Mietrecht. Mietsache wird weiterbenutzt trotz Kündigung durch Mieter.
Fragestellung
Der Mieter - ein Iraner - meiner Eigentumswohnung ist seit 5 Monaten im Iran und hat von dort die Wohnung zum 31.03.2020 gekündigt. Er wird wohl auf absehbare Zeit auch nicht mehr aus dem Iran zurückkehren. Er hat seinen Bruder, der den Wohnungsschlüssel hat, beauftragt die Wohnung zu räumen und an mich zu übergeben. Der lässt sich jedoch Zeit. Bis heute hat er die Wohnung nicht geräumt und auch keine Miete mehr bezahlt.
Ich habe dem Mieter nun ein Ultimatum gestellt die Wohnung bis 15.04. zu räumen bzw. bis zum 30.04. falls er die Miete noch für diesen Monat bezahlt. Sollte er diese Termine verstreichen lassen, würde ich eine Firma mit der Wohnungsentrümpelung auf seine Kosten beauftragen. Der Bruder meint, dass ich dazu kein Recht hätte und er sich auch noch 3 Monate Zeit lassen könne, bevor ich das Recht zur Räumung hätte. Telefonisch hat mir der Mieter zugesichert, dass sein Bruder die Wohnung diesen Monat räumen wird. Inzwischen habe ich ihm einen als Kompromiss als einvernehmliche Lösung angeboten, dass er von mir 800,- Euro erhält, wenn er die Wohnung bis 30.04.2020 geräumt ordnungsgemäß zurückgibt. Er hat bisher nicht darauf reagiert. Vorsorglich habe ich formell Widerspruch eingelegt zum weiteren Gebrauch der Mietsache (gemäß BGB § 545, S2 Nr.2) und deren weitere Nutzung untersagt.
Nun meine Fragen:
- habe ich das Recht die Wohnung jederzeit zu betreten?
- habe ich das Recht die Wohnung spätestens Ende April durch einen Entrümpler räumen zu
lassen? Welche Risiken ergeben sich daraus für mich?
- welches Vorgehen empfehlen Sie?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Sascha Lembcke
Sehr geehrter Ratsuchender,
Ihre Anfrage möchte ich gerne bearbeiten:
Bezugnehmend zu Ihren Fragen, ergibt sich im Ergebnis nur eine Antwort.
Der BGH Urteil vom 14. Juli 2010 Az.: VIII ZR 45/09 hatte in einem ähnlichen Sachverhalt entschieden, dass die Vermieterin für die Folgen einer eigenmächtigen Räumung haftet.
Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellen eine unerlaubte Selbsthilfe im Sinne des § 229 BGB dar (verbotene Eigenmacht).
Das gilt selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und ein vertragliches Besitzrecht des Mieters infolge der Kündigung entfallen ist.
Der Vermieter muss sich auch in diesen Fällen – gegebenenfalls nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage – einen Räumungstitel beschaffen und aus diesem vorgehen. Übt ein Vermieter stattdessen im Wege einer so genannten „kalten Räumung“ eine verbotene Selbsthilfe aus, ist er gemäß § 231 BGB verschuldensunabhängig zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet.
Von dieser Ersatzpflicht werden insbesondere eigenmächtig entsorgte Gegenstände umfasst. Denn den Vermieter, der eine Wohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in Besitz nimmt, trifft für die darin befindlichen Gegenstände eine Obhutspflicht. Da der Mieter von der Inbesitznahme seiner Wohnung nichts weis (oder selbst wenn er davon weiß) und deshalb (oder aus anderen Gründen) auch nicht in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen, gehört zu dieser Obhutspflicht des Vermieters weiter, dass er ein Bestandsverzeichnis aufstellt und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststellt. Kommt er dieser Pflicht nicht in ausreichendem Maße nach, muss er die Behauptung des Mieters widerlegen, dass bestimmte Gegenstände bei der Räumung abhanden gekommen oder beschädigt worden seien und beweisen, dass sie einen geringeren Wert hatten als vom Mieter behauptet.
- habe ich das Recht die Wohnung jederzeit zu betreten?
Um die Wohnung anderen Miet- oder Kaufinteressenten anzubieten, können Sie vom Mieter den Zutritt zur Wohnung nach angemessener Ankündigung verlangen.
- habe ich das Recht die Wohnung spätestens Ende April durch einen Entrümpler räumen zu lassen?
Grundsätzlich leider Nein. Hierzug bedarf es regelmäßig den Weg über das Gericht mit einem Räumungstitel.
- Welche Risiken ergeben sich daraus für mich?
Wie bereits zur Entscheidung des BGH ausgeführt, ergeben sich gewisse Risiken in Bezug auf die Haftung auf Schadensersatz, insbesondere wenn Möbel, Inventar, die berühmte Rolex etc. bei der Räumung verschwinden oder beschädigt werden. Hier haftet der Vermieter verschuldensunabhängig. Der Haftung kann er nur dann entgegen, wenn er 1. akribisch den Inhalt der Wohnung dokumentiert (Zeugen/Lichtbilder) und zudem 2. den Wert des Inhalts der Mietsache rechtssicher feststellen lässt, bevor dieser der Entsorgung zugeführt wird. Denn wertvolle Sachen sollten lieber zwischengelagert werden, wenn man schon den Weg der sog. verbotenen Selbsthilfe wählt.
Aber nach einer Entscheidung des AG Berlin-Schöneberg, Az. 6 C 276 / 18 vom 14.08.2019 soll dem Mieter neben Schadensersatz auch sogar Schmerzensgeld zustehen: Es verurteilte den Vermieter zur Zahlung von über EUR 20.000. Der Vermieter musste nicht nur Schadensersatz, sondern auch Schmerzensgeld zu Gunsten des geräumten Mieters leisten, wobei ich dies hier éher nicht annehme.
Weitere Vorgehensweise:
Sofern die Miete für März als auch April (Nutzungsentschädigung) nicht gezahlt wurde, sollten sie vorsorglich die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aussprechen und nochmals der Fortsetzung des Mietverhältnisses widersprechen.
Des Weiteren können Sie danach Räumungsklage erheben, wobei hier ein Kostenrisiko dahingehend besteht, wenn der Mieter im Iran "untergetaucht" ist, da Sie dann höchstwahrscheinlich auf den Kosten hängen bleiben. Andererseits wäre ein solcher Titel bei Ortsabwesenheit des Mierers relativ schnell durchzusetzen, da Sie weiterhin die Mietanschrift als Adresse benutzen können, da der Mieter selbst für etwaige Nachsendungen verantwortlich ist.
Andererseits könnten Sie auch das Risiko einer kalten Räumung wagen, wobei aber hier erhebliche Risiken bestehen. Wenn der Mieter aber den Besitz ernsthaft aufgegeben hat und Sie das vorgefundene Inventar ordnungsgemäß sicherstellen, kann das Risiko nachhaltig begrenzt werden.
Mutmaßlich haben Sie wohl einen neuen Untermieter, denn mir scheint, dass wohl der Bruder die Wohnung unzulässigerweise nutzt, denn eine Regelung wonach man 3 Monate warten müsste, gibt es insoweit nicht. Sofern zum 31.03. gekündigt ist, ist dies der Stichtag, nicht mehr und nicht weniger. Selbst wenn die Kündigungsfrist unterschritten worden sei und Sie dies als Vermieter akzeptieren.
Lassen Sie sich daher keinen Narren auf die Schulter binden und erklären Sie dem "Bruder" den konkreten Standpunkt, insbesondere dass Sie die Berechtigung zum Zutritt zur Wohnung durch den im Iran lebenden Bruder haben (besser Sie holen sich diese dort ein) und machen dort entsprechend Druck, sodass dieser dann die Wohnung freiwillig herausgibt.
Von Zahlungen Ihrerseits sollten Sie lieber Abstand nehmen, sofern diese nicht in einer tatsächlichen kurzfristigen Wohnungsübergabe münden und Sie sich wirklich Zeit und Aufwand sparen.
Sollten Sie weitere Fragen haben, bitte ich um entsprechende Rückmeldung. Gerne kann ich Sie auch im Rahmen der weiteren Vorgehensweise oder im Wge der Räumungsklage unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Sascha Lembcke
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vielen Dank für Ihre Antwort. Könnten Sie mir bitte noch skizzieren wie der Ablauf für eine Räumungsklage wäre, welche Kosten mir dabei entstehen würden und in welchem Zeitraum dann eine Räumung erfolgen könnte.
Mit freundlichem Gruß
Dr.-Ing. Rainer Erhardt
vielen Dank für Ihre Antwort. Könnten Sie mir bitte noch skizzieren wie der Ablauf für eine Räumungsklage wäre, welche Kosten mir dabei entstehen würden und in welchem Zeitraum dann eine Räumung erfolgen könnte.
Mit freundlichem Gruß
Dr.-Ing. Rainer Erhardt
MfG
RA Lembcke
der Ablauf stellt sich, wie folgt da.
Nach Ablauf der Kündigungsfrist können Sie Klage erheben.
Nach Klagerhebung hat die Gegenseite 2 Wochen Zeit Ihre Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen und binnen weiterer 2 Wochen auf die Klage zu erwidern.
Reagiert die Gegenseite nicht in der Zeit erlässt das Gericht i.d.R. ein Versäumnisurteil ansonsten wird es Termin zur mündlichen Verhandlung ein beraumen.
Die Kosten richten sich nach der Nettokaltmiete.
Gegenstandswert ist 12x Nettokaltmiete.
Es fallen zunächst 3 Gerichtsgebühren an. (Googlen Sie Gerichtsgebührenrechner und tragen dann die 12 fache Nettokaltmiete ein.
Sofern Sie einen Anwalt beauftragen richtet sich der Streitwert auch nach dem 12fachen. Ein Anwalt wäre bei Ihnen nicht zwingend nötig. Zuständig ist das Amtsgericht in dessen Bezirk die Mietsache lkiegt.
Hier fallen dann je nach Verfahrensablauf eine 1,3 Verfahrens- und 1,2 Terminsgebühr an, welche sich bei Versäumnisurteil auf 0,5 reduziert.. (Googlen Sie Anwaltsgebührenrechner DAV)
MfG
RA Lembcke
könnten Sie mir bitte ein Angebot machen, wenn Sie die Räumungsklage einreichen würden und die erforderlichen Eingaben beim Amtsgericht machen würden. D.h. den Fall bis zur Räumung betreuen würden. Die Nettokaltmiete beträgt 8160,- Euro/Jahr.
MfG R. Erhardt
MfG
RA Lembcke