnis rechtfertigt die Forderung des Landratsamtes.
Gerade die vorgesehene Änderung von „Regelmäßige Musikaufführungen, Theater, Kabarett“ zu „Schank- und Speisewirtschaft - Familienfeiern, Hochzeiten“ kann weitergehende Anforderungen an bauliche und lärmtechnische Gegebenheiten mit sich bringen. Gerade bei Familienfeiern steht Musik deutlich im Vordergrund, so dass nicht mehr von (bislang erlaubter) Hintergrundmusik ausgegangen werden kann.
Frage: Verstößt diese Auflage in Verbindung mit der alten Erlaubnis gegen §36 VwVfG und ist nach §44 VwVfG nichtig und muss auf Antrag gelöscht werden, da der Begriff Hintergrundmusik unbestimmt ist und keine Rechtsfolgen auslösen kann?
Der Begriff der „Hintergrundmusik“ ist nicht zu unbestimmt, sondern dahingehend definiert, dass es sich dabei um nicht aufdringliche Musik handelt, die untergeordnet andere events (Speisen etc) begleitet.
Das VG München hat in einer Entscheidung diesen begriff verwendet und dabei lediglich festgehalten, dass der Begriff Hintergrundmusik keinen objektiv feststellbaren Lärmpegelwert darstellt, sondern von den örtlichen Umständen abhängig ist. (VG München, Urteil v. 16.03.2015 – M 8 K 14.120). Es ist also nicht so, dass dieser Begriff rechtlich unbestimmt ist.
Ich sehe daher keine Möglichkeit, die alte Auflage wegen Nichtigkeit zu beseitigen.
Frage: kann der Eigentümer der angrenzenden Räume gezwungen werden, die Gutachter rein zu lassen? Einstweilige Verfügung? Das Landratsamt kann keine Anordnung erlassen. Privatauftrag an das Gutachterbüro.
Hier liegt ja das eigentliche Problem.
Der Eigentümer der Nachbarwohnung muss den Gutachter reinlassen, wenn eine entsprechende Duldungspflicht besteht.
Gemäß § 903 BGB kann der Eigentümer andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht Gesetze oder Rechte Dritter entgegenstehen.
Das Nachbarrechtsgesetz Bayern sieht ein Hammer- und Leiterrecht in Art 46b vor, wonach der Nachbar in bestimmten Fällen verpflichtet ist, Arbeiten auf seinem Grundstück zu dulden, wenn und soweit
1) das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann,
2) die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und
3) das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht.
Rein sprachlich bezieht sich dieses Recht nur auf das Grundstück, nicht auf das Innere einer Wohnung.
Da es sich hier aber gerade um den akustischen Zustand IN der Wohnung handelt, und diese Immission nur IN der Wohnung gemessen werden kann, kann möglicherweise durch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift der Zutritt der Gutachter gefordert werden. Dann wäre diese Vorschrift eine solche, die ein Recht Dritter i.S.d. § 903 BGB darstellt.
Sie sollten den Nachbarn auf diese Rechtslage hinweisen und ihm eine gerichtliche Geltendmachung androhen.
Eine einstweilige Verfügung werden Sie nicht bekommen, da die Eilbedürftigkeit nach 6 Monaten Zuwarten nicht mehr begründbar ist. Sie werden von daher den normalen Klageweg einschreiten müssen.
Frage: Macht sich der Eigentümer der angrenzenden Räume schadenersatzpflichtig gegenüber den Mietern oder dem Vermieter, - ebenfalls Eigentümer in derselben Eigentümergesellschaft?
Eine Schadensersatzpflicht kann nur entstehen, wenn der Nachbar schuldhaft eine Duldungspflicht verletzt UND der Schaden auf dieser Verzögerung beruht.
Stellt also ein Gericht fest, dass der Nachbar zur Duldung des Zutrittes verpflichtet ist, hat er sich dem Grunde nach durch die bisherige Weigerung schadensersatzpflichtig gemacht.
Frage: Können die Mieter den Vermieter schadenersatzpflichtig machen, wenn der Eigentümer der angrenzenden Räume das G+utachten verhindert?
Der Vermieter ist nach dem Mietvertrag nicht verpflichtet, die Voraussetzungen für die beabsichtigte neue Nutzungsart zu schaffen; den Mietern war die bisherige Nutzung bekannt.
§ 3 Abs. 2 des Mietvertrages legt das Risiko der vorgesehenen neuen Nutzung den Mietern auf und schließt Schadensersatzansprüche wegen fehlender Nutzbarkeit gegen den Vermieter ausdrücklich aus.
Genau genommen haben die Mieter nicht einmal das Recht, die Mietzahlungen einzustellen.
Es wäre deren Sache, den Nachbarn auf Duldung zu verklagen, denn sie müssen die Voraussetzungen für die beantragte Nutzungsänderung beibringen.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Otto
Rechtsanwalt
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