Hausbau - Ablauf Festpreisbindung - Erhöhung der Hausbausumme um ca. 30 Prozent
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben letztes Jahr im November ein Grundstück erworben und uns leider aufgrund von Zeitmangel zu einem großen Fehler hinreißen lassen. Wir hatten eine Hausbaufirma im Blick, die uns empfohlen wurde. Die Gespräche waren freundlich und wir fühlten uns wohl. Der Bauvertrag wurde dennoch von uns gründlichst überprüft. Wir stellten schnell fest, dass wir eine Festpreisbindung von lediglich 4 Monaten ("...bei Baugbeginn bis 01.03.19) erhielten und hatten diesbezüglich Bauchschmerzen. Nach einem persönlichen Gespräch wurde uns dieser Aspekt als nicht verhandelbar beschrieben, da sich die Firma auch gegen Preissteigerungen auf dem Markt schützen müsse. Da die Zeit drängte setzten wir auf den vertrauensvollen Umgang und unterschrieben den Bauvertrag (08.11.19). Durch die Bearbeitung des Grundrisses sowie der Dauer für die Baugenehmigung sind nun seit Vertragsunterzeichnung 8 Monate vergangen. Nun laufen die Vorbereitungen für den Hausbaubegin (Ausführungsplanung, Statik,....). Gestern erhielten wir dann einen Nachtrag zum Hausbauvertrag und waren schockiert, enttäuscht und fielen ins Bodenlose. Die Hausbaufirma sieht sich gezwungen den ursprünglichen Festpreis in Höhe ca. 234.000 Euro auf 293.000 Euro (was eine Preissteigerung von rund 30 Prozent bedeutet) zu erhöhen.
Wir wissen, dass der Fehler bei uns liegt. Der Vertrag hätte mit solch einer Festpreisbindung nie unterschrieben werden dürfen.
Nichtsdestotrotz sind wir nun an Lösungsmöglichkeiten interessiert.
Wir möchten gern wissen, wie wir mit dieser Situation umgehen sollen und was unsere Optionen sind. Momentan können wir uns nicht vorstellen, die Erhöhung um 66.000 Euro einfach zu schlucken, zumal die Preisbindung wieder nur bei einem Baugeginn bis Ende August gewährleistet wird. Sollten wir versuchen uns schnellstmöglich von der Firma zu trennen? Gibt es die Möglichkeit aus dem Vertrag zu kommen? Gibt es noch Verhandlungsmöglichkeiten mit der jetzigen Firma?
Wie gefährlich ist es, sich nun auf die Suche einen anderen Firma zu machen?
Unsere bereitstellungszinsfreie Zeit endet im September, auch diesbezüglich hängt uns die Zeit im Nacken.
MIt freundlichen Grüßen
J. L.
(Stand 06.07.19)
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Antwort von Rechtsanwalt Reinhard Otto
Guten Tag,
ich habe inzwischen die Unterlagen durchgesehen und beantworte Ihre Anfrage wie folgt:
Da die Festpreisbindung nicht mehr gilt, und der Vertrag keine Regelungen enthält, welche Preise danach gelten sollen, gilt § 632 Abs. 2 BGB, wonach im Zweifel "die übliche Vergütung" geschuldet wird.
Sie sollten von daher Angebote einholen, um sehen zu können, welche Kosten ein solches Bauvorhaben in der entsprechenden Gegend üblicherweise verursachen würde. Dann erst können Sie abschätzen, ob das Angebot der Firma, 50T Mehrkosten, angemessen ist oder nicht.
Die Lösung vom Vertrag wird schwierig und ist nicht frei von Risiken.
Mir ist aufgefallen, dass die Widerrufsbelehrung nicht der Mustervorlage der Anlage 10 des Art. 249 EGBGB entspricht. Nach Art. 249 § 3 Abs. 1 Zif 3 EGBGB muss die Widerrufsbelehrung ausdrücklich enthalten
den Namen, die ladungsfähige Anschrift und die Telefonnummer desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse.
Die Mustervorlage sieht vor, dass diese Angaben im Fließtext eingefügt sind, also
... müssen Sie uns, Name, Anschrift der Firma, mittels einer eindeutigen Erklärung ...
In Ihrer Widerrufsbelehrung fehlt diese Angabe an der vorgesehenen Stelle. Die Angaben finden sich lediglich in dem Stempel unten auf der Seite.
Man kann die Ansicht vertreten, dass dies unklar ist, weil nach den Intentionen des Gesetzes der Verbraucher eindeutig über den Erklärungsempfänger und die zu verwendende Anschrift aufgeklärt werden muss. Es ist ja nicht zwingend, dass die Widerrufserklärung an die im Stempel angegebene Firma zu senden ist.
Wenn wir von einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ausgehen, läuft die Frist zum Widerruf noch, und Sie könnten diesen erklären. Sie müssen dann die bisher erbrachten Leistungen bezahlen, erhalten aber etwaige Abschlagzahlungen zurück.
Falls dieser Widerruf nicht durchgreift, besteht die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung des Werkvertrages gemäß § 648a BGB. Dieser besagt:
Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
Die massive Preissteigerung von 30 % in letztlich nur 5 Monaten kann als unzumutbar angesehen werden, weil aus Ihrer Sicht nicht vorhersehbar. Es erscheint auch kaum denkbar, dass die Preise in dieser kurzen Zeit um solche Sätze gestiegen sein sollen.
Und da auch dieser Festpreis zeitlich befristet ist, drohen weitere Erhöhungen, was auch zur Unzumutbarkeit beiträgt.
Schließlich bleibt die Kündigung des Vertrages nach § 648 BGB, wonach Sie jederzeit die Möglichkeit der Kündigung haben. Zwar ist dies im Vertrag ausgeschlossen, eine solche Klausel ist aber gemäß § 307 BGB unwirksam, weil Sie dadurch unangemessen benachteiligt werden.
Sie sollten unbedingt anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um die optimale Lösung zu finden, denn die Rechtslage ist nicht unkompliziert.
Allerdings werden sich die Gebühren für eine anwaltliche Tätigkeit nach dem Gegenstandswert richten, der bei 239.000.- € liegt. Eine Geschäftsgebühr nach diesem Wert beträgt mindestens 3.509.- €.
Ich hoffe, Ihnen etwas Klarheit verschafft zu haben. Bei Bedarf stehe ich Ihnen natürlich gerne für eine weitergehende Tätigkeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Otto
Rechtsanwalt
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Vielen Dank für die schnelle Bearbeitung und die gesendeten Informationen.
Wir haben Ihren Text aufgearbeitet, uns in die genannten Paragraphen eingelesen und haben ein paar Fragen.
1. Art 249 EGBGB:
Gibt es eine Rechtssprechung zu der von Ihnen genannten Konsequenz, dass das Widerrufsrecht aufgrund des formellen Fehlers noch gilt?
Falls dem so sein sollte, könnten wir durch einen Widerruf also versuchen aus dem Vertrag zu kommen? Die Frage ist nur zu welchen Konditionen?
2. § 307 BGB
Wie kann man die unangemessene Benachteiligung begründen?
Mit freundlichen Grüßen
J. L.
Rechtsprechung zu der konkreten Frage habe ich nicht gefunden; es gibt lediglich Urteile allgemeiner Art über die Fehlerhaftigkeit von Widerrufsbelehrungen.
Im Falle des Widerrufes sind die gegenseitigen Leistungen zurückzugewähren, vgl. § 355 Abs. 3 BGB. Das bedeutet, dass die Firma Ihnen die gezahlten Abschläge erstatten muss, ihrerseits von Ihnen aber die Bezahlung der tatsächlich schon erbrachten Leistungen verlangen kann.
Die unangemessene Benachteiligung iSd § 307 BGB liegt dann vor, wenn eine der enthaltenen Bedingungen erfüllt ist. Maßgeblich in Ihrem Fall wird die Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung sein, denn im Bereich des Werkvertragrechtes gilt gesetzlich § 648 BGB, wonach ein Werkvertrag vom Besteller jederzeit gekündigt werden kann auch dann, wenn kein wichtiger Grund vorliegt. Dieses Recht wird durch die Klausel völlig aufgehoben, was allein dem Unternehmer dient und keinerlei Vorteil für den Besteller bietet.
Mit freundlichen Grüßen