Unterhaltsanspruch unserer volljährigen Tochter in der Ausbildung
Fragestellung
Sehr geehrter Herr RA Wöhler,
Ich bitte Sie im folgenden Fall um Ihre anwaltliche Einschätzung. Vielen Dank vorab.
Mit freundlichen Grüßen
W. M.
Vorgeschichte und gegenwärtige Situation
Unsere Tochter lebt seit ihrem 14. Lebensjahr im Zuge der Jugendhilfe in einer betreuten Wohngruppe. Zwischenzeitlich hat sie die Mittlere Reife abgelegt und ist volljährig. Sie hat uns jetzt wissen lassen, dass sie die weiterführende Hilfe für junge Volljährige des Jugendamtes (betreutes Wohnen) nicht in Anspruch nehmen und stattdessen eine eigene Wohnung beziehen will. Wir hatten bisher das Kindergeld abgetreten, die PKV zu vollumfänglich bezahlt und gemäß SGB VIII eine pauschale Kostenbeitrag übernommen. Mit dem Vorhaben unserer Tochter endet nach unserer Auffassung die Zuständigkeit des Jugendamtes.
Damit schulden wir als Eltern unserer volljährigen Tochter den Unterhalt bis zu einem Berufsabschluss als Barunterhalt. Da sie in Kürze einen eigenen Haushalt führen will, beträgt nach unserer Kenntnis ihr Unterhaltsanspruch 735 € (Düsseldorfer Tabelle).
Beruflich will sie nach ihren eigenen Angaben ab 1. Dezember 2017 eine Arbeitsstelle als Altenpflegehilfskraft annehmen (30 Wochenstunden, monatlicher Bruttoverdienst rund 1.200 € eventuell zuzüglich Zulagen für Schichtdienst und Wochendarbeit). Ab 1. September 2018 will sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin antreten.
Es gibt für diesen Beruf keinen Tarifvertrag, deshalb bleibt zur überschlägigen Einkommensermittlung nur die Anlehnung an die Ausbildungsvergütung des Öffentlichen Dienstes. Diese sieht vor, für das
1. Lehrjahr 1.040 € brutto,
2. Lehrjahr 1.102 € brutto,
und das 3. Lehrjahr 1.203 € brutto
Die Arbeitsstelle, bis zum Antritt der Lehre, wird ohne Zulagen einen Nettoverdienst von 927 € ergeben. Für den Zeitraum vor der Berufsausbildung (Dez. 17 bis einschl. August 18) sehe ich keine Unterhaltspflicht, das es um keine Ausbildung sondern und einen Job handelt.
Die Ausbildungsvergütung des 1. Lehrjahres, beginnend mit September 2018, ergibt einen Nettoverdienst von 823 €. Dieser liegt ebenfalls über dem Unterhaltsanspruch von 735 € monatlich.
Der ausbildungsbedingte Mehrbedarf (Bücher, Lehrmittel etc.) ist hierbei noch nicht berücksichtigt. Einschlägige Informationsquellen gehen von 10% des Nettoeinkommens für diesen Aufwand aus. Damit liegt die reduzierte Ausbildungsvergütung immer noch über dem geschuldeten Unterhalt.
Fragen
- Kann sie weitere Unterhaltsansprüche geltend machen?
- Falls ja, kann eine pauschale Zahlung vereinbart werden?
- Was passiert mit dem Kindergeld? Wir gehen davon aus, dass es von Dez. 17 bis Aug. 18 nicht gewährt wird, da die Arbeitstelle bis zur Ausbildung nicht als Praktikum angesehen werden kann. Während der beruflichen Ausbildung wird der Kindergeldanspruch wieder aufleben. Wie wird das mit dem Unterhalt verrechnet?
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Antwort von Rechtsanwalt Oliver Wöhler
Sehr geehrte(r) Ratsuchdende(r),
ich danke für die Anfrage.
Sie haben die Rechtslage zutreffend geschildert. Ihre Tochter hat nur dann einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt wenn Sie einer Ausbildung nachgeht oder sich in einer Übergangsphase zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet.
Das ist aber aktuell nicht der Fall und dann greift der Grundsatz das das volljährige Kind sich selbst unterhalten muss. Wenn Ihre Tochter also ab Dezember arbeitet besteht schon dem Grunde nach kein Anspruch mehr und es kommt auf die Höhe des Einkommens nicht an.
Richtig ist das ab Beginn der Ausbildung Ihre Tochter wieder einen Anspruch dem Grunde nach hat. Der Bedarf wären in der Tat 735 € hinzu kommen allerdings die Kosten der PKV falls die Krankenversicherung nicht anderweitig, etwa über die GKV, abgedeckt ist.
Das Kindergeld steht zunächst Ihnen wieder zu und Sie müssten es weiterleiten. Das Kindergeld müsste für die Ausbildung wieder beantragt werden. Bei Volljährigen wird das Kindergeld voll auf den Bedarf angerechnet. Man rechnet also die 735 € - 192 € Kindergeld=543 € Restbedarf. Wie gesagt käme die PKV hinzu, wobei in der Ausbildung Ihre Tochter in der GKV versichert sein dürfte.
Auf den Restbedarf von 543 € wird das Einkommen voll angerechnet, wobei man das Einkommen um ausbildungsbedingte Aufwendungen reduzieren muss. Die Leitlinien des OLG Düsseldorf und einiger anderer OLG´s sehen 90 € pauschal vor, andere Gerichte rechnen nur mit konkreten Aufwendungen, also primär Fahrtkosten. Hier müsste man konkret prüfen welche Aufwendungen entstehen. Da das Einkommen aber bei 823 € netto liegen wird, sehe ich es auch so das rechnerisch nahezu sicher kein Unterhalt mehr verbleibt, weil Ihre Tochter den Bedarf selbst abdeckt.
Es kommt also wahrscheinlich auf die Höhe der Aufwendungen nicht an weil das Einkommen mit 1015 € den Bedarf deutlich übersteigt.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Wöhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht und Arbeitsrecht
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