Haftgrund Wiederholungsgefahr
Fragestellung
Guten Tag,
Ich hätte eine Frage zum § 112a StPO.
Für den Haftgrund des § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO ist es erforderlich, dass die fortgesetzte bzw. wiederholt begangene Anlasstat zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtsordnung geführt hat, wobei bei einer wiederholten Begehung der Anlasstat der erforderliche Schweregrad grundsätzlich bei jeder einzelnen Tat vorliegen muss
(vgl. Hilger in Löwe-Rosenberg, a.a.O., § 112 a Rdnr. 32; Graf in KK, a.a.O., § 112 a Rdnr. 14).
Erforderlich sind Anlasstaten, die einen überdurchschnittlichen Schweregrad und Unrechtsgehalt aufweisen
(vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13.11.2003 – 3 Ws 500/03 -; OLG Köln, Beschluss vom 27.10.2009 - 1 Ws 117/09 -, BeckRS 2010 00263; OLG Frankfurt am Main NStZ 2001, 75; Meyer-Goßner, a.a.O., § 112 a Rdnr. 9; Graf in KK, a.a.O., § 112 a Rdnr. 14).
Es muss sich um solche Taten handeln, die mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Hilger in Löwe-Rosenberg, a.a.O., § 112 Rdnr. 34).
Maßgebend bei der Bewertung sind insbesondere auch Art und Umfang des jeweils angerichteten Schadens (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Jena NStZ-RR 2009, 143; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 210; Meyer-Goßner, a.a.O.; Graf in KK, a.a.O.).
Nun erschließt sich mir leider nicht von welcher Summe man ausgehen Kann?
Ich bitte Sie da etwas Licht ins Dunkle zu bringen.
Ich danke Ihnen
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Antwort von Rechtsanwalt Reinhard Otto
Guten Morgen,
ich möchte Ihre Anfrage nach der Höhe den anzunehmenden mittelschweren Schadens im Bereich der Wiederholungsgefahr des § 112 StPO wie folgt beantworten:
Das OLG Hamm hat dazu in seinem Beschl. v. 01.04.2010 - III-3 Ws 161/10 ausgeführt:
„Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen ist in dem vorliegenden Verfahren der erforderliche Schweregrad bei den Anlasstaten, durch die Vermögensschäden in Höhe von 1.000,00 € bis 1.905,00 € verursacht worden sind, nach Auffassung des Senats noch nicht erreicht. Bei Schäden in der vorgenannten Größenordnung kann nämlich noch nicht von einem überdurchschnittlichen Schaden ausgegangen werden. Der Senat hat bei dieser Bewertung vergleichend darauf abgestellt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Vermögensverlust "großen Ausmaßes" i. S. d. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alternative 1 StGB erst bei einem Wert von 50.000,00 € erreicht ist. Angesichts dessen können Schadenshöhen von lediglich 2 % (1.000,00 €) bis 3,81 % (1.905,00 €) dieses Betrages noch nicht als überdurchschnittliche Vermögensschäden eingestuft werden. Eine gewisse Bestätigung findet dieses Ergebnis auch in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für die Bundesrepublik Deutschland. So ergibt sich für das Berichtsjahr 2008 (PKS 2008, S. 192, Tabelle 07) ein durchschnittlicher Schadensbetrag von ca. 7.836,00 € bei 612.602 vollendeten Betrugsfällen (ohne Leistungserschleichung und Computerbetrug) mit einem Gesamtschaden von 4.800,6 Millionen Euro, wobei nicht verkannt wird, dass der Aussagewert dieser Statistiken insofern beschränkt ist, als deliktspezifisch von einem hohen Dunkelfeld auszugehen ist und außerdem Einzelfälle mit ganz außergewöhnlicher hoher Schadenssumme (sog. Ausreißer) den Durchschnittswert verschieben können.“
Weitere Entscheidungen setzen folgende Werte an:
OLG Celle, Beschl v. 19.12.2013 – 1 Ws 561/13, ab etwa 2.000.- €
Landgericht Bremen, Beschluss vom 27.02.2012, Az.: 41 Qs 275/12 (350 Js 9657/12) mit weiteren Nachweisen:
„Ein Schaden von bis zu 1.000,- wird dabei noch nicht als überdurchschnittlich schwer eingestuft (OLG Jena StV 2009, 251; OLG Hamm StV 2011, 291; OLG Frankfurt StV 2010, 583).“
Sie können aus diesen Beispielen ersehen, in welchem Bereich für die einzelnen Gerichte die Erheblichkeitsschwelle beginnt. Einen genauen Wert festzulegen, ist leider nicht möglich, das wäre erst dann der Fall, wenn es dazu eine grundlegende Entscheidung des BGH geben wird. Die steht aber noch aus.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Otto
Rechtsanwalt
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Eine Frage hätte ich dazu noch. Es geht in diesem Fall um die Berücksichtigung jeder einzelnen Anlaßtat, richtig?
Also wenn jemand 50 Fälle á 500 € als Schaden anrichtet ist es anders zu betrachten als ob eine Person ein Fall mit 25.000 anrichtet, da dadurch die Rechtsordnung schwerwiegender Beeinträchtigt wird?
So zumindest würde ich die Rechtvorschrift interpretieren, weil explizit auf jede einzelne Anlaßtat verwiesen wird ?
ja, grundsätzlich ist Ihre Interpretation richtig. Allerdings kann sich aus der Gesamtheit der vielen Einzeltaten auch wieder eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung ergeben.
Es kommt, wie immer, auf den Einzelfall an.
Mit freundlichen Grüßen