rückwirkende Umsatzsteuer-Befreiung für Bildungsanbieter
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Hiller,
seit Beginn 2012 leite ich ein kleines Bildungsunternehmen, das seit einschließlich 2014 aufgrund des hohen Umsatzes umsatzsteuerpflichtig wurde. In unserem Tätigkeitsbereich ist das eigentlich ein Desaster, weil ich es preispolitisch nicht durchdrücken könnte, 19% draufzuschlagen, stattdessen habe ich nun also 19% weniger Gewinn pro Jahr, und damit ist das Weiterbestehen meiner Firma gegenwärtig nicht gesichert.
Nun habe ich erfahren, dass ich entsprechend § 4 Nr. 21 a) bb) UStG beim Regierungspräsidium in Baden-Württemberg zumindest für zwei Weiterbildungen die wir anbieten eine Befreiung von der Umsatzsteuer beantragen kann, und zwar auch rückwirkend.
Meine Frage ist, ob es überhaupt Sinn macht, dies rückwirkend zu tun, denn in 2015 (in 2014 teilweise) habe ich auf allen ausgestellten Rechnungen die 19 % Umsatzsteuer ausgewiesen, so dass meine Kunden, die selbst auch oft selbständig tätig sind, sie teilweise als von ihnen geleistete Vorsteuer angegeben haben.
Kann diese Umsatzsteuer, selbst wenn dem Antrag stattgegeben wird, überhaupt rückerstattet werden?
Oder wäre es insgesamt praktischer, den Antrag gleich nur für zukünftige Einnahmen zu stellen?
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung,
mit freundlichen Grüßen,
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Steuerberater Dipl. Finanzwirt Ulrich Hiller
Sehr geehrte/r Fragensteller/in,
vielen Dank für Ihre an mich gerichtete Frage auf yourXpert!
Falls für Sie eine rückwirkende Inanspruchnahme der Steuerbefreiung in Betracht kommt, ist dabei folgendes Problem zu beachten:
durch den Ausweis der Umsatzsteuer auf den in den Jahren 2014/2015 ausgestellten Rechnungen kommt es - bei Anwendung der Steuerbefreiung - dazu, dass der USt-Ausweis unberechtigt ist. Nach § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) schulden Sie damit den ausgewiesenen Betrag; d.h. die ausgewiesene USt muss auf jueden Fall an das Finanzamt abgeführt werden. Gleichzeitig hat jedoch der Leistungsempfänger im Hinblick auf diese Leistungen KEINEN Vorsteuerabzug. Dieses Problem lässt sich nur umgehen, indem Sie für den fraglichen Zeitraum alle betreffenden Rechnungen korrigieren. In diesen Fällen müssen Sie die berechnete USt Ihren Kunden natürlich erstatten, so dass Sie im Endeffekt daraus keinen Vorteil für sich generieren können.
Das Finanzamt wird Ihnen dann - wenn entsprechend geänderte USt-Voranmeldungen oder -Jahreserklärungen vorgelegt werden - die "zuviel" entrichtete Steuer erstatten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die bisherigen USt-Festsetzungen noch nicht bestandskräftig sind (das ist gewöhnlich bei der Umsatzsteuer auch nicht der Fall, da die Steueranmeldungen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen und somit regelmäßig erst nach ihrer Verjährung nicht mehr geändert werden können).
Hinzu kommt, dass die nach § 4 Nr. 21 UStG steuerfreien Umsätze auch zum (partiellen) Ausschluss des Vorsteuerabzugs in Ihrem Unternehmen führen, womit letztlich dort eine Schlechterstellung bewirkt würde.
Die Steuerbefreiung macht also nur dann Sinn, wenn Sie dem Kunden gegenüber einen höheren (Netto-) Preis für Ihre Leistung durchsetzen können. In Fällen der Vergangenheit wird dies wahrscheinlich auf Grund der mit den Kunden geschlossenen Verträge (Preisvereinbarungen) nicht möglich sein. Entsprechend höhere (Netto-) Preise der steuerfreien Leistungen werden damit nur für die Zukunft ("ab heute") möglich sein, wenn Sie Ihre Verträge bzw. Preisverzeichnisse entsprechend anpassen.
Obwohl mir die genauen Verhältnisse Ihres Unternehmens nicht bekannt sind, scheint mir damit eine rückwirkende Anwendung der Steuerbefreiung nicht ratsam und auch nicht von Vorteil zu sein. Wenn Sie Ihren Kunden gegenüber höhere Nettopreise oder - unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung - gleiche ENDpreise durchsetzen können, empfehle ich, die Steuerbefreiung erst mit Wirkung für die Zukunft anzuwenden.
Ich hoffe, Ihre Fragen damit verständlich und vollständig beantwortet zu haben. Falls noch Unklarheiten oder Nachfragen bestehen, nutzen Sie bitte die kostenfreie Rückfragefunktion auf dieser Seite. Ansonsten würde ich mich über eine gute Bewertung freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Hiller
Steuerberater
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Antwort des Experten: vielen Dank für Ihre tolle Bewertung, ich würde mich freuen, wieder einmal für Sie tätig sein zu dürfen!
UH
