Prozesskosten außergewöhnliche Belastungen
Fragestellung
Hallo Herr Thomas,
wir haben in unserer Neubauwohnung (ca. 2 Monate bewohnt) im Jahr 2014 einen massiven Schimmelbefall aufgrund eines Baufehlers des Bauträgers festgestellt. Die Maisonettewohnung musste nach den damaligen Gutachten von uns sofort geräumt werden. Der Bauträger setzte die komplette Wohnung daher in den Rohbau zustand zurück. Im Rohbauzustand weigerte sich der Bauträger aufgrund der Weigerung seiner Subunternehmen die Wohnung wieder bewohnbar zu machen.
Das ganze zog sich übere mehrere Jahre bzw. der Prozess läuft immer noch.
Im Jahr 2014 hat das Finanzamt Anwaltskosten, Gutachterkosten usw. in Höhe von 9.392,28 € akzeptiert. In der Steuererklärung 2019 sind weitere 16.859 € angesetzt werden, welche von dem Finanzamt mit der Begründung: Nach Durchsicht einiger Gerichtsurteile stellen Prozesskosten im Zusammenhang mit Baumängel an eigenem Wohnobjekt keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG darf. Laut der vorhandenen Urteilen stellen Baumängel keine Bedrohung der Existensgrundlage dar.
Hierzu hätte ich folgende Fragen:
1. kann ich den Einwand bringen, dass für das gleiche Verfahren im Jahr 2014 bereits über 9.000,00 € an außergewöhnlichen Belastungen anerkannt wurden oder kann es passieren, dass die Erklärung von 2014 dann zu meinem Nachteil geändert wird?
2. ich habe mir auch mehrere Urteile durchgelesen. In den Urteilen steht, dass wenn die Gefahr besteht die Existenzgrundlage zu verlieren oder die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden können es sehr wohl außergewöhnliche Belastungen sind.
In unserem Fall musste wie von heute auf morgen aus unserer finanzierten Wohnung ausziehen, welche im Rohbauzustand nicht mehr weiter saniert wurde. Wir hatten damals nicht die finanziellen Mittel die Wohnung abzubezahlen und eine zweite Wohnung zu mieten und sind deshalb kostenlos in einem Zimmer bei Verwandten untergekommen.
Sehen Sie den Sachverhalt wie ich, dass es bei dieser Konstellation um außergewöhnliche Belastungen handelt? Kennen Sie vielleicht entsprechende Urteile?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Steuerberater Bernd Thomas
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage aufgrund Ihrer Angaben im Rahmen einer Erstberatung auf yourXpert. Die Beantwortung erfolgt gemäß der von Ihnen gemachten Sachverhaltsangaben. Fehlende oder fehlerhafte Angaben können das rechtliche Ergebnis beeinflussen.
Grundsätzlich sind Prozesskosten nicht als außergwöhnliche Belastung anzuerkennen, mit der Ausnahme, wenn es sich um Aufwendungen handelt, ohne die Sie Gefahr laufen, Ihre Existenzgrundlage zu verlieren und Ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).
Der BFH hat dazu geurteilt, dass Rechtsanwalts- und Gerichtskosten, die im Zusammenhang mit Baumängeln entstehen, grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind (BFH Urteil vom 10.03.2016 - VI R 80/14 NV).
Auch in den Kommentierung wird dies ausgeschlossen, bspw. Frotscher/Geurts: "Darüber hinaus dürften auch Prozesskosten abzugsfähig sein, die sich auf die Beseitigung einer Bedrohungslage des eigenen Wohnhauses des Stpfl. beziehen. Generell dürfte der Stpfl. finanziell über Gebühr belastet sein, sofern er seine eigene Immobilie nicht bewohnen kann und gleichzeitig eine zweite Wohnmöglichkeit finanzieren muss. Zu beachten ist allerdings, dass die Bedrohungslage von außen verursacht sein muss, d. h. nicht aufgrund von Baumängeln bestehen darf. Es ist hinreichend bekannt, dass Baumängel an Neubauten auftreten können, sodass der Stpfl. seine vertraglichen Verhältnisse grundsätzlich so gestalten muss, dass er von Baumängeln freigehalten wird. Dies gilt auch für gesundheitsschädliche Baumängel." (Endert, in Frotscher/Geurts, EStG, § 33 EStG 7.18.4 Rz. 107, Stand: 30.03.2018, Hervorhebung von mir).
Somit sehe ich nur geringe Erfolgsaussichten im Rechtsbehelfsverfahren.
Der Einwand, dass bei der Veranlagung 2014 anders entschieden wurde, ist wenig erfolgversprechend, da damals noch die Rechtslage und auch BFH-Rechtsprechung anders war. Zudem ist nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung in jedem Jahr eine abweichende Beurteilung möglich. Es gibt keinen "Bestandsschutz" auf eine einheitliche Rechtsanwendung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen.
Eine Änderung des Bescheids für 2014 steht jedoch nicht zu erwarten, da eine fehlerhafte Rechtsanwedung keinen Änderungsgrund für bereits bestandskräftige Bescheide darstellt. Somit wäre eine Änderung nur möglich, wenn der Bescheid für 2014 noch auf Grund von Besonderheiten änderbar wäre, insbesondere weil etwa ein Vorbehalt der Nachprüfung besteht.
Somit können Sie das Argument vorbringen, sollten sich jedoch daraus keine großen Erfolgsaussichten ableiten.
Gerne stehe ich Ihnen für eine Rückfrage zur Verfügung und im Übrigen würde ich mich, für den Fall, dass Sie mit meiner Beratung zufrieden waren, über eine positive Bewertung hier auf yourXpert sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Thomas
Steuerberater
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vielen Dank für die schnelle Rückmeldung.
Eine Frage hätte ich noch.
Was meinen Sie mit Bedrohungslage von außen verursacht.
Mit ursächlich war auch ein Wasserschaden durch eine undichte Stelle. Ist dies eine Bedrohungslage von außen?
Auch musste ich damals die Wohnung abbezahlen und konnte mir keine zweite Unterkunft leisten. Greift dann § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG?
Vorab vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
könnten Sie uns bitte noch die Rückfrage beantworten.
Vorab vielen Dank.
entschuldigen Sie bitte die verspätete Antwort.
Bei Ihnen könnte natürlich ein Grenzfall vorliegen, der bei einer Gsésamtwürdigung der Umstände, insbesondere da die Wohnung komplett unbewohnbar wurde, als existenzbedrohende Notlage zu werten wäre. Dies ist aber im Zweifel nur sehr schwer durchsetzbar und erfordert wahrscheinlich das Beschreiten des Klageweges. Damit wären ggf. weitere Kosten für Sie verbunden.
Insgesamt halte ich die Erfolgsaussichten für eher gering.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Thomas
Steuerberater