Prüfung der Rückzahlungsklausel in einer Fördervereinbarung
Fragestellung
Hallo Herr Migge,
im Anhang finden Sie die Vereinbarung über die Förderung eines externen Trainings (finanzielle Förderung) welche mir mein Arbeitgeber aktuell anbietet.
Hierbei geht es um eine Schulung über 5 Tage mit Kosten in Höhe von ca. 9.900 Euro. Die Rückzahlungsklausel sieht 24 Monate vor. Pro Monat nach Schulungsende den ich weiterhin bei der Firma tätig bin reduziert sich der Betrag um 1/24.
Für mich wäre es gut zu wissen, ob diese Klausel im Falle einer Kündigung vor dem Ablauf der 24 Monate Bestand hat und ich verpflichtet bin, die Restsumme zurückzuzahlen. Mir erscheint der Zeitraum von 24 Monaten für eine 5tägige Schulung als sehr hoch.
Ist es in Ordnung, wenn der Arbeitgeber wie unter Punkt 3 angeführt eventuell bestehende Rückzahlungsbeträge mit Gehaltsansprüchen zu verrechnen?
Welche Wirkung hat der letzte Satz im vorletzten Absatz „Die Parteien verpflichten sich, anstelle einer unwirksamen Bestimmung eine dieser Bestimmung möglichst nahekommende wirksame Regelung zu treffen.
Vielen Dank für Ihre Hilfe!
Mit bestem Gruß
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Ray Migge
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für die Anfrage und Beauftragung.
Tatsächlich dürfte die Rückzahlungsvereinbarung in der jetzigen Form unwirksam sein, da die Bindungsdauer zu lang ist.
Ich benutze hier den Konjuktiv, da es keine absolut festen Grenzen für die maximal mögliche Bindungsdauer gibt. Es gibt aber Richtlinien, an denen sich die Bindungsdauer orientieren muss. Diese sehe wie folgt aus:
Fortbildungsdauer | Bindungsdauer |
<1 Monat | Bis 6 Monate (BAG, Urteil v. 15.9.2009, 3 AZR 173/08) |
2 Monate | Bis 12 Monate (BAG, Urteil v. 15.12.1993, 5 AZR 279/93) |
3 – 4 Monate | Bis 24 Monate (BAG, Urteil v. 21.7.2005, 6 AZR 452/04) |
6 Monate bis 1 Jahr | Bis 36 Monate (BAG, Urteil v. 5.6.2007, 9 AZR 604/06) |
>2 Jahre | Bis 5 Jahre (BAG, Urteil v. 21.7.2005, 6 AZR 452/04) |
Von dieser jeweiligen Bindungsdauer kann jedoch dann abgewichen werden, wenn etwa die vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten besonders hoch sind. Dies könnte man in Ihrem Fall bei einem lediglich 5 Tage dauernden Seminar mit Kosten von 9.900 EUR durchaus annehmen. Dennoch berechtigt dies meines Erachtens nicht dazu, die eigentlich geltende Bindungsdauer von lediglich 6 Monaten auf das 4fache anzuheben. Auch andere besondere Umstände sind nicht erkennbar, welche eine solch hohe Abweichung von der eigentlichen Bindungsdauer rechtfertigen würden.
Daher ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein Gericht die Bindungsdauer für unwirksam halten wird. Als Anhaltspunkt kann hier ein zuletzt im Jahr 2009 hinsichtlich einer solchen Rückzahlungsklausel ergangenes Urteil des Bundesarbeitsgerichts dienen, welches eine Bindungsdauer von 2 Jahren bei einem Lehrgang über 9 Tage mit Gesamtkosten in HÖhe von 3.122,50 EUR für unwirksam hielt (BAG (Urteil vom 15.9.2009, Az: 3 AZR 173/08).
Die Rückzahlungsvereinbarung dürfte daher in Gänze unwirksam sein. Einen weiteren Grund für die Unwirksamkeit der Vereinbarung kann ich allerdings nicht erkennen, sodass die unwirksame Bindungsdauer das einzige Argument sein dürfte.
So ist etwa die Verrechung mit dem Gehalt durchaus möglich. Allerdings muss der Arbeitgeber dabei auch die Voraussetzungen für eine Aufrechnung erfüllen (Aufrechungserklärung, Aufrechungslage, Einhaltung der Pfändungsschutzvorschriften, Einhaltung der Nettomethode bei der Berechnung).
Der letzte Satz (sog. salvatorische Klausel) ist in dieser Vereinbarung unwirksam, da die Klauseln der Vereinbarung allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen und innerhalb solcher AGB eine salvatorische Klausel gegenüber dem Arbeitnehmer unwirksam ist. Diese Klausel müssen Sie daher nicht beachten.
Bei Rückfragen stehe ich gerne über die Kommentarfunktion zur Verfügung.
Mit bestem Gruß
Ray Migge
-Rechtsanwalt-
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vielen Dank für die schnelle und verständliche Antwort.
Ich hätte noch zwei Fragen.
1. Wenn ich den Vertrag unterschreibe, kann ich im Falle einer frühzeitigen Kündigung trotzdem noch gegen die Vereinbarung vorgehen oder bestätige ich mit meiner Unterschrift, dass ich alles anerkenne?
2. Sie schreiben: „So ist etwa die Verrechung mit dem Gehalt durchaus möglich. Allerdings muss der Arbeitgeber dabei auch die Voraussetzungen für eine Aufrechnung erfüllen (Aufrechungserklärung, Aufrechungslage, Einhaltung der Pfändungsschutzvorschriften, Einhaltung der Nettomethode bei der Berechnung).“ Für den Fall, dass die Vereinbarung ungültig ist, ist auch keine Verrechnung möglich, habe ich das richtige verstanden?
Vielen Dank für Ihre Hilfe!
Mit bestem Gruß
Markus Tenelsen
1. Unwirksam bedeutet genau das: unwirksam. Es bedeutet schlichtweg, dass diese Klausel aus einer (hier durch Unterschrift geschlossenen) Vereinbarung nicht wirksam ist, der Rest der Vereinbarung jedoch durchaus. Die Klausel bzgl der Rückzahlung entfaltet nur einfach keine Wirkung. Die müssten im Falle eines Rückzahlungsverlangens der AG diesem verlangen einfach nur widersprechen und darauf hinweisen, dass Sie zur Rückzahlung nicht verpflichtet sind.
2. Wenn die Rückzahlung aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel nicht erfolgen muss, kann ja gar nichts verrechnet werden. Verrechnet werden könnte ja nur etwas, was zurück gezahlt werden muss. Hier muss aber nichts zurückgezahlt werden, da die Klausel unwirksam ist.
Mit bestem Gruß
Ray Migge
-Rechtsanwalt-