Kündigung "Architektenvertrag" nach deutlicher Budgetüberschreitung
Beantwortet von Rechtsanwalt Marcus Schröter
Fragestellung
Guten Tag,
wir haben hier einige Probleme mit einem Architekten.
Ich versuche es folgend möglichst kurz zusammen zu fassen:
Dezember 2017 - Einreichung eigener Hausentwürfe beim Architekten (Budgetvorgabe 350 000 - 400 000 €).
Anschließend sehr lange keine Reaktion vom Architekten.
Januar 2018 - Architekten abgesagt und nach anderen Architekten/Anbietern umgeguckt.
Angebot i.H.v. ~ 400 000 € von einem Bauunternehmer bezogen auf den eigenen Entwurf (schlüsselfertig).
März 2018 - wieder Kontakt mit Architekten aufgenommen
Architekt gibt Kostenschätzung i.H.v. 454 000 € ab
in der Summe sind 330 qm Bruttogrundfläche (BGF) kalkuliert, Nettogrundfläche (Wohnfläche im EG und OG gesamt = 160 m²).
Ende April - neuer Entwurf vom Architekten (da Frau mit eigenen Entwurf unzufrieden und 450 000 € nicht im finanziellen Rahmen)
Mitte Mai - Architekt liefert weiterbearbeiteten Grundrisse mit Bemaßung
Austausch einiger Mails und 3 oder 4 Treffen im Büro des Architekten zur Besprechung seiner Entwürfe.
Mitte Juni - neue Kostenschätzung 588 000 €
für 355 m² BGF - 291 m² Nettoraumfläche inkl. 38 m² Garage
Ende Juni - Nachdem ich die Summe angezweifelt habe, liefert Architekt überarbeitete Kostenschätzung i.H.v. 497 000 € (ohne Reduzierung der Grundfläche)
Seitdem wir im März wieder Kontakt aufgenommen hatten,
bin ich den Architekten nur hinterhergelaufen.
Wurde ständig vertröstet und hingehalten.
Terminabsprachen wurden nicht eingehalten etc.
In der anfänglichen Kostenschätzung wurde unter anderem selbst im Hauswirtschaftsraum mit 40 € Fliesen gerechnet etc.
Wodurch sich die Kostenschätzung in Höhe von 588.000 € für ein 1½ stöckiges EFH mit Keller und Garage für mich erklärt, aber unter vernünftigen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar ist.
Dank der verstrichenen Zeit sind die Preise beim Bauunternehmer jetzt ebenfalls bei ~ 410 000 €
Nachdem ich dem Architekten jetzt abgesagt habe, stellt er mir 140 Arbeitsstunden in Rechnung:
140h x 70 €/h = 9.800 € zuzüglich MwSt.
Unterschrieben haben wir bis jetzt nichts!
Also nur mündliche Absprachen.
Ich Zweifle sehr stark an, das über 3 Arbeitswochen in den drei Grundrissen stecken, die wir erhalten haben ...
Meiner Meinung nach, hat er unser Budget um Welten überstiegen
und dementsprechend vor allem die Leistungsphase 3 der HOAI nicht geleistet.
Die erste Kostenschätzung würde ich schon als Wucher bezeichnen
und dies wurde meiner Meinung nach in der Höhe angesetzt, um das eigenen Honorar übermäßig in die Höhe zu treiben.
Müssen wir die gestellte Rechnung wirklich begleichen bzw. worauf hat der Architekt Anrecht?
Vielen Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
M. W.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Marcus Schröter
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf Grundlage Ihrer Angaben nachfolgend beantworte:
1. Zunächst ist festzuhalten, dass kein schriftlicher Vertrag zustande gekommen ist. Zwar können auch mündliche Verträge geschlossen werden, allerdings ist der Architekt dann in der Beweislast für das Zustandekommen eines Architektenvertrages.
Von der kostenpflichtigen Leistung des Architekten sind dabei die kostfreien Akquisitionsleistungen abzugrenzen. So können erste Planungsleistungen durchaus noch kostenfreie Akquisitionsleistungen umfassen. Erst wenn auf Grundlage der Planungsleistungen weitere Aktivitäten entfaltet und Änderungen umgesetzt werden, liegt darin eine vergütungspflichtige Tätigkeit.
Ein möglicher Hinweis des Architekten auf die übliche Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB scheitert an der Abgrenzung zwischen Akquisition und konkreter Beauftragung.
2. Der Stundensatz des Architekten erscheint mir angemessen. Soweit hieran Zweifel bestehen kann aber bei der zuständigen Architektenkammer der übliche Stundensatz angefragt werden.
3. Die Anzahl der Stunden setzt eine 3,5 wöchtige intensive Bearbeitung unter Annhame einer 40 Stunden Woche voraus. Hier wäre der erste Schritt, dass der Architekt detailliert aufschlüsselt, wann für was wieviel Stunden angefallen sind. Aus eigener Erfahrung ist es üblich bei einer Honorierung nach Stunden, dass folgende Angaben zu der geleisteten Tätigkeit erfolgen:
Datum, Uhrzeit, Art und Beschreibung der Tätigkeit, Anzahl der Stunden.
Dies ist im Idealfall in einer Tabelle festzuhalten.
Soweit der Architekt Angebote eingeholt hat, sind diese in Kopie vorzulegen.
Aus meiner Sicht sind die Tätigkeit bis einschließlich März Akquisitionsleistungen. Erst durch die geänderte Planungsleistung im April 2018 wäre eine Vergütungspflicht anzunehmen.
4. Aufgrund der verzögerten Bearbeitung sind die anfallenden Mehrkosten des Bauträger als Gegenposition anzuführen. Auch wenn der kausale Zusammenhang zwischen der verzögerten Bearbeitung des Architekten und der Mehrkosten noch zu begründen ist, sollte dieser Mehraufwand der Forderung des Architekten entgegengehalten werden.
5. Zur weiteren Vorgehensweise:
Fordern Sie von dem Architekten eine Aufstellung der geleisteten Stunden an. Sobald diese vorliegt argumentieren Sie, dass die Leistungen bis einschließlich März Akquisitionsleistungen darstellen und daher nicht zu vergüten sind. Die Rechnung ist um diese Leistungen dann zu monieren und zu korrigieren. Im weiteren führen Sie die Mehrkosten an, die Sie der Restforderung entgegenhalten. Bieten Sie dann eine Zahlung im niedrigen vierstelligen Bereich als Vergleichsangebot an.
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen und Ihnen einen ersten Überblick verschaffen.
Mit besten Grüßen
Marcus Schröter
Rechtsanwalt
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