Keine Lohnerhöhung (TV-L West) wegen Eingliederungszuschuss?!
Fragestellung
Hallo,
mein Arbeitsverhältnis bei einem sozialen Träger (Arbeitsmarktdienstleister zur Integration und Aktivierung Langzeitarbeitsloser) ist zu 70% über einen Eingliederungszuschuss des Jobcenters gefördert (§ 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 88,90 Abs. 1 u. 4, 91 und 92 SGB III). Aktuell läuft die Weiterbeschäftigungspflicht. Laut neuster Tarifvereinbarung stünde mir zum 1.1.2017 eine Lohnerhöhung i.H.v. 75 € zu (der Tarif des Trägers ist and den TVL angegliedert). Diese wurde mir mit der Begründung versagt, lt. Tarivvertrag wären EGZ-geförderte Arbeitsverhältnisse hiervon ausgeschlossen. Da ich bei dem Träger als Sachbearbeiter im Zuschusswesen tätig bin, weiß ich, dass z.B. die Mindestlöhne der §16e-Beschäftigten angehoben wurden und wir deshalb extra neue Anträge bei den JC/AfA stellen mussten. Und ausgerechnet EGZ-Förderungen sollen von einer Lohnanpassung ausgeschlossen sein? Zwar habe ich tatsächlich im besagten Vertrag eine Ausschlussklausel gefunden (§1 Abs. 2 lit. f TVL-West), die Normen, auf die er sich bezieht sind aber zwischenzeitlich alle ersatzlos gestrichen worden. Außerdem greift diese Klausel m.E. nicht, da sich nur auf EGZ (nur) nach SGB III, nicht aber nach SGB II i.V.m SGB III, bezogen wird. Ist das wirklich die ganze Wahrheit und ich muss mich jetzt damit abfinden oder hat mein Arbeitgeber etwas übersehen oder falsch ausgelegt, weswegen mir die Erhöhung doch zusteht? Wenn ja bitte ich um die einschlägigen Normen, auf die ich hinweisen kann. Danke
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Antwort von Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
Ich teile hier Ihre Meinung - im Einzelnen:
Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006
in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 8 vom 28. März 2015, § 1
Geltungsbereich, steht:
"(2) Dieser Tarifvertrag gilt nicht für
[...]
f) Beschäftigte, für die Eingliederungszuschüsse nach den §§ 217 ff. SGB III
gewährt werden, [...]."
Dafür, dass Sie doch den Zuschuss erhalten, spricht folgendes:
- es ist nur ein Verweis auf das SGB III, nicht SGB II;
- die §§ 185 bis 239 SGB III sind in der Tat inzwischen weggefallen;
- Früher galt: Arbeitgeber können zur Eingliederung von förderungsbedürftigen Arbeitnehmern Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten erhalten, wenn deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegen Umständen erschwert ist, § 217 S. 1 SGB III;
- das ist zwar jetzt neu in § 88 SGB III bestimmt;
- aber das Sozialgesetzbuch (SGB II), Zweites Buch, Grundsicherung für Arbeitsuchende, spricht nur die entsprechende Anwendung der §§ 88 SGB III an;
- SGB II und SGB III sind zu unterscheiden vom Regelungsinhalt;
- ansonsten hätte man ausdrücklich SGB II mit aufgenommen, es kann sich nicht um eine planwidrige Regelungslücke handeln, die eine solche Anwendung ermöglicht hätte;
- § 16 SGB II macht größere Teile der Eingliederungslandschaft nach dem SGB III für die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen des SGB II anwendbar; § 16 Abs. 1 SGB II macht zahlreiche Leistungen des SGB III zu solchen des SGB II. Dennoch bleibt es bei einer Leistung nach dem SGB II;
- bei einer Ausnahmevorschrift wie hier ist keine entsprechende Anwendung auch in Bezug auf das SGB II möglich;
Von daher sprechen nach meiner Meinung die besseren Argumente für die Lohnerhöhung.
Allerdings könnte der Arbeitgeber argumentieren, es handele sich um eine Rechtsgrund- und nicht nur Rechtsfolgenverweisung, vgl. Bundessozialgericht - B 4 AS 117/10 R - Urteil vom 06.04.2011.
Ich meine aber, dass allein der Unterschied von SGB II- und SGB III-Leistungen ausschlaggebend sein darf.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt
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ich bedanke mich für Ihre ausführliche Beantwortung meiner Frage. Da ich wie erwähnt im Zuschusswesen tätig bin, sind mir im Grunde alle Bescheide in diesem Zusammenhang zugänglich. Außer für mich bezieht mein Arbeitgeber noch einen zweiten EGZ, die in diesem Bescheid genannten Rechtsgrundlagen sind allerdings allesamt SGB III-Vorschriften. Mir stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob der TVL auch ein Vertrag i.S.d. Vertragsrechts ist, so dass man in diesem Fall argumentieren könnte, die Vorschrift sei fehlerhaft und mangels salvatorischer Klausel somit komplett unwirksam (Ich glaube mich daran erinnern zu können (ich habe ein Semester lang Arbeitsrecht gehört), dass Tarifverträge Sonderfälle mit Gesetzescharakter sind, wodurch der TVL nicht wie ein privatrechtlicher Vertrag gänzlich nichtig werden kann, sondern allenfalls einzelne Normen). Umgekehrt könnte sich der Arbeitgeber dann allerdings auf die Willensauslegung beziehen und auf eine analoge Anwendung bestehen. Ist der TV-L ein Vertrag i.S.d BGB? Wie sehen Sie die Chancen für jene deren Eingliederungszuschüsse auschließl. auf Basis von SGB III beruhen?
Danke
vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
Ja, einem Tarifvertrag kommt eine gewisse Sonderstellung zu und beruht nicht nur auf dem BGB, sondern dem Tarifvertragsgesetz vor allem.
Hier wird man aber das so auslegen können, dass die §§ 217 ff. SGB III nunmehr in den §§ 88 ff. SGB III aufgegangen sind und die deshalb nunmehr als Bezugnahme für den Ausschluss gelten sollen - das kann man durchaus so verstehen.
Eine (Teil-)Nichtigkeit liegt nicht vor, da es durch eine Auslegung ermittelbar ist.
Hier geht es aber in der Tat in erster Linie um das SGB II - und das ist gerade nicht mit einbezogen, weshalb dafür die besseren Argumente sprechen.
Denn ansonsten hätte das SGB II konkret im Tarifvertrag benannt werden müssen.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bewertung meiner Antwort. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt