Kündigung in der Probezeit - Freistellung - Abgeltung Urlaub
Fragestellung
Informationen zur Kündigung: Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich bitte um Beratung zu folgendem Sachverhalt:
Mit Anstellungsvertrag vom 23.08.2019 erfolgte eine Anstellung zum 01.10.2019, Probezeit 6 Monate. Mit Vertragsänderung vom 07.10.2019 erfolgte eine Änderung der Bezüge.
Am 30.03.2020 wurde die schriftliche Kündigung persönlich übergeben. Gekündigt wurde zum 27.04.2020 mit Freistellung ab dem 31.03.2020. In der Kündigung heißt es: „Der Betriebsrat wurde zur Kündigung gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört und hat der Kündigung nicht widersprochen. "Die Kündigung wurde unterschrieben durch einen "Senior Consultant HR" (mir nicht bekannt) und die Leitung Ausbildung (obwohl kein Ausbildungsverhältnis bestand). Mit der Kündigung wurden Handlungsvollmachten für diese beiden Personen überreicht. Eine Handlungsvollmacht ist unterschrieben durch 2 von 3 Geschäftsführern und eine ist unterschrieben von einem von 3 Geschäftsführern und "Chief HR Officer" (mir ebenfalls unbekannt).
In der Freistellungserklärung heißt es: „Die Freistellung erfolgt zunächst unwiderruflich. Auf die zunächst unwiderrufliche Freistellung werden die vorhandenen Urlaubsansprüche angerechnet. Durch die zunächst unwiderrufliche Freistellung sind somit sämtliche Urlaubsansprüche abgegolten. Nach Erfüllung der Urlaubsansprüche ist die Freistellung widerruflich unter Anrechnung von Ansprüchen auf etwaiges Freizeitguthaben."
Mir ist klar, dass das Kündigungsschutzgesetz in den ersten 6 Monaten keine Anwendung findet. Ist die Kündigung trotzdem wirksam? Reicht der pauschale Verweis auf die Anhörung des BR? Hat die Vertragsänderung am 07.10.2019 Auswirkungen auf die Probezeit? Ist es rechtmäßig, dass die Urlaubsansprüche auf die Freistellung angerechnet werden?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin und Notarin Andrea Fey
Sehr geehrte/r Rechtsratsuchende/r,
nachfolgend nehme ich gerne zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses in der Probezeit Stellung:
Ist die Kündigung trotzdem wirksam? Reicht der pauschale Verweis auf die Anhörung des BR?
Sofern der Betriebsrat tatsächlich angehört wurde und der Kündigung nicht ausdrücklich widersprochen hat, wäre dies ausreichend, damit die Kündigung als wirksam zu beurteil ist.
Denn § 102 BetrVG bestimmt hierzu Folgendes:
"§ 102 Mitbestimmung bei Kündigungen
(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn
- 1.
-
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
- 2.
-
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
- 3.
-
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
- 4.
-
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
- 5.
-
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.
(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.
(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn
- 1.
-
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
- 2.
-
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
- 3.
-
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.
(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.
(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt."
Da Ihnen aber nicht bekannt ist, ob der Betriebsrat tatsächlich vor Ausspruch der Kündigung angehört wurde, empfehle ich Ihnen, den Betriebsrat entspr. anzufragen, ebenso dahingehend ob er der Kündigung widersprochen hat. Denn nur so können Sie abschätzen, ob die Einreichung einer Klage auf Weiterbeschäftigung evtl. erfolgsaussichtsreich ist. Da allerdings das Kündigungsschutzgesetz in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses noch nicht greift, sind die Erfolgsaussichten grds. auf offensichtliche willkürliche oder rechtsmissbräuchliche Fälle beschränkt.
Hat die Vertragsänderung am 07.10.2019 Auswirkungen auf die Probezeit?
Sofern die Vertragsänderung lediglich die Änderung der Bezüge betraf und im übrigen auf den bisherigen Arbeitsvertrag Bezug genommen wurde, hat dies keine Auswirkungen auf die Probezeit.
Ob die Kündigung allerdings durch die vertretungsberechtigten Personen abgedeckt ist, kann von hier - ohne Kenntnis der betriebsinternen Strukturen - nicht beurteilt werden. Zu prüfen wäre nämlich, ob die Personen, die die Handlungsvollmachten ausgestellt haben, ihrerseits wiederum handlungsbevollmächtigt sind bzw. selbst vertretungsberechtigt sind.
Diese Frage könnte m.E. am ehesten ebenfalls mit dem Betriebsrat erörtert werden.
Ist es rechtmäßig, dass die Urlaubsansprüche auf die Freistellung angerechnet werden?
Sofern eine wirksame unwiderrufliche Freistellung vorläge, würden die Urlaubsansprüche hierauf angerechnet. Dies ist aber hier nicht der Fall, zumal der Arbeitgeber zur einseitigen unwiderruflichen Freistellung nicht berechtigt ist, Sie dem also widersprechen können.
Das Wesen der unwiderruflichen Freistellung besteht darin, dieser in der Folge gerade nicht mehr widerrufen zu können. Die von Ihnen beschriebene Klausel kombiniert demgegenüber die zunächst gewünschte unwiderrufliche Freistellung mit einer sich daran nach Urlaubsanrechnung anschließenden widerruflichen Freistellung. Eine derartige Kombination ist unzulässig, da hiermit der Sinn und Zweck der unwiderruflichen Freistellung unterlaufen wird. Denn diese soll natürlich nicht nur einseitig zugunsten des Arbeitgebers wirken, dass der Urlaub angerechnet wird, sondern auch den Interessen des Arbeitnehmers, die Zeit sinnvoll entweder für Urlaub oder neue Stellensuche verplanen zu können.
Aufgrund des arbeitsrechtlichen Anspruchs eines Arbeinehmers auf Beschäftigung und Selbstverwirklichung ist der Arbeitgeber ohnehin nicht berechtigt, einseitig eine Freistellung durchzusetzen.
Sofern daher die Freistellung nicht in Ihrem Interesse liegt, empfehle ich Ihnen, der Freistellung zu widersprechen und auf Weiterbeschäftigung zu bestehen.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Anmerkungen weitergeholfen zu haben, bedauere Ihnen derzeit keine günstigere Mitteilung machen zu können, und stehe Ihnen für Rückfragen gerne unter RA-Fey@web.de zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Fey
Rechtsanwältin und Notarin
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vielen Dank für die ausführliche Antwort. Verstehe ich es also richtig, dass ich mir den Urlaub nur ausbezahlen lassen könnte, wenn ich der Freistellung widerspreche und auf eine Weiterbeschäftigung bis zum Vertragsende bestehe? Oder könnte ich auch nach Ablauf der Vertragslaufzeit noch die Vergütung des Urlaubs einklagen mit dem Argument, dass die Freistellung nicht rechtmäßig war? Ich möchte auf keinen Fall auch nur einen einzigen Tag dort noch arbeiten. Den Urlaub hätte ich natürlich trotzdem gern vergütet.
Beste Grüße
grds. wäre dann natürlich die 2. Variante denkbar. Hierbei sollten Sie allerdings beachten, dass Sie in diesem Fall sicherlich darauf verwiesen wären, Ihren Urlaubsabgeltungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. Dies erwähne ich deshalb, weil im Arbeitsrecht jede Partei ihre Kosten der Rechtsverfolgung selbst trägt und Ihnen ggf. ein Richter vorwerfen könnte, Sie hätten sich nicht im Vorfeld auf Ihren Beschäftigungsanspruch berufen.
Ich würde daher grds. empfehlen, den Arbeitgeber auf Ihren Weiterbeschäftigungsanspruch hinzuweisen und hierauf zu bestehen. Sollte er dem nicht folgen, haben Sie dann sogar "etwas in der Hand", um neben der Freistellung die Urlaubsabgeltung verlangen zu können.
Ich hoffe, Ihre Rückfrage hiermit beantwortet zu haben, und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Andrea Fey
Rechtsanwältin und Notarin