Kündigung eines Auszubildenden im 1. Lehrjahr
Beantwortet
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Saeger,
ich habe ein kleines Unternehmen mit 7 Mitarbeitern. Davon zwei Auszubildende im ersten Lehrjahr (Eingetreten am 01.09.16). Mit einem davon gibt es massive Probleme, da er seinen Aufgaben nicht nachkommt, stetig im Streit mit seinen Kollegen ist, unfassbar launisch und teilweise auch aggressiv seinen Kollegen gegenüber auftritt, Dinge und Material des Unternehmens schlecht behandelt und meiner Meinung nach auch seiner Lernverpflichtung nicht nachkommt, da das Berufschulzeugnis jeglicher Beschreibung entbehrt.
Es ist nun so, dass wir bereits mehrfach mit ihm das Gespräch gesucht haben, immer und immer wieder das verhalten abgemahnt (leider nur mündlich und mit Vermerk in Besprechungsprotokollen) haben und vor kurzem sogar eine schriftlichte Abmahnung wegen eines nicht abgegebenen Berichtshefts verfasst haben.
Als letzte Maßnahme hatten wir vergangene Woche sogar noch ein Teambuilding mit drei Coaches gebucht, welches das Ruder noch einmal herumreißen sollte, aber selbst hier war der letzte Mitarbeiter meiner Firma, der immer noch versucht hat etwas zu retten danach der Meinung, dass der Auszubildende nicht länger tragbar für das Unternehmen ist. Auch wurde mir von zwei meiner wichtigsten Mitarbeiter nahe gelegt, dass sie überlegen, das Unternehmen zu verlassen, wenn der Auszubildende weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten muss. Das kann und will ich natürlich nicht erlauben denn ich bin für das Fortbestehen meiner Unternehmung zwingend auf die beiden angewiesen.
Ich habe nun dem Auszubildenden einen Aufhebungsvertrag angeboten, in dem ich ihm auch eine Abfindung von 500 EUR und ein wohlwollendes Zeugnis etc. zugesichert hatte. Ich habe nun gestern eine eMail vom ihm erhalten, dass er nach Rücksprache mit seinem Anwalt (den er wohl in der Familie hat) den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben wird und nach seinem genehmigten Urlaub (der aktuell läuft) am 20.08. seine Arbeitskraft wieder zur Verfügung stellt.
Meine Frage ist nun - kann ich fristlos kündigen? Ich bin mir bewusst, dass es noch keinen sauberen Grund dafür gibt, da ja min. 2 Abmahnungen voran gehen müssen, aber diese ganzen Gründe sind für mich so dringend, dass ich eigentlich keine andere Wahl habe diesen Schritt zu gehen.
Ich würde gerne Ihre Einschätzung dazu haben oder evtl sogar eine alternative Möglichkeit gezeigt bekommen, wie ich hier am besten vorgehen kann.
Vielen Dank im Voraus.
M. K.
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Antwort des Experten
Sehr geehrter Fragensteller,
zum einen setzt die außerordentlich Kündigung in der Regel die Möglichkeit zur Stellungnahme des Betroffenen / vorherige Abmahnung(en) voraus.
Zudem muss nach § 626 BGB ein Grund oder die Gründe angegeben werden in der Kündigung selbst:
"(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) 1Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. 2Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. 3Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen."
Hier ist die 2 Wochenfrist zu beachten!!!
Mit LAG Hessen: Urteil vom 03.11.1997 - 16 Sa 657/97 kann die Nichtvorlage eines Berichtsheft ausreichen, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen:
"1. Werden von einem Auszubildenden die vorgeschriebenen Berichtshefte nicht oder verspätet vorgelegt, liegt eine Pflichtverletzung vor, die geeignet sein kann, eine außerordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses zu rechtfertigen.
2. Auch bei hartnäckiger und fortgesetzter Verletzung von Verhaltens- und Leistungspflichten durch den Auszubildenden ist in aller Regel vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses eine (erfolglose) Abmahnung notwendig."
Eine entsprechende schriftliche Abmahnung bzw. mündliche Abmahnungen und auch entsprechende beweisbare Verhaltensfehler scheinen ja vorzuliegen.
Ein einmal nicht abgegebenes Heft könnte zwar etwas zu wenig sein, im Zusammenspiel mit den anderen Verhaltensweisen aber durchaus ausreichend sein.
Insofern muss aber präziser beschrieben werden, wie der Auszubildende seinen Launen auslebt = was er sagt, wie er andere verletzt.
Dass andere Mitarbeiter die Kündigung androhen, ist sicherlich ein interessanter Aspekt, den man unter Störung des Betriebsfriedens fassen kann. Aber auch hier muss man präziser am Sachverhalt arbeiten.
Beschädigungen an Material muss man nicht hinnehmen. Aber auch hier muss genau beschreiben, was und wie beschädigt oder ernsthaft gefährdet wurde.
Fazit: wenn es ein richtiger "Rabauke" ist und man noch sauberer am Sachverhalt arbeitet sowie die 2 Wochenfrist beachtet, wenn ein erneuter schwerwiegender Fehler aufgetreten ist, dann reicht dies für eine fristlose Kündigung sicher aus.
Wenn der Azubi einen RA in der Verwandtschaft hat, rate ich Ihnen die Kündigung durch einen FA für Arbeitsrecht vor Ort aufsetzen zu lassen. Ein streitiges Verfahren ist dann nämlich absehbar.
MfG
D. Saeger
- RA -
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