Kündigung wegen Familienzuwachs
Fragestellung
Hallo, kurze Schilderung des Falles:
Wir haben einen 3 Jahresmindestmietvertrag.
2 Jahre sind nun um. Meine Frau ist seit Dezember 18 schwanger und wir müssen. Nach der Geburt im August sind wir zu viert auf 60 m², 3 Zimmer. Haben auch eine Wohnung gefunden und ziehen zum 15.04 um. Unser jetziger Vermieter/Eigentümer hat uns gesagt wir könnten vorher aus dem Mietvertrag austreten, wenn wir ihm einen zuverlässigen Nachmieter suchen, auch ohne Kündigungsfrist aber mit einer Kaltmiete als "Strafe", was ok wäre. Nun gestaltet sich die Situation aber schwieriger als gedacht, da der Vermieter bei jedem Nachmieter etwas auszusetzen hat obwohl alle Unterlagen da sind die er benötigt. Er spricht immer von einem komischen Bauchgefühl und lehnt ab. Aufgrund dieser Situation sind wir im Internet auf die Möglichkeit einer außerordentlichen/fristlosen Kündigung im Falle von Familienzuwachs gestoßen.
Wir bitten um rechtliche Beratung hierzu.
MfG Jakob Bomm
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Antwort von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
Zunächst einmal ist die dreijährige Mindestmietzeit und Kündigungsausschluss für beide Seiten (abgesehen von der außerordentlichen Kündigung, siehe unten) soweit möglich und wirksam. Daraus kann man zwar nichts ableiten, aber in der Tat aus folgendem:
§ 543 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, sieht in Absatz 1 vor:
“(1) 1Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. 2Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“
Eine Schwangerschaft kann die weitere Nutzung bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit unzumutbar machen; der besondere Schutz des Art. 6 IV Grundgesetz und dessen wertsetzende Bedeutung wirken sich insoweit auch auf die Frage der Zurechenbarkeit des Kündigungsgrundes positiv aus.
Das hat der Bundesgerichtshof jedenfalls für sogenannte gemischttypische Verträge, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen, einem mietvertraglichen, dienstvertraglichen und werkvertraglichen Bestandteil, wie etwa Fitnessverträge entschieden. Bei diesen Entscheidungen hat es auch die hier anzuwendende Vorschrift des § 543 Abs. 1 BGB im Mietrecht erwähnt, sodass sich diese Rechtsprechung durchaus auf dem vorliegenden Fall übertragen läßt. Bei manchen Entscheidungen ist allerdings auch von Risikoschwangerschaft die Rede, bei anderen reicht die Schwangerschaft aus, vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2016 - XII ZR 62/15.
Andere Urteile habe ich nicht finden können, sodass jedenfalls eine gewisse Unsicherheit besteht, ob Sie mit der Kündigung durchdringen, insbesondere ja die Sache auch hinsichtlich der nachzuzahlenden Mieten vor Gericht gehen könnte. Vor diesem Hintergrund ist abzuwägen, ob man nicht doch das Angebot des Vermieters annimmt. Dieser kann jedenfalls aus dem von Ihnen genannten (“Bauchgefühl“) nicht einfach die Nachmieter der Reihe nach ablehnen, denn dafür hat er keinen sachlichen Grund, den er aber haben müsste.
Ich würde mich jedenfalls mit beiden dagegen zur Wehr setzen, mit der Kündigungsmöglichkeit und dem Hinweis, dass der Vermieter nicht ablehnen darf, wenn er keine vernünftige, also sachliche Gründe für die Ablehnung vorweisen kann, was einen etwaigen Nachmieters betrifft.
Ich halte jedenfalls das Urteil des Bundesgerichtshof für anwendbar, da es sich ausdrücklich auf die mietvertragliche Vorschriften des § 543 Abs. 1 BGB bezieht.
Es ist also ein allgemeiner Gedanke des Mietrechts, dass man zwar gewisse Risiken , die in der Sphäre des Mieters als Kündigungserklärer liegen, hinzunehmen hat, aber eben nicht alle und der grundsätzliche Schutz von Ehe und Familie zu berücksichtigen ist. Dieser muss auch einen gewissen Vorrang vor den Interessen des Vermieters haben.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
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