Probleme mit rauchende Nachbarn
Fragestellung
Hallo,
Wir haben Probleme mit rauchenden Nachbarn. Wenn unter uns auf dem Balkon geraucht wird, ist der giftige Qualm sofort in unserer Wohnung, in Schafzimmern auch. Wir haben Mensch zu Mensch Gespräch gesucht und versucht, den Vermieter eingeschaltet, die Polizei angerufen, die mit der Sache nichts zu tun haben will, schriftlich an die rauchende Partei appeliert, nichts hat geholfen. Zuletzt, als ich den Nachbarn auf das Problem erneut hinweisen wollte, da er immer wieder beteuert hatte, dass bei denen nicht mehr geraucht würde, ist er beinahe handgreiflich geworden. Danach gibt es keine Kommunikation mehr, geraucht wird weiter. Ich habe viel zu diesem Thema recherchiert, Rechtslage hierzulande und im Ausland (USA vor allem) geprüft und bin enttäuscht, dass bei uns die Gesetze von Gerichten immer zugunsten der Raucher ausgelegt werden. Gemeint sind Art 2. GG und § 224 STGB ("Gefährliche Körperverletzung durch Beibringung von Gift und anderen Gesundheitsschädlichen Stoffen"). Welche Optionen haben wir, um unsere Kinder und uns zu Schützen? Wäre zum Beispiel Jugendschutz (unsere Kinder) nicht vorrangiger als der Schutz des Rechts auf Rauchen?
Danke!
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Antwort von Rechtsanwältin Jenny Weber
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für die Nutzung von Yourxpert. Ihre Anfrage beantworte ich gern wie folgt:
Zunächst kann ich Ihre Verärgerung grundsätzlich sehr gut nachvollziehen. Mögliche Vorgehensweisen hängen auch davon ab, ob Sie Mieter oder Eigentümer der eigenen Wohnung sind.
Grundsätzlich handelt es sich beim Rauchen um so genanntes "sozialadäquates Verhalten" handelt, was in der Regel hinzunehmen ist – vergleichbar mit Kinderlärm (Lärm kann auch Krankheiten bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorrufen).
In der bloßen Geruchswahrnehmung von Tabakrauch des Nachbarn kann diurchaus eine Besitzbeeinträchtigung gesehen werden. Gelegentliche Beeinträchtigungen wären nach den Grundsätzen des nachbarlichen Verhältnisses jedoch hinzunehmen. Je nach Intensität und Häufigkeit des Rauchens, könnte jedoch eine übermäßige Tabakrauchbelästigung vorliegen, welche ein Unterlassungsanspruch rechtfertigen kann. Wann eine übermäßige Belästigung vorliegt, ist leider bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ich gehe aber von einem Tabakkonsum von weit mehr als einer Schachtel am Tag aus.
Es ist mitnichten grundsätzlich so, dass stets zugunsten von Rauchern entschieden wird. Beispielhaft seien hier Urteile genannt, die Ihnen sicher bei Ihrer Recherche auch untergekommen sind:
Urteil des LG Berlin (vom 07.10.2008, Az. 65 S 124/08): Das LG gesteht hier einem Mieter ein Minderungsrecht in Höhe von 10% zu. Damit ist zumindest klargestellt, dass es sich bei eindringendem Rauch, aus der Nachbarwohnung um einen erheblichen Mangel des Mietobjektes handelt, der zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mieträume führt. Ebenso urteilte das LG Hamburg (Urteil vom 15.06.2012, Az. 311 S 92/10), welches allerdings eine geringere Minderungsquote zugestand. Die Höhe der Minderungsquote ist jedoch auch immer vom Einzelfall abhängig, also in welchem Umfang die Beeinträchtigung besteht, wie viele Zimmer Ihrer Wohnung betroffen sind, in welchen Monaten besteht die Beeinträchtigung. Weiterhin ist von ganz entscheidender Bedeutung, dass der Rauch vorliegend über geöffnete Fenster und Türen in Ihre Wohnräume dringt und nicht z.B. durch in dem Mietobjekt liegende Lüftungsschächte. Würde ein baulicher Grund für das Eindringen des Rauches vorliegen, würden die Erfolgschancen für ein Vorgehen gegen den Nachbarn oder Vermieter deutlich höher liegen als bei einem Eindringen des Zigarettenrauches von außen.
Festzuhalten bleibt an dieser Stelle jedoch auch, dass es an höchstrichterlicher Rechtsprechung mangelt und die Rechtsprechung der Instanzgerichte einfach zu sehr divergiert, so dass an dieser Stelle eine Prognose für einen eventuell durch Sie angestrebten Rechtsstreit nicht mit hinreichender Sicherheit abgegeben werden kann.
Ich empfehle Ihnen jedoch eine Kontaktaufnahme zu dem Bundesverband Pro Rauchfrei (www.pro-rauchfrei.de), der auf seiner Seite darüber informiert, dass sie einen Mieter, der nunmehr die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichtes erzielte, unterstützen.
Zu Ihren konkreten Fragen:
Zivilrechtlich haben Sie folgende Möglichkeiten:
Sie können zunächst Ihre Miete mindern. Aufgrund eines gewissen Kündigungsrisikos bei Minderungen ist zu empfehlen, die Minderung nicht zu hoch anzusetzen und ein „Belästigungsprotokoll“ zu führen. Also exakt mit Zeit und Datum aufzuführen, wann auf dem Balkon unter Ihnen geraucht wird, das Aufführen von Zeugen ist dabei immer von Vorteil. Als Zeuge können alle Personen dienen, die nicht auch Mietvertragspartei sind.
Diese Möglichkeit haben Sie nicht, wenn Sie der Eigentümer der von Ihnen bewohnten Wohnung sind.
Weiterhin können Sie gegen den Mieter selbst vorgehen und von ihm -zunächst anwaltlich und dann ggf unter Einschaltung des örtlichen Amtsgerichts- eine Unterlassung fordern.
Dem Nachbarn das Rauchen auf dem Balkon gänzlich zu untersagen, halte ich allerdings nicht für realisierbar. Daher sollte eine Unterlassung zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten eingefordert werden. Da sämtliche persönlichen Gesprächsversuche durch Sie mit dem Nachbarn gemäß Ihrer Schilderung nicht fruchteten, erachte ich es für notwendig, im nächsten Schritt einen Rechtsanwalt einzuschalten. Dieser kann dann ggf. auch mit Ihnen die Situation, in der der Nachbar fast handgreiflich wurde, analysieren und diesbezüglich eventuelle Ansprüche in Ihrem Namen geltend machen. Über diesen Vorfall sollten Sie, sollten Sie Mieter sein, den Vermieter informieren und ihn zur Abhilfe auffordern. Das Verhalten des Nachbarn könnte eine erhebliche Störung des Hausfriedens darstellen, welcher zunächst zu einer mietrechtlichen Abmahnung oder sogar zu einer Kündigung durch den Vermieter führen könnte.
Strafrechtlich hindert Sie zunächst niemand, eine Strafanzeige gegen den Nachbarn zu erstatten. Dass die herbeigerufene Polizei vor Ort nichts unternommen hat, liegt daran, dass die Beamten die Beeinträchtigung durch den Zigarettenrauch als rein zivilrechtliche Angelegenheit abgetan haben. Eine Strafbarkeit ist jedoch nicht ganz fernliegend, so dass hier auch die Zuständigkeit der Ordnungsbehörden grundsätzlich nicht verneint werden kann. Jedoch muss beachtet werden, dass vorrangig alle anderen Ordnungsbehörden zuständig sind, die Polizei in der Regel für Eilfälle. Ein solcher Eilfall ist vorliegend eindeutig nicht gegeben gewesen. Bekannt ist ein Urteil des Amtsgerichts Erfurt, welches bereits das einmalige Anpusten mit Zigarettenrauch als Körperverletzung ansieht. In Ihrem Falle werden Sie zwar nicht direkt angepustet, jedoch dem Rauch über lange Zeit und wiederholend ausgesetzt. Eine vollendete Körperverletzung wird auch nicht vorliegen bzw. wird eine solche nicht beweisbar sein. In Frage würde aber eine Strafbarkeit wegen einer versuchten Körperverletzung kommen. Diesbezüglich gilt es hier den Staatsanwalt mit guten Argumenten von dem vorliegen einer versuchten Körperverletzung zu überzeugen, so dass dieser das Verfahren nicht einstellt, sondern entweder einen Strafbefehl beantragt oder Anklage erhebt.
Eine solche Überzeugungsarbeit wird dem „Normalbürger“ regelmäßig nicht ohne Unterstützung gelingen und ist auch ein wenig vom Zufall abhängig (bzw. von der Person des Staatsanwaltes, der die Strafanzeige auf seinen Schreibtisch bekommt). Ich rate Ihnen daher auch diesbezüglich, sich an den o.g. Verein zu wenden, oder einen Rechtsanwalt mit der Fertigung einer solchen Strafanzeige zu beauftragen. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, einen Präzedenzfall zu schaffen.
Ich hoffe, Ihre Fragen verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten oder Nachfragen können Sie gern die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Jenny Weber
Rechtsanwältin
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