Haftung des ehem. Arbeitgebers wg. verspäteter Übertragung einer Versicherung
Fragestellung
Am 12.12.2018 habe ich einen Aufhebungsvertrag mit meinem alten Arbeitgeber geschlossen. Inhalt ist u. a. die Übertragung einer Direktversicherung und das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zum 31.03.2019. Am 5.12.2019 erhalte ich eine Mitteilung meines alten Arbeitgebers über die Übertagung der Direktversicherung zum 3.12.2019 mit Übersendung des Versicherungsscheins. Am 22.01.2020 erhalte ich von der Cosmos Direktversicherung die Information, dass mein ehemaliger Arbeitgeber die Direktversicherung nicht fristgerecht übertragen hat. Am 28.01.2020 erhalte ich von der Cosmos Direktversicherung die Mitteilung, dass die Direktversicherung nun wirksam auf mich übertragen wurde. In einen Telefongespräch wies die Versicherung noch einmal darauf hin, dass ich nach gängiger Rechtsprechung Anspruch auf die Differenz zwischen den bisher eingezahlten Beiträgen (20.000 €) und der vertraglich vereinbarter Ansparsumme (40.000 €) habe (BAG Urteil vom 19.05.2016 (3 AZR 794/14)). So müsste mein ehemaliger Arbeitgeber die ausstehenden 20.000 € zahlen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so dass tatsächlich ein haftender Anspruch entstanden ist?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Wegener
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Antwort von Rechtsanwalt Reinhard Otto
Guten Tag,
ich möchte Ihre Anfrage auf der Grundlage der von Ihnen dazu mitgeteilten Informationen und übersandten Unterlagen wie folgt beantworten:
Sie haben dann einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber, wenn dieser eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt hat, wodurch Ihnen kausal ein Schaden enstanden ist, und wobei die Geltendmachung des Anspruches nicht verjährt oder verfallen ist.
Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht:
Der Ex-AG war in der Pflicht, nach Dezember 2019 die Direktversicherung auf Sie zu übertragen. Das ergibt sich aus § 3 des am 12.12.2018 geschlossenen Aufhebungsvertrages.
Gleichzeitig wurde Ihre Ausscheiden auf den 31.03.2019 vereinbart.
Bei dieser Vertragsgestaltung wurde Folgendes nicht beachtet:
Bei einer Direktversicherung kann der Arbeitgeber die Ansprüche des vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmers auf die von dem Versicherer aufgrund des Versicherungsvertrages zu erbringende Versicherungsleistung zu beschränken. Das setzt jedoch voraus, dass spätestens drei Monate nach Ihrem Ausscheiden Ihnen ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt hätte eingeräumt werden müssen.
Der Versicherungsvertrag selber muss vorsehen, dass die Überschussanteile aus dem Vertrag von Beginn der Versicherung an zu Leistungsverbesserungen verwendet werden und Ihnen muss nach dem Versicherungsvertrag das Recht zustehen, die Versicherung nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit eigenen Beiträgen fortzuführen.
Diese beiden letztgenannten Punkte unterstelle ich im Rahmen dieser Erstberatung, zumal ja auch die Versicherung in ihren Schreiben daran nicht gezweifelt hat.
In dem von Ihnen ja schon erwähnten Urteil vom 19.5.2016, Az.: 3 AZR 794/14, hat das BAG verlangt, dass die versicherungsvertragliche Lösung vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer und gegenüber dem Versicherer jeweils in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers erklärt werden muss.
Nach dem Aufhebungsvertrag sind Sie zum 31.03.2019 ausgeschieden. Die erwähnte Frist von 3 Monaten lief damit am 30.06.2019 ab.
Der Fehler liegt damit bereits im Aufhebungsvertrag selber begründet, der vorsieht, dass die Versicherung erst nach Zahlung des Jahresbeitrages im Dezember 2019 übertragen werden soll.
Zudem zahlt der Arbeitgeber den vertraglichen Beitrag ... bis zum Dezember 2019. Die Direktversicherung wird sodann an den Arbeitnehmer übertragen.
Bei Abfassung des Vertrages sind die zwingenden Regelungen, Übertragung innerhalb von 3 Monaten nach dem Ausscheiden, nicht berücksichtigt worden.
Haftung des Arbeitgebers für den fehlerhaften Aufhebungsvertrag:
Dieser Punkt ist problematisch, denn grundsätzlich sind im Zusammenhang mit einem Vertragsschluss beide Vertragsparteien verpflichtet, sich über die rechtlichen Kosequenzen und etwaige Fehler des Vertrages zu informieren. Dem Arbeitgeber obliegt nur in besonderen Ausnahmefällen eine Pflicht, vgl. dazu BAG, Urteil vom 17. 10. 2000 – 3 AZR 69/99.
Ob das hier anzunehmen ist, erscheint fraglich. Es ist nicht abzusehen, wie ein Arbeitsgericht diese Frage beurteilt.
Sofern Sie den Aufhebungsvertrag vor Unterzeichnung anwaltlich geprüft haben sollten und auf diesen Fehler nicht hingewiesen worden sind, könnten Schadesersatzansprüche auch gegen den prüfenden Anwalt bestehen.
Ausgehend davon, dass der Ex-AG für die unrichtige Vertragsgestaltung einzustehen hat, liegt eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor, die gemäß § 280 BGB einen Schadensersatzanspruch zugesteht.
Der Schaden selber:
Da nach den mir zur Verfügung gestellten Versicherungsunterlagen eine Differenz zwischen dem Versicherungsstand bei rechtzeitiger Übertragung und dem aktuellen Stand zu erkennen ist, liegt die Annahme eines Schadens nahe.
Verjährung, Verwirkung, Verfall:
Der Vertrag enthält in § 9 eine Abgeltungsklausel, wonach keine weiteren Forderungen oder Ansprüche gegenseitig bestehen oder in Zukunft erhoben werden.
Es wird auszulegen sein, was Sie und der Ex-AG bei Abfassung dieser Vereinbarung vor Augen hatten, und ob Sie tatsächlich gewollt haben, dass auch solche Schadensersatzansprüche, die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses und seiner Aufhebung entstehen, ebenfalls erledigt sein sollten.
Die Klausel ist schon recht weitgehend, so dass die Gefahr besteht, dass ein Gericht den oben dargestellten Anspruch als mit umfasst und abgegolten ansieht. Hier ist ein Risiko.
Gazn wichtig und unbedingt heute noch zu erledigen!:
Schließlich muss noch im Arbeitsvertrag selber geprüft werden, ob dort eine wirksams Verfallklausel enthalten ist, wonach Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten in Textform geltend gemacht worden sind.
Sie haben von der Entstehung des Schadens durch das Schreiben der cosmos-direkt vom 22.01.2020 erfahren. Zugang bei Ihnen, auf den kommt es entscheidend an, dürfte frühestens am 23. oder 24.01.2020 gewesen sein, so dass eine etwaige Verfallfrist entweder schon gestern abgelaufen wäre oder heute ablaufen wird.
Sie sollten daher auf jeden Fall heute noch per email Ihre Ansprüche aus der nicht ordnungsgemäßen Übertragung der Direktversicherung beim Ex-AG incl. des Zahlungsanspruches geltend machen. Das muss nicht konkret ausgeführt werden, sondern lediglich erkennen lassen, dass Sie innerhalb der Verfallfrist Schadensersatz beanspruchen.
Damit würden Sie eine Verfallfrist aufhalten.
Für weitergehende Unterstützung im Rahmen einer Mandatserteilung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Bei Bedarf setzen Sie sich bitte mit mir in Verbindung.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Otto
Rechtsanwalt
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