Grenzgestaltung (Bau- und Nachbarrecht Baden-Württemberg)
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren
Zu folgendem Sachverhalt benötigen wir Ihren Rat hinsichtlich Bau- und Nachbarrecht (Baden-Württemberg / Rhein-Neckar-Kreis):
Unser Grundstück (A) grenzt gartenseitig an den Gartenbereich von Grundstück (B), das neu bebaut werden soll (EFH plus Pool).
Derzeit ist Grundstück B bereits ca. 0,15m höher als A. Die Einfriedung besteht größtenteils aus einem alten Maschendrahtzaun sowie an einer Ecke aus einer alten Mauer (Höhe ca. 205 cm von A gesehen).
Grundstück B fällt zur Grenze hin leicht ab und soll daher aufgeschüttet und mit L-Steinen abgesichert werden (in Höhe von 0,4m an der Grenze). Darüber soll eine Mauer/Zaun mit Sichtschutz errichtet werden.
In einem ersten Gespräch mit den Bauherren haben diese ihr Interesse geäußert, sich mit uns auf eine Einfriedung (L-Steine plus Mauer o.Ä.) direkt auf / an der Grenze zu einigen.
1) Ist folgende Einschätzung der Situation korrekt?
1.1) Nach NRG darf diese Einfriedung 1,50m hoch sein, bezogen auf das Grundstücksniveau A, wenn sie direkt an der Grenze steht. Also 0,15m alte Aufschüttung plus 0,4m neue Aufschüttung plus 0,95m Mauer o.Ä.
1.2) Eine über die 0,95m hinausgehende Mauer o.Ä. wäre nur möglich, wenn ein entsprechender Abstand von der Grenze eingehalten wird: Bei einer 2m hohen Mauer also 1,15m Abstand.
2) Gibt es aus baurechtlicher Sicht hier weitere Einschränkungen? Einen Bebauungsplan gibt es laut Bauamt hier nicht. Die Pläne wurden genehmigt, allerdings war für uns bei der Einsicht im Bauamt nicht erkennbar, in welcher Höhe eine Aufschüttung erfolgen soll.
3) Im Gespräch hatten die Bauherren die Möglichkeit erwähnt, die Grundstückserhöhung und die Mauer/Sichtschutz insgesamt auf die Höhe unserer Eck-Mauer (also ca. 2,05m vom Grundstücksniveau A bzw. ca. 1,9m von B) zu bringen. Hierzu haben wir sie um genauere Pläne gebeten, die bisher aber nicht vorliegen.
Hierzu:
3.1) In welcher Form sollte eine solche Vereinbarung getroffen werden, müsste vorab bspw. noch eine Vermessung stattfinden?
3.2) Falls wir uns nicht einigen können, bevor die Bauarbeiten beginnen oder falls die vereinbarten Maße nicht eingehalten werden (wir haben bspw. Zweifel, ob die L-Steine in 0,4 m Höhe wirklich reichen): Welche Möglichkeiten haben wir, die Baumaßnahmen zu beeinflussen oder gar zu stoppen?
Herzlichen Dank vorab für Ihre Einschätzung hierzu.
Beste Grüße
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Antwort von Rechtsanwalt Karlheinz Roth
Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt beantworte:
Da es nach Ihren Angaben keinen Bebauungsplan gibt, richtet sich die Rechtslage nach dem NRG BW sowie hinsichtlich der Abstandsfläche nach der LBO BW..
1) Ist folgende Einschätzung der Situation korrekt?
1.1) Nach NRG darf diese Einfriedung 1,50m hoch sein, bezogen auf das Grundstücksniveau A, wenn sie direkt an der Grenze steht. Also 0,15m alte Aufschüttung plus 0,4m neue Aufschüttung plus 0,95m Mauer o.Ä.
1.2) Eine über die 0,95m hinausgehende Mauer o.Ä. wäre nur möglich, wenn ein entsprechender Abstand von der Grenze eingehalten wird: Bei einer 2m hohen Mauer also 1,15m Abstand.
Aus der Formulierung ergibt sich, dass die Einfriedung auch höher als 1,50 m sein darf. In diesem Fall vergrößert sich der Abstand entsprechend der Mehrhöhe, außer bei Drahtzäunen und Schranken.
Bei einer 2 m hohen Mauer beträgt der Grenzabstand 0,50 m nach § 11 (1) Satz 1 und weitere 0,50 m nach § 11 (2) NRG BW.
2) Gibt es aus baurechtlicher Sicht hier weitere Einschränkungen? Einen Bebauungsplan gibt es laut Bauamt hier nicht. Die Pläne wurden genehmigt, allerdings war für uns bei der Einsicht im Bauamt nicht erkennbar, in welcher Höhe eine Aufschüttung erfolgen soll.
Nach meiner Auffassung nicht, weil die Pläne von der zuständigen Baubehörde genehmigt worden sind.
Umstritten ist, inwieweit Stützmauernk, die auf oder an einer Grundstücksgrenze stehen, unter den Begriff der Einfriedung fallen. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn auf der dem höher gelegenen Grundstück zugewandten Seite auf der gesamten Mauerlänge das Erdreich bis unmittelbar an die Krone der Mauer oder nur unwesentlich niedriger aufgefüllt worden ist. Für sie gelten, wenn es sich um bauliche oder diesen gleichgestellte Anlagen handelt, die Vorschriften des Bauordnungsrechts (§ 6 LB= BW).
3) Im Gespräch hatten die Bauherren die Möglichkeit erwähnt, die Grundstückserhöhung und die Mauer/Sichtschutz insgesamt auf die Höhe unserer Eck-Mauer (also ca. 2,05m vom Grundstücksniveau A bzw. ca. 1,9m von B) zu bringen. Hierzu haben wir sie um genauere Pläne gebeten, die bisher aber nicht vorliegen.
Hierzu:
3.1) In welcher Form sollte eine solche Vereinbarung getroffen werden, müsste vorab bspw. noch eine Vermessung stattfinden?
Vereinbarungen mit Nachbarn sollten stets in schriftlicher Form erfolgen unter Beteiligung eines Anwaltes, damit die Rechtslage entsprechend abgebildet wird.
Wenn die Grenzverläufe nicht eindeutig sind, empfiehlt sich auf jeden Fall eine Vermessung.
3.2) Falls wir uns nicht einigen können, bevor die Bauarbeiten beginnen oder falls die vereinbarten Maße nicht eingehalten werden (wir haben bspw. Zweifel, ob die L-Steine in 0,4 m Höhe wirklich reichen): Welche Möglichkeiten haben wir, die Baumaßnahmen zu beeinflussen oder gar zu stoppen?
In diesem Fall müssten Sie Widerspruch gegen die Baugenehmigung des Nachbarn erheben. Hier ist die einmonatige Frist für den Widerspruch zu beachten, nachdem die Baugenehmigung Ihnen bekanntgegeben worden ist.
Ich hoffe, dass ich Ihnen in der Sache weiterhelfen konnte. Fragen Sie gerne nach, wenn etwas unklar geblieben ist, damit Sie hier zufrieden aus der Beratung gehen.
Einer positiven Bewertung sehe ich entgehen.
Gerne höre ich von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz Roth
- Rechtsanwalt und zertifizierter Testamentsvollstrecker -
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Vielen Dank für Ihre hilfreichen Antworten!
Folgende drei kleinere Punkte sind uns noch unklar:
Zu "Bei einer 2 m hohen Mauer beträgt der Grenzabstand 0,50 m nach § 11 (1) Satz 1 und weitere 0,50 m nach § 11 (2) NRG BW.": Nach unserem Verständnis bezieht sich § 11 (1) Satz 1 auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. Gilt dies auch für Gärten, die zu Einfamilienhäusern gehören? Wenn nicht, könnte in 0,5 m Abstand tatsächlich eine 2 m hohe Mauer auf einer bspw. 1m hohen Stützmauer errichtet werden?
Zu "Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn auf der dem höher gelegenen Grundstück zugewandten Seite auf der gesamten Mauerlänge das Erdreich bis unmittelbar an die Krone der Mauer oder nur unwesentlich niedriger aufgefüllt worden ist.": Ist das Urteil des OLG Karlsruhe vom 13.02.2008 - 6 U 79/07 mit seiner Feststellung eher eine Ausnahme oder inzwischen überholt? Dort heißt es ja "1. Eine an der Grundstücksgrenze errichtete Mauer verliert ihren Charakter als tote Einfriedung im Sinne des § 11 NRG BW nicht dadurch, dass auf dem Grundstück des Errichtenden der Boden bis an die Oberkante der Mauer durch Aufschüttung erhöht wird und die Mauer (nunmehr) das Nachbargrundstück nach §§ 9, 10 NRG gegen Schädigungen, die von der Erhöhung ausgehen, sichert."
Zu "In diesem Fall müssten Sie Widerspruch gegen die Baugenehmigung des Nachbarn erheben." Die Baugenehmigung wurde schon vor einiger Zeit erteilt und enthielt unseres Wissens keine präzisen Angaben zur Aufschüttung oder zur Einfriedung insgesamt. Daher ist die Frage eher, welche Möglichkeiten bestehen, nachträgliche Vereinbarungen zwischen uns und den Bauherren durchzusetzen.
Vielen Dank vorab für eine abschließende Klärung und beste Grüße!
vielen Dank für Ihren Nachtrag.
Zu "Bei einer 2 m hohen Mauer beträgt der Grenzabstand 0,50 m nach § 11 (1) Satz 1 und weitere 0,50 m nach § 11 (2) NRG BW.": Nach unserem Verständnis bezieht sich § 11 (1) Satz 1 auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. Gilt dies auch für Gärten, die zu Einfamilienhäusern gehören? Wenn nicht, könnte in 0,5 m Abstand tatsächlich eine 2 m hohe Mauer auf einer bspw. 1m hohen Stützmauer errichtet werden?
Sie haben selbstverständlich Recht. Nach dem Nachbarrecht in Ihrem Bundesland ist es maßgeblich, ob die tote Einfriedigung den erforderlichen Abstand zum Nachbargrundstück einhält oder nicht. Gegen die Stützmauer wäre dann aus meiner Sicht nichts einzuwenden.
Zu "Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn auf der dem höher gelegenen Grundstück zugewandten Seite auf der gesamten Mauerlänge das Erdreich bis unmittelbar an die Krone der Mauer oder nur unwesentlich niedriger aufgefüllt worden ist.": Ist das Urteil des OLG Karlsruhe vom 13.02.2008 - 6 U 79/07 mit seiner Feststellung eher eine Ausnahme oder inzwischen überholt? Dort heißt es ja "1. Eine an der Grundstücksgrenze errichtete Mauer verliert ihren Charakter als tote Einfriedung im Sinne des § 11 NRG BW nicht dadurch, dass auf dem Grundstück des Errichtenden der Boden bis an die Oberkante der Mauer durch Aufschüttung erhöht wird und die Mauer (nunmehr) das Nachbargrundstück nach §§ 9, 10 NRG gegen Schädigungen, die von der Erhöhung ausgehen, sichert."
Nach meiner Kenntnis ist das Urteil nicht überholt. Darüber hinaus geht es ja um eine juristische Auffassung, die man auch hätte anders beurteilen können.
Zu "In diesem Fall müssten Sie Widerspruch gegen die Baugenehmigung des Nachbarn erheben." Die Baugenehmigung wurde schon vor einiger Zeit erteilt und enthielt unseres Wissens keine präzisen Angaben zur Aufschüttung oder zur Einfriedung insgesamt. Daher ist die Frage eher, welche Möglichkeiten bestehen, nachträgliche Vereinbarungen zwischen uns und den Bauherren durchzusetzen.
Wenn eine vertragliche Abrede getroffen wird, bei der beide Parteien unterzeichnen, muss sich jede Partei daran festhalten lassen. Dies hat zur Folge, dass bei einem Verstoß gegen diese Vereinbarung dann auch gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
RA K. Roth
Anscheinend waren unsere Rückfragen missverständlich, daher nochmal ganz kurz:
Zu "Bei einer 2 m hohen Mauer beträgt der Grenzabstand 0,50 m nach § 11 (1) Satz 1 und weitere 0,50 m nach § 11 (2) NRG BW.": Nach unserem Verständnis bezieht sich § 11 (1) Satz 1 auf *landwirtschaftlich* genutzte Flächen. Gilt dies auch für *Gärten*, die zu Einfamilienhäusern gehören?
Die Frage, ob die Höhe von Stützmauern zur Höhe der gesamten Einfriedung gerechnet werden kann, lässt sich hier demnach nicht abschließend klären, auch wenn die Tendenz anscheinend zu "nein" geht. Korrekt?
Beste Grüße
Gärten, die zu Einfamilienhäuser gehören, stellen keine landwirtschaftlich genutzten Flächen dar. Bei Letzterem geht es um Acker-, Dauerkulutur- und Dauerweideflächen.
Ihre zuletzt gestellte Frage ist zu bejahren.
Mit freundlichen Grüßen
RA K. Roth