Verwaltungsrecht/Komunalabgabenrecht: Beitragsbescheid
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Hesterberg,
wäre es Ihnen möglich, kurzfristig die Rechtmäßigkeit eines kommunalen Abgabenbescheides zu prüfen? Wir wohnen z. Z. zwar in NRW, das betreffende Grundstück befindet sich aber im Land Brandenburg.
Wir haben kürzlich vom MAWV -nach 3 Jahren - einen zweiten „Bescheid über den Schmutzwasserbeitrag“ mit einer Neuberechnung erhalten, dessen Rechtmäßigkeit wir gern durch Sie prüfen lassen würden. Der Sachverhalt ist in der Word-Datei im Anhang zu finden. Leider eilt die Angelegenheit sehr, die Widerspruchs- und Zahlungsfrist endet bereits am 13. 12. 2015.
Wäre es Ihnen kurzfristig möglich, sich der Sache anzunehmen, damit wir die Fristen wahren können und ggf. rechtzeitig Widerspruch einlegen können?
In der Anlage finden Sie auch die m.E. nach relevanten Unterlagen. Zum Verständnis: Wir hatten zwei Schmutzwasseranschlüsse legen lassen, da wir zukünftig eine weitere (ebenfalls einstöckige) Bebauung planen. Deshalb sind es auch jeweils 2 Bescheide...
Mit freundlichen Grüßen
B. P.
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Antwort von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
1.
Sofern nicht gegen den Bescheid von 2012 vorgegangen wurde, so ist dieser leider aller Voraussicht nicht mehr angreifbar, ansonsten nur noch von der Behörde aufhebbar - nur kurz am Rande erwähnt.
Das Problem daran, wenn sie kein Widerspruch als Rechtsmittel eingelegt haben, dass dann der Bescheid bestandskräftig wird, was dessen Inhalt anbelangt. Das ist so ähnlich wie die Rechtskraft eines Urteils zu verstehen und bedeutet, dass selbst bei einer Rechtswidrigkeit des Bescheides dieser ganz grundsätzlich nicht mehr angreifbar ist, da eine Bindungswirkung durch in Folge der Bestandskraft besteht und diese nicht mehr grundsätzlich durchbrochen werden kann.
Dazu müsse der Verwaltungsakt in Form des Beitragsbescheids schon nichtig sein, also so schwerwiegend rechtswidrig, dass es völlig unerträglich wäre, diesen aufrechtzuerhalten.
Anhaltspunkte sehe ich dafür jedoch nicht.
Sie können nur noch eines tun:
Können Sie stichhaltige Beweise, insbesondere rechnerischer/wissenschaftlicher Art vorlegen, dass die damals stattgefundene Berechnung und die Grundlagen falsch waren, dann könnte man noch etwas machen, aber nur wenn sich kommunale Verband darauf einlässt.
Ansonsten hart nämlich der damalige Bescheid auch Wirkung für den jetzigen, noch potentiell angreifbaren Bescheid.
2.
Zu Letzterem:
Da habe ich keine Bedenken, es sei denn Sie würden mir mitteilen, dass die Berechnungsgrundlagen nicht stimmen.
Die Gemeinden und Gemeindeverbände sind berechtigt, nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 2004 zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 Abgaben zu erheben.
Der von Ihnen angesprochene § 19 Zeitliche Obergrenze für den Vorteilsausgleich
"(1) Abgaben zum Vorteilsausgleich dürfen mit Ablauf des 15. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, nicht mehr festgesetzt werden. Die §§ 169 Absatz 1 Satz 3 und 171 der Abgabenordnung gelten in der in § 12 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b angeordneten Weise entsprechend. Aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit ist der Lauf der Frist bis zum 3. Oktober 2000 gehemmt."
ist hier nicht anwendbar.
Denn es handelt sich um eine Neuberechnung wegen einer Satzungsänderung.
Es ist immer die aktuelle Satzung anzuwenden.
Satzungen können sich wie Gesetze und Verordnungen ändern.
Hinsichtlich der neuen Satzung habe ich keine Bedenken.
So hat auch das VG Cottbus, Urteil vom 27. November 2014, Az. 6 K 230/14, sich darauf bezogen:
"Die SWBS 2014 III weist keine formellen Satzungsfehler auf. [...]
Gegen die Wirksamkeit der VS 2013 ihrerseits bestehen keine Bedenken. [...]
Die SWBS 2014 III enthält als erste gültige Schmutzwasserbeitragssatzung des beklagten Verbandes für das Kerngebiet des MAWV gemäß § 1 Abs. 1 lit. b) SWBS 2014 III auch keine materiellen Satzungsfehler. [...]"
Die Schmutzwasserbeitragssatzung des Märkischen Abwasser- und Wasserzweckverbandes (MAWV) wurde am am 04.09.2014 beschlossen und gilt bis heute als Bescheidsgrundlage.
Diese Satzung tritt rückwirkend zum 01.01.2013 in Kraft, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der damals beschlossenen Änderungen des KAG (s. o.).
Der MAWV erhebt nach Maßgabe dieser Satzung Beiträge zur Deckung seines Aufwandes für die zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage ausschließlich der Kosten für den Grundstücksanschluss (Schmutzwasserbeiträge).
Letztere dürfen auch neu berechnet werden, natürlich unter Anrechnung der bereits gezahlten Beiträge.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
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1. Zitat: „Die (NEUE) Schmutzwasserbeitragssatzung des Märkischen Abwasser- und Wasserzweckverbandes (MAWV) wurde am am 04.09.2014 beschlossen und gilt bis heute als Bescheids-Grundlage.
Diese Satzung tritt rückwirkend zum 01.01.2013 in Kraft, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der damals beschlossenen Änderungen des KAG (s. o.).“
Wenn die Satzung rückwirkend zum Januar 2013 in Kraft tritt - wieso gilt diese Satzung dann für UNSERE Anschlüsse von 2011/2012 ????
2. Müssen wir nun damit rechnen, dass wir bei jeder zukünftigen willkürlichen Änderung der Beitragssatzung immer wieder zur Kasse gebeten werden können – wie bei einem Fass ohne Boden?
3. Nach dem neuen Wortlaut der neuen Satzung von 2014 müsste sich der Beitrag für uns jedes Mal ändern, wenn auch der Bebauungsplan geändert wird. Sollten unsere Grundstücke eines Tages mehrstöckig bebaut werden dürfen, dann können uferlose Forderungen auf uns zukommen, auch wenn wir nur einen kleinen Bungalow darauf stehen haben.
Sehe ich das richtig?
4. Hat der MAWV nicht gegen seine Informationspflicht verstoßen? Kein einziger Anschluss-Inhaber in unserer Strasse ist im Jahr 2011 bzw. 2012 darüber informiert worden, dass es sich damals NICHT um eine einmalige Forderung gehandelt hat , dass mit Nachforderungen zu rechnen ist ! Deshalb KONNTEN wir damals gar keinen Widerspruch einlegen!
Wie sehen Sie das?
5. Lohnt es sichnach Ihrer Meinung nach also NICHT, gegen die aktuellen Forderungen Widerspruch einzulegen?
Danke und freundliche Grüsse
B.-M- P.
vielen Dank für Ihre Nachfragen, die ich gerne wie folgt beantworte:
1.
Dieses ist so zu verstehen, dass die jeweils gültige Satzung in der entsprechenden Fassung anwendbar ist, also eine jede Satzung für verschiedene Zeiträume Geltung hat und auch eine Rückwirkung in Betracht kommen kann.
Hier geht es ja um eine Neuberechnung für die damaligen Anschlüsse 2011/2012.
Diese ist aufgrund der jetzigen Satzung vorzunehmen und wirkt daher auch für diese Jahre zurück, auch wenn die Satzung erst ab 2013 gilt.
2.
Nein, damit es grundsätzlich nicht zu rechnen, zumal jede Satzung rechtmäßig sein muss und die Gerichte aufgrund der vergangenen Satzungen, die rechtswidrig waren, ein verstärktes Augenmerk darauf legen werden, insbesondere sie und andere vor diesem Hintergrund gewappnet sein werden. Es bietet sich allerdings an, bei jeder neuen Satzung, gegebenenfalls deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, zumindestens im Rahmen einer Erst- und weiteren Beratung/Gutachtens etc.
3.
Bebauungspläne (das sind auch Satzungen, gemeindlicher Art) sind grundsätzlich nicht so einfach abänderbar, so dass ich diese Gefahr nur als gering einschätze.
4.
Eine Verletzung eine Informationspflicht sehe ich nicht. Dieses gilt nur anlassabhängig und ist etwa wie hier bei einer Neuberechnung oder Satzungsänderung geboten ansonsten aber grundsätzlich nicht.
5.
Von einem Widerspruch muss ich zur Vermeidung weiterer Kosten eher abraten.
Ich bedaure, Ihnen keine bessere Antwort geben zu können.
Ich hoffe, Ihnen damit dennoch weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt