Häusliches Arbeitszimmer bei einem Geschäftsführer - stille Reserven
Beantwortet von Steuerberater Knut Christiansen
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Christiansen,
ich bin in Deutschland bei einem Finanzamt mit zwei Einzelunternehmen gemeldet. Mit meinem ersten Einzelunternehmen erbringe ich als Freiberufler IT-Beratungsleistungen, mit meinem zweiten Einzelunternehmen bin ich als Gewerbetreibender tätig und produziere Lernvideos, die ich auf Video- und Lernplattformen vertreibe.
Ich wohne in Berlin in einem Mehrfamilienhaus in einer angemieteten 3-Zimmer Wohnung, die ich privat anmiete. Das kleinste Zimmer nutze ich aktuell als häusliches Arbeitszimmer, welches nachweislich einen Charakter eines Büros aufweist. Ich arbeite mit Ausnahme weniger Tage im Jahr aus diesem häuslichen Arbeitszimmer für meine Kunden, daher ist der Raum Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit und ich setze die tatsächlich entstanden Kosten (Kaltmiete, Nebenkosten, Strom) anteilig bei der Steuer bei den Jahresabschlüssen (EÜR) meiner beiden Einzelunternehmen an.
Aktuell bin ich in Gründung einer Holding GmbH und operativen GmbH in Berlin. Bei beiden Gesellschaften bin ich der alleinige Gesellschafter Geschäftsführer. In die operative GmbH werden im ersten Schritt beide oben erwähnten Einzelunternehmen unter Gewährung neuer Anteile nach § 20 UmwStG eingebracht. Im zweiten Schritt wird die operative GmbH in die Holding GmbH gegen Gewährung neuer Anteil ebenfalls nach § 20 UmwStG eingebracht. Bislang sind nur die beiden Gesellschaften gegründet, keine der Einbringungen ist bisher erfolgt.
Nur die operative Gesellschaft erbringt Dienstleistungen gegenüber Kunden, die Holding wiederum dient als "Spardose".
Mein Vermieter weiß seit meinem Einzug in die Wohnung, dass ich selbständig tätig bin und auch ein häusliches Arbeitszimmer benutze. Zu Beginn der Gründung beider Gesellschaften (Holding GmbH, operative GmbH) habe ich meinen Vermieter kontaktiert und wir haben eine schriftliche Vereinbarung getroffen, dass ich beide Gesellschaften unter der Wohnanschrift führen und den häuslichen Briefkasten zur postalischen Abwicklung der Geschäftspost nutzen darf. Hierzu wurden nebst dem Familiennamen die Namen beider Gesellschaften auf dem Klingelschild und Briefkasten vom Vermieter angebracht. Mir wurde eine teilgewerbliche Nutzung der Wohnung erteilt, die sich auf die Nutzung des Briefkastens beschränkt, die Anbringung von Werbung am Wohnhaus und Laufkundschaft ist ausgeschlossen.
Nun will ich mein häusliches Arbeitszimmer nach Einbringung beider Einzelunternehmen in die operative Gesellschaft weiterhin nutzen, nur nicht mehr als Einzelunternehmer, sondern als Geschäftsführer der operativen Gesellschaft. Das häusliche Arbeitszimmer wird dem Geschäftsführer (mir) von privat kostenlos bereitgestellt und soll über die private Einkommensteuererklärung anteilig abgesetzt werden. Gerne will ich von Ihnen wissen, ob stille Reserven mit dem häuslichen Arbeitszimmer aufgedeckt werden und falls ja, wie dies vermieden werden kann.
Es gibt mehrere Szenarien, die ich gerne von Ihnen in Hinblick auf die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers bewertet haben möchte.
1.) Die Anschrift beider Gesellschaften (Holding GmbH, operative GmbH) ist gleich der privaten Wohnanschrift.
2.) Die Anschrift beider Gesellschaften wird zu einer Gewerbeeinheit umgelegt, an der nur der
Briefkasten genutzt jedoch kein Büro angemietet wird - "Briefkastengesellschaft".
3.) Die Anschrift beider Gesellschaften wird zu einer Gewerbeeinheit umgelegt, an sich sowohl ein Briefkasten als auch ein Büro befindet.
3.1.) Können sich beide Gesellschaften ein Büro teilen?
4.) Die operative Gesellschaft firmiert unter Anschrift einer Gewerbeimmobilie und nutzt dort Büroräume. Die Holding behält ihre Adresse an der Wohnanschrift.
5.) Die Anschrift beider Gesellschaften (Holding GmbH, operative GmbH) ist gleich der privaten Wohnanschrift. Das häusliche Arbeitszimmer wird bei der Steuererklärung nicht angesetzt.
Im Grunde genommen will ich gerne ein Konstrukt erschaffen, welches es mir ermöglich von Zuhause zu arbeiten, ohne dabei in rechtliche Fallstricke aus steuerrechtlicher Sicht zu geraten. Haben Sie eine Idee?
Vielen Dank und Grüße,
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Antwort von Steuerberater Knut Christiansen
Guten Tag und vielen Dank für Ihre Anfrage, zu der ich Ihnen gerne folgende Rückmeldung im Rahmen einer Erstberatung geben möchte.
Konkret geht es bei Ihnen ja darum, dass durch die Überlassung des Arbeitszimmers an die GmbH eine Betriebsaufspaltung entstehen kann. Eine Betriebsaufspaltung kann immer dann vorliegen, wenn es zu einer sachlichen und persönlichen Verflechtung kommt. Die Folge ist dann, dass die GmbH-Anteile mit Beginn der Betriebsaufspaltung zum Betriebsvermögen werden. Kommt es später (ungewollt) zu einer Beendigung der Betriebsaufspaltung, müssten die Wertsteigerungen dann versteuert werden, weil die Anteile dann als ins Privatvermögen entnommen gelten. Zur sachlichen Verflechtung heißt es z.B. bei Haufe:
"Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt, die nach ihrer Funktion für das Betriebsunternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen. Funktional wesentliche Betriebsgrundlagen sind anzunehmen, wenn die Wirtschaftsgüter zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ein besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen. Hierfür kommen materielle Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundstücke und Gebäude, aber auch immaterielle Wirtschaftsgüter, wie z. B. Patente und ungeschützte Erfindungen, in Betracht. Die Beurteilung der funktionalen Wesentlichkeit des überlassenen Wirtschaftsguts hat aus der Perspektive der Betriebsgesellschaft zu erfolgen. Maßgeblich sind allein die funktionalen Erfordernisse des Betriebsunternehmens."
Und weiter:
"Eine Betriebsaufspaltung liegt selbst dann vor, wenn die wesentliche Betriebsgrundlage, die das Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft vermietet, nicht im Eigentum des Besitzunternehmens steht. Es genügt, wenn derjenige, der die Nutzung überlässt, die wesentliche Betriebsgrundlage, meist ein Grundstück, aus eigenem Recht nutzen kann – und folglich auch weiterverpachten darf, z. B. Verpachtung eines Gebäudegrundstücks an eine Betriebs-GmbH durch einen Besitzeinzelunternehmer, der seinerseits das Grundstück von seiner Mutter gepachtet hat. Dabei ist unerheblich, ob eine sog. echte oder unechte Betriebsaufspaltung vorliegt.
[...]
Regelmäßig wird die Betriebsaufspaltung dadurch bewirkt, dass dem Betriebsunternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen im Wege der Vermietung oder Verpachtung zur Nutzung überlassen werden. Als Voraussetzung für die Annahme einer Betriebsaufspaltung genügt aber auch die teilentgeltliche oder unentgeltliche Nutzungsüberlassung (Leihe). Bei unentgeltlicher Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen liegt die Gewinnerzielungsabsicht des Besitzunternehmens in dem Bestreben, von der Betriebs-GmbH Beteiligungserträge (Ausschüttungen) zu erzielen."
---
Wie Sie also erkennen können, besteht bei Ihnen ein akutes Risiko einer Betriebsaufspaltung, weil Sie Ihrer GmbH als 100%-Gesellschafter die Räumlichkeiten (Briefkasten/Arbeitszimmer) zur Nutzung überlassen. So besteht eine personelle Verflechtung (100%-Gesellschafter) als auch eine sachliche Verflechtung. Dabei wird es schwierig sein gegenüber dem Finanzamt zu behaupten, dass nur der Briefkasten genutzt wird. Denn das Arbeitszimmer ist zur Durchführung der Tätigkeiten erforderlich und hier werden die prägenden Tätigkeiten ausgeübt.
Hier einmal Stellungnahmen zu Ihren Fragen:
1.) Die Anschrift beider Gesellschaften (Holding GmbH, operative GmbH) ist gleich der privaten Wohnanschrift.
In beiden Fällen liegt eine Betriebsaufspaltung (BASP) vor. Ein späterer Wegfall der sachlichen Verflechtung (z.B. durch Umzug beider GmbHs) würde zu einer Beendigung der BASP führen, sodass dann die seit Beginn der BASO eingetretenen Wertsteigerungen der GmbH-Anteile versteuert werden müssten.
2.) Die Anschrift beider Gesellschaften wird zu einer Gewerbeeinheit umgelegt, an der nur der
Briefkasten genutzt jedoch kein Büro angemietet wird - "Briefkastengesellschaft".
Schwierig abzugrenzen (siehe oben). Die Gefahr der BASP ist hier aus meiner Sicht nicht gebannt, weil Sie objektiv darlegen müssten, dass das Arbeitszimmer nicht genutzt wird.
3.) Die Anschrift beider Gesellschaften wird zu einer Gewerbeeinheit umgelegt, an sich sowohl ein Briefkasten als auch ein Büro befindet.
3.1.) Können sich beide Gesellschaften ein Büro teilen?
Handelt es sich um ein fremdes Büro, dass die GmbHs direkt aus eigenem Recht anmieten, wäre es unproblematisch. EIne Teilung des Büros durch beide Gesellschaften wäre möglich. Ich würde dann aber die operative GmbH mieten lassen.
4.) Die operative Gesellschaft firmiert unter Anschrift einer Gewerbeimmobilie und nutzt dort Büroräume. Die Holding behält ihre Adresse an der Wohnanschrift.
Hier besteht das Risiko der BASP definitiv für die Holding.
5.) Die Anschrift beider Gesellschaften (Holding GmbH, operative GmbH) ist gleich der privaten Wohnanschrift. Das häusliche Arbeitszimmer wird bei der Steuererklärung nicht angesetzt.
Auch hier: BASP-Risiko hoch (bzw. ist gegeben!). Denn es kommt nicht darauf an, ob Sie Beträge steuerlich ansetzen oder nicht. Maßgebend ist die (kostenlose) zur Verfügungsstellung der Räumlichkeiten.
Die Möglichkeit, die BASP zu vermeiden, wäre daher die Fremdanmietung eines Büros für beide Gesellschaften. Denn sonst besteht immer die sachliche Verflechtung. Alternativ müssten Sie mind. 50% der GmbH-Anteile auf eine andere Person (Ehefrau/Kinder) übertragen, um die persönliche Verflechtung zu lösen.
Ich hoffe Ihre Frage damit beantwortet zu haben, sonst stellen Sie gerne kostenfreie Rückfragen ein.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dieses Forum eine ausführliche und persönliche steuerliche Beratung nicht ersetzen kann, sondern vor allem dafür gedacht ist, eine erste steuerliche Einschätzung zu ermöglichen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen könnte die rechtliche Beurteilung Ihres Anliegens anders ausfallen.
Viele Grüße!
Knut Christiansen
Steuerberater
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vielen Dank für Ihre
vielen Dank für Ihre
vielen Dank für Ihre Ausführungen, die sehr hilfreich für mich sind.
Dass sich für ein überlassenes Arbeitszimmer an eine Gesellschaft in einem gekauften Haus oder einer gekauften Wohnung stille Reserven ergeben, leuchtet mir ein. Weshalb dies bei einer Mietwohnung auch der Fall ist, verstehe ich bisher noch nicht. Haben Sie hierzu eine Erklärung für mich?
Für mein häusliches Arbeitszimmer als Einzelunterunternehmer habe ich bisher etwa 300€ netto je Monat bei der Steuer angesetzt, im Jahr also etwa 3600€ netto, begründet mit dem Mittelpunkt der betrieblichen Aktivitäten. Der Gewinn vor Steuern aus beiden Einzelunternehmen beträgt etwa 120.000€ netto je Jahr und soll auch für die in Gründung befindliche operative GmbH angenommen werden. Wie berechnen sich die stillen Reserven für mein häusliches Arbeitszimmer (pro Jahr?)?
Die operative GmbH wird ein Büro anmieten. Darf ich zusätzlich ein häusliches Arbeitszimmer in meiner privaten Wohnung besitzen und dieses in der Steuer ansetzen? Wäre hier der aktuelle Höchstbetrag von 1250€ pro Jahr in meiner Einkommensteuererklärung ansetzungsfähig? Falls nicht, wie schaut es mit der aktuell noch gültigen Corona Homeoffice-Pauschale von 600€ je Jahr aus?
Genügt es schriftlich festzuhalten, dass die Holding unentgeltlich das Büro der operativen Gesellschaft mitbenutzen darf oder ist noch etwas anderes zu beachten (Hinweis: Die Holding wird alleinige Besitzerin der operativen Gesellschaft sein)? Entstehen stille Reserven für die Holding bei kostenloser Mitbenutzung des von der operativen Gesellschaft angemieteten Büros und wenn ja, wie können diese vermieden werden?
Vielen Dank und Grüße,
wenn es zeitlich für Sie in Ordnung ist, antworte ich Ihnen morgen gerne ausführlich auf Ihre Rückfrage. Nur soviel schon einmal vorab: es geht in Ihrem Fall nicht um stille Reserven bei einer gemieteten Wohnung, sondern um die stillen Reserven in den GmbH-Anteilen, die während einer Betriebsaufspaltung entstehen und dann bei Beendigung der Betriebsaufspaltung ungewollt aufgelöst (und damit versteuert) werden müssten.
Viele Grüße!
hier nun die Rückmeldung.
Das Problem in Ihrem Fall sind nicht die stillen Reserven für das Arbeitszimmer. Diese können nur dann entstehen, wenn Ihnen dieses auch gehört. In dem Fall wird dieses nämlich Betriebsvermögen und eine Wertsteigerung von Beginn bis Ende der BASP wären dann steuerpflichtig.
In Ihrem Fall ist es aber so, dass die Anteile an der neuen GmbH Betriebsvermögen des sogenannten Besitzunternehmens werden. Das Besitzunternehmen ist im steuerlichen Sinne "der Vermieter" der Räume, auch wenn diese nur privat angemietet sind und dann der GmbH (unentgeltlich) zur Nutzung überlassen werden. Entsteht die BASP so werden die Anteile an der GmbH mit dem Verkehrswert in das Betriebsvermögen des Besitzunternehmens eingelegt. Kommt es später zu einer Beendigung der BASP, zum Beispiel, weil die GmbHs eigene Räumlichkeiten anmieten und dadurch die sachliche Verflechtung gelöst wird, wird auch das Besitzunternehmen beendet. Damit scheiden dann die Anteile aus dem Betriebsvermögen aus und müssen mit dem Verkehrswert in das Privatvermögen überführt werden. Sind nur in der Zwischenzeit Wertsteigerungen eingetreten, so müssten diese dann auf Ebene des Gesellschafters versteuert werden.
Ein Arbeitszimmer bei Ihnen anzusetzen wird schwierig sein, weil Ihnen in den Räumen der GmbH ja ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Homeoffice-Pauschale wäre aber möglich, wobei Sie plausibel machen müssten, dass Sie eben von zuhause und nicht im Büro der Gesellschaft gearbeitet haben. Am besten einen Kalender dafür führen.
Ansonsten würde ich die Mitnutzung des Büros durch die Holding schriftlich festhalten. Sonst droht Ihnen im Zweifel eine verdeckte Gewinnausschüttung bzw. eine Diskussion mit dem Prüfer des Finanzamtes, weil eine schriftliche Vereinbarung fehlt.
Stille Reserven entstehen insoweit nicht bzw. da die Holding ohnehin 100% Gesellschafterin der operativen GmbH ist, wären die Anteile ja ohnehin steuerverhaftet (=Betriebsvermögen der GmbH).
Viele Grüße!
haben Sie vielen Dank für Ihre ausführliche Erklärungen, ich verstehe den Sachverhalt nun.
Beide Gesellschaften sind aktuell in Gründung und für das Handelsregister an meiner Wohnanschrift gemeldet. Weder der Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ist ausgefüllt noch die Gewerbeanmeldung ist erfolgt, das sind die nächsten Schritte. Geschäftsaktivitäten abgesehen vom Gründungsprozess (Notar, Bank) sind noch nicht erfolgt. Kann ich nun ohne steuerliche Konsequenzen ein nahegelegenes Büro von der operativen Gesellschaft anmieten und die Firmenanschrift ändern? Sollte der Adresswechsel der Gesellschaften vor dem Ausfüllen des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung erfolgen, oder ist die Reihenfolge egal?
Vielen Dank und Grüße,
Die Sitzverlegung muss ja notariell erfolgen und beim Handelsregister angemeldet werden (ebenso beim Gewerbeamt angezeigt werden). Von daher sollten Sie die Eintragung abwarten. Sofern das zeitnah erfolgen kann, machen Sie es vor dem Ausfüllen des Fragebogens, denn dann können Sie dort gleich die neue Anschrift mitteilen.
Ansonsten: der Zeitraum zwischen Beginn der BASP und Ende (Bezug fremdes Büro) ist ja extrem kurz, sodass eine Wertsteigerung der GmbH-Anteile in diesem Zeitraum zu vernachlässigen wären.
Viele Grüße!