Unterhalt volljähriges behindertes Kind Vs. Grundsicherung
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Ex-Frau und ich leben getrennt und sind rechtskräftig geschieden.
Unser großer Sohn ist schwerbehindert, hat einen GdB von 100 und die Merkzeichen aG, B und H.
Er wird nie im Stande sein, selbständig zu leben bzw. einer Erwerbsfähigkeit nachzugehen. Derzeit besucht er eine Schule für geistig und körperlich Behinderte.
Er hat zwei jüngere, „gesunde“ Geschwister.
Alle Kinder leben bei der Kindsmutter.
Ich habe regelmäßig Umgang (angestimmter Plan gemäß meinen Schichten).
Derzeit bezahle ich Unterhalt aufgrund von Jugendamtstiteln, welche ich nach Einkommensberechnung durch das Jugendamt mit Einverständnis der Mutter unterzeichnete. Diese sind doppelt dynamisch und haben keine Befristung. (Derzeit 115% Gem. Düsseldorfer Tabelle).
Mein jährliches Einkommen liegt deutlich unter 100.000€.
Nun meine Frage:
Mit Vollendung des 18. Lebensjahres müsste der Unterhalt neu berechnet werden. Zu dieser Zeit (Februar) besucht der Große noch die Schule. Sie endet mit den Ferien des Jahres.
Wie verhält es sich dann mit dem Unterhalt Vs. Grundsicherung.
Er müsste laut meiner Recherche Anspruch auf Grundsicherung haben.
Jedoch bin ich an die Titel bzw. Zahlung gebunden.
Wie verhalte ich mich korrekt, um mich nicht angreifbar zu machen und gleichzeitig den Vorrang der Grundsicherung vor Unterhalt geltend zu machen?
Wäre ich über die maximale Beteiligung von ca. 60€ hinaus noch zahlungspflichtig bei Grundsicherung?
Wie verhält es sich für den Zeitraum ab 18. Geburtstag bis zur Beendigung der Schule?
Mit freundlichen Grüßen
S.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
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Antwort von Rechtsanwältin Silvana Grass
Sehr geehrter Ratsuchender,
einen Anspruch auf Grundsicherung hat das behinderte Kind bereits ab Volljährigkeit und zwar auch dann, wenn es sich noch in einer Schulausbildung befindet. Voraussetzung ist jedoch, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine dauerhafte, volle Erwerbsminderung nachgewiesen werden kann (z.B. durch ärztliche Atteste).
Weitere Voraussetzung für die Gewährung von Grundsicherung ist auch, dass keiner der beiden Elternteile Einkommen über 100.000 EUR jährlich erzielt.
Laut einschlägiger Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG 24.03.2015, AZ:B 8 SO 9/14 R)
haben volljährige behinderte Kinder, auch wenn sie mit ihren Eltern zusammenleben, Anspruch auf den vollen Regelbedarf nach dem SGB XII. Dabei beträgt die Regelbedarfsstufe 1 100 % Grundsicherung.
Wird Grundsicherung geleistet, sind die Sozialversicherungsträger grundsätzlich gehalten, abzuklären, welche eigenen Mittel der Hilfeberechtigte ggf. einsetzen kann und ob mögliche Unterhaltsansprüche des Hilfeberechtigten bestehen, die er gegen unterhaltsverpflichtete Personen, also gegen die Eltern, geltend machen könnte.
Regelmäßig erhalten die Eltern zur Überprüfung einer Unterhaltspflicht ein Schreiben mit der Aufforderung, Auskunft über das Einkommen zu erteilen. Diese sogenannte Rechtswahrungsanzeige bedeutet, dass der Sozialhilfeträger erst ab Zugang des Schreibens Ansprüche geltend machen kann. Zwingend notwendig ist es nicht, dass die Einkommensverhältnisse abgeklärt werden, denn erhält das volljährige behinderte Kind Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, dann gilt § 94 SGB XII und die Eltern haben einen pauschalen Unterhaltsbeitrag von maximal 26 EUR monatlich zu zahlen. Dabei ist in der Regel von einer gleichrangigen Haftung beider Eltern zu gleichen Teilen ausgegangen.
Sie haben einen bestehenden Unterhaltstitel angesprochen. Ist ein solcher nicht zeitlich begrenzt, gilt er weiter, solange er nicht abgeändert ist. Dies bedeutet für Sie, dass Sie mit Antragstellung der Grundsicherung eine Abänderung anstreben müssen.
Mit Eingang der vorbezeichneten Rechtswahrungsanzeige (zuvor gegenüber der Kindesmutter) müssen Sie den Sozialleistungsträger auffordern, auf die Inanspruchnahme und ggf. Vollstreckung aus dem vorliegenden Unterhaltstitel zu verzichten. Wird dieser Verzicht nicht erklärt, müssen Sie beim zuständigen Amtsgericht – Familiengericht – einen Abänderungsantrag einreichen.
Sofern die Kindesmutter, die vermutlich auch gleichzeitig Betreuerin des Sohnes ist, sich weigert, den Antrag auf Grundsicherung zu stellen, können Sie die Unterhaltszahlungen einstellen bzw. sollten umgehend Abänderungsantrag stellen. Sofern die Mutter keine amtlich bestellte Betreuerin ist, sollte beim Amtsgericht die Einrichtung einer Betreuung angeregt werden. Denn ein solcher Abänderungsantrag ist ab Volljährigkeit gegenüber dem Kind geltend zu machen, welches sich aber aufgrund seiner Behinderung nicht allein vertreten kann. Da die Sorgeberechtigung mit Volljährigkeit endet, muss zwingend ein gerichtlich bestellter Betreuer eingesetzt werden.
Ich hoffe, Ihre Fragen konnten umfänglich und verständlich beantwortet werden. Bitte stellen Sie Nachfragen, sofern vorhanden.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
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Auch auf Nachfrage wurde rasch geantwortet.
vielen Dank für die umfangreiche und verständliche Antwort.
Nur noch einmal zum Verständnis - sofern mein Einkommen die Grenze von 100.000€ nicht übersteigt,
würde ich mich an den „Kosten“ der Grundsicherung maximal mit der genannten Pauschale beteiligen müssen?!
Der bisherige Unterhaltstitel würde im Streitfall gerichtlich abgeändert werden müssen.
Daher zeige ich der Kindsmutter vorsorglich rechtzeitig vor 18. Geburtstag an, dass ich dann aufgrund des Vorrangs der Grundsicherung die Unterhaltszahlungen einstellen werde.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
S.
Sie haben dies alles völlig korrekt verstanden.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass