Gewerbesteuer § 9 (1) Satz 2, Erweiterte Kürzung
Fragestellung
Hallo Herr Thomas,
ich habe folgendes Problem, ich bin seit 2014 Gesellschafter einer GmbH, die ausschließlich 2 eigenen Häuser besitzt und kurzfristig an dauernd wechselnde Feriengäste vermietet. Bisher gab es auf Grund hoher Zinsen und Abschreibungen nur Verluste. Im Jahr 2018 wurde eines der Häuser verkauft. Es ergibt sich hieraus für das Jahr 2018 insgesamt ein positives Jahresergebnis. Andere gewerbliche Tätigkeiten werden nicht ausgeübt.
Frage 1:
Kann für diesen Gewerbeertrag die erweiterte Kürzung auf Antrag gem. § 9 (1) Satz 2 GewStG in Anspruch genommen werden?
Nun wird demnächst das zweite und letzte Haus der GmbH veräußert. Auch hier entsteht ein hoher Gewinn.
Frage 2:
Um den erweiterten Kürzungsbetrag zu bekommen, muss nun das Haus
Alternative 1:
zum Ende des Wirtschaftsjahres (z. B. 31.12.2018 o. 2019) veräußert werden, um das Erfordernis „im gesamten Wirtschaftsjahr“ zu erfüllen?
Alternative 2:
Irgendwann im Laufe eines KJ veräußert werden, aber dann am gleichen Tage die Liquidation zu beginnen, um auch hier das Erfordernis „im gesamten Wirtschaftsjahr“ zu erfüllen?
Danke für eine Info.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Steuerberater Bernd Thomas
Sehr geehrter Herr Kollege,
vielen Dank für die Anfrage.
Die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung bei Grundstücksunternehmen müssen während des gesamten Erhebungszeitraums vorliegen (R 9.2 Abs. 1 Satz 3 GewStR).
Ausnahmen vom Gebot der Ausschließlichkeit in zeitlicher Hinsicht bestehen grundsätzlich nicht.
Der während des Erhebungszeitraums vorgenommene Verkauf des einzigen und letzten Grundstücks einer bis zu diesem Zeitpunkt als Grundstücksverwaltungsgesellschaft tätigen GmbH schließt die erhöhte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für den Erhebungszeitraum aus (BFH vom 20. 1. 1982 – BStBl II S. 478, H 9.2 Abs. 1 EStH).
Nachfolgende Tätigkeiten zur Abwicklung der Grundstücksveräußerung können nicht als Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes angesehen werden. Allerdings kann bei unterjähriger Veräußerung des letzten oder einzigen Grundstücks die erweiterte Gewerbesteuerkürzung dann gewährt werden, wenn in direktem zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung die Geschäftstätigkeit eingestellt und die Gesellschaft liquidiert wird (vgl. Schnitter, G. in Frotscher/Drüen, GewStG § 9, Rz. 58a).
Einem Grundstücksunternehmen ist die erweiterte Kürzung zu gewähren, wenn es sein einziges Grundstück zum 31.12., 23.59 Uhr, des Erhebungszeitraums veräußert, die fehlenden Minute gilt dann als rechtstechnisches Element, ähnlich der sog. juristischen Sekunde (ebenda, Rz. 59, BFH vom 11. 8. 2004 – BStBl II S. 1080, H 9.2 Abs. 1 EStH).
Somit kommen beide von Ihnen dargestellten Varianten in Frage, die Veräußerung zum 31.12., 23:59 Uhr oder die unmittelbar auf die Veräußerung folgende Beendigung der werbenden Gesellschaft mit sofortigem Übergang zur Liquidation. Die Veräußerung zum 31.12. ist rechtssicher, da dies in den Gewerbesteuerhinweisen erwähnt ist und die Verwaltung der Selbstbindung unterliegt. Zudem wäre ein Beginn des Liquidationszeitraums zum 01.01. des Folgejahres auch aus praktischen Erwägungen vorzuziehen. Somit würde ich diese Variante empfehlen.
Gerne stehe ich Ihnen für Rückfragen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Thomas
Steuerberater
P.S.: Ich hätte Sie gerne namentlich angesprochen, aber die Software lässt das nicht zu.
Dipl.-Kaufmann (FH) Bernd Thomas, Steuerberater, Neustadtswall 85, 28199 Bremen, bernd.thomas@yahoo.de, Tel. und Fax 0421 70905588, Mobil 0163 9632333, USt-IdNr. DE316948369, Mitglied der Hanseatischen Steuerberaterkammer Bremen, Registernummer 111705, Berufshaftpflichtversicherung bei R+V Allgemeine Versicherung AG, Mittlerer Pfad 24, 70499 Stuttgart, Versicherungssumme: 250.000 Euro für den einzelnen Schadensfall; Jahreshöchstleistung: 1.000.000 Euro (für alle Schäden eines Versicherungsjahres)
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Mit koll. Grüßen
I.K.
Antwort des Experten: Sehr geehrter Herr Kollege,
ich habe noch eine Rückfrage offen, ich melde mich deswegen morgen früh!
Vielen Dank!
vielen Dank für Ihre Antwort. Genau so sehe ich die Sachlage auch. Allerdings habe ich die Meinung eines anderen Kollegen zur Alternative 2, bei der er gewisse Vorsichtsbedenken hegt.
Ein BFH-Urteil (I R 6/13) trägt folgenden Leitsatz:
Bei unterjähriger Veräußerung des einzigen Grundstücks einer grundstücksverwaltenden GmbH kommt mangels ausschließlicher Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Betracht. Bemühungen um den Erwerb eines neuen Grundstücks zur Fortsetzung der Grundstücksverwaltung sind nicht als Grundstücksverwaltung anzusehen.
Klar: Nur bemühen ist zu wenig.....
Außerdem hat der BFH mit Urteil vom 19.10.2010, I R 1/10, BFH/NV 2011, 841 entschieden, dass einem Grundstücksunternehmen nach Veräußerung des letzten Grundstücks auch dann keine erweiterte Kürzung zusteht, wenn es fortan keiner anderweitigen Tätigkeit mehr nachgeht.
Anmerkung: Das würde Sie ja bei einer Liquidation auch nicht tun oder wird die Liquidation hier als "anderweitige Tätigkeit" angesehen.
Also empfiehlt er ausschließlich aus Gründen außerordentlicher Vorsicht die Alternative 1, da er bei der Alternative 2 die Gefahr sieht, dass das FA die Auffassung vertreten wird, dass die GmbH während der Liquidation kein Grundstücksunternehmen mehr ist.
Allerdings könnte man hier der Auffassung sein, dass die "iL" nichts mehr mit der "werbenden" GmbH gemein hat und somit wie auch von Ihnen vertreten, auch die erweiterte Kürzung bei unterjähriger Veräußerung und unmittelbar folgender Liquidation erhält.
Was meinen Sie?
Mit freundlichen Grüßen
Sie wollten sich noch kurz wegen meiner Nachfrage melden...
Mit freundlichen Grüßen
I. K.
Steuerberater, vBP
entschuldigen Sie die verspätete Rückmeldung.
Wenn aufgrund der Liquidation ein Rumpfgeschäftsjahr entsteht, kann auch das Kriterium "im gesamten Geschäftsjahr" erfüllt werden. Allerdings hat man dann eben abweichende Geschäftsjahre, die aus Praktikersicht eher unschön sind.
Ich würde aber, soweit möglich, die Variante 1 wählen. Die Variante 1 ist auch in den Richtlinien erwähnt und somit wasserdicht.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Thomas
Steuerberater
nun ist es soweit, aber keiner kann einem sagen wie man bei der Alternative 1. eine Veräußerung zum 31.12.2019 23:59,99 Uhr hin bekommt. Das schreibt der Notar:
1.
Der zivilrechtliche Übergang von Grundstückseigentum erfolgt mit Eintragung des neuen Eigentümers als solcher im Grundbuch. Voraussetzung für die Eintragung eines neuen Eigentümers im Grundbuch ist insbesondere (neben der Zahlung des Kaufpreises usw.) die Zahlung der Grunderwerbsteuer und das Vorliegen der entsprechenden Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes.
Ob das Finanzamt rechtzeitig, also sehr kurzfristig einen Grunderwerbsteuerbescheid erlässt, der Käufer die Grunderwerbsteuer dann umgehend bezahlt, das Finanzamt mir die notwendige Unbedenklichkeitsbescheinigung über die Zahlung der Grunderwerbsteuer noch vor Jahresende zuleitet, ich diese dann rechtzeitig vor dem 31.12.2019 dem Grundbuchamt einreichen kann und das Grundbuchamt dann auch noch in diesem Jahr die Umschreibung vornimmt, kann ich nicht sicher beurteilen, da hier eine Vielzahl von Voraussetzungen gegeben sind, auf die von hier aus kein Einfluß genommen werden kann. Die normale Dauer für den Erlaß des Grunderwerbsteuerbescheides liegt derzeit bei 1 bis 2 Monaten. Ob das Finanzamt einer Bitte um umgehenden Erlaß eines Grunderwerbsteuerbescheides nachkommt, kann ich nicht sicher beurteilen. Erst Recht kann ich nicht beurteilen, ob und wann der Käufer die Grunderwerbsteuer zahlt. Grundsätzlich hat er hierfür einen Monat Zeit. Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, dass ich nicht beurteilen kann, ob in diesem Jahr noch die Eigentumsumschreibung erfolgt. Grundsätzlich halte ich dies allerdings für zweifelhaft.
2.
Einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises haben Sie mit wirksamer Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages.
Die Fälligkeit des Kaufpreises richtet sich nach den im Vertrag auszuformulierenden Voraussetzungen. Wenn in den Kaufvertrag aufgenommen wird, dass der Kaufpreis beispielsweise am 30.12.2019 zu zahlen ist, so besteht zu diesem Zeitpunkt eine wirksame und fällige Kaufpreisforderung. Dies könnte allenfalls daran scheitern, dass Ihre wahrscheinlich im Grundbuch noch eingetragene Bank nicht rechtzeitig die erforderlichen Löschungsunterlagen hergibt.
Die für die Fälligkeit außerdem noch erforderliche Auflassungsvormerkung wird in aller Regel innerhalb von 1 – 2 Wochen nach Vertragsschluß vom Grundbuchamt eingetragen. Deren Eintragung sollte also bei zeitnaher Beurkundung möglich sein.
3.
Besitzübergang, d. h. der Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft und damit der Übergang von Kosten, Lasten aber auch Nutzungen von der Verkäuferin auf den Käufer wird in aller Regel so gestaltet, dass dieser am Tage oder am Tage nach vollständiger Kaufpreiszahlung erfolgt. Der Besitzübergang ließe sich danach aller Wahrscheinlichkeit nach so gestalten, dass dieser noch in diesem Jahr erfolgt. Der Eigentumsübergang (siehe oben Ziffer 1) dürfte dagegen eher schwierig in diesem Jahr zu realisieren sein.
Ob und welche steuerlichen Konsequenzen dies zur Folge hat, ob also der Besitzübergang in diesem Jahr für die von Ihnen verfolgten steuerlichen Zwecke ausreichend ist, oder ob zwingend auch der Eigentumsübergang erforderlich ist, kann ich nicht beurteilen, so dass ich insoweit keine steuerliche Beratung vornehmen kann.
Sollten wir einmal telefonieren, ich könnte Sie kostenpflichtig anrufen.
VG
I. K.
Steuerberater, vBP