Fristlose verhaltensbedingte Kündigung
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Wöhler,
zu nachfolgendem Sachverhalt bitte ich um Ihre Stellungnahme:
Ich bin Inhaberin einer Steuerberatungskanzlei und beschäftige derzeit sieben Mitarbeiter (davon zwei Minijobber).
Einer meiner Mitarbeiter hat sich während meiner Abwesenheit bei einer von ihm zu betreuenden Mandantin so unangemessen benommen, dass die Mandantin (Neumandat, Unternehmerin) postwendend gekündigt hat.
Die Dame war sehr aufgebracht, warf meinem Mitarbeiter (ihr Sachbearbeiter) vor, dass er sie sehr provozierend behandelt hatte und auf Rückfragen, wie er bestimmte Sachverhalte verbucht hätte, meinte, dass wir hier "vom Fach" sind und sie ihn nicht zu kontrollieren hätte. Das Ganze eskalierte dann ziemlich, bezüglich Niveau und Lautstärke.
Das Ergebnis war die Kündigung des Mandats und sehr unschöne Anwürfe der Mandantin per E-Mail an mich. Auch erschien die Dame persönlich im Büro und äußerte erneut ihr Entsetzen über das Verhalten des Mitarbeiters.
Da der Mitarbeiter (Tätigkeitsbeginn August 2017) sich gerade im Urlaub befindet und ich erst am Freitag (20.04.) von den Vorkommnissen so erfuhr, ist eine Konfrontation nicht möglich.
Da der Mitarbeiter aber eine sehr schwierige und narzistische Persönlichkeit hat und andere Mitarbeiter die Heftigkeit der Auseinandersetzung bestätigt haben, ist fest davon auszugehen, dass der Verlauf des Gesprächs so statt gefunden hat.
Da er sich in vielen Bereichen, die ich schon mehrfach mit ihm diskutiert habe, nicht in die branchen- und kanzleiüblichen Arbeitsweisen einfinden möchte, ist dieses geschäftsschädigende Verhalten für mich nun Anlass genug, ihn fristlos zu kündigen.
Das Vertrauen zu ihm ist vollständig abhanden gekommen und der Betriebsfrieden sowie der Ruf der Kanzlei ist nachhaltig in Gefahr.
Zudem hatte kurz zuvor ein weiterer Mandant, der 15 Jahre Mandant war und erstmals in 2017 von ihm betreut wurde, ebenfalls gekündigt.
Allerdings kommt der Mitarbeiter erst am 07.05. vom Urlaub zurück und ich habe große Zweifel, dass er sich an die sofortige Rückgabe der Büroschlüssel hält. Insbesondere, wenn er die Kündigung am Wochenende nach Urlaubsrückkehr zu Hause vorfindet, befürchte ich, dass er ins Büro kommt und versucht, Daten zuziehen. ..
Wie stelle ich eine fristgerechte Kündigung aus während seiner Urlaubsabwesenheit?
Ist es ein Problem, wenn der Mitarbeiter erst nach seiner Urlaubsrückkehr die fristlose Kündigung erhält ( dann kann ich persönlich die Schlüssel kassieren), obwohl meine Kenntnis des fristlosen Kündigungsgrund mehr als zwei Wochen zurückliegt?
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
B. D.
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Antwort von Rechtsanwalt Oliver Wöhler
Sehr geehrte Ratsuchende,
ich danke für Ihre Anfrage.
Zunächst einmal würde ich Ihren Entschluss unterstützen hier eine fristloste Kündigung auszusprechen, allerdings sollte man zur Sicherheit immer fristlos mit sofortiger Wirkung und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen. Für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB muss immer ein wichtiger Grund vorliegen. Der Sachverhalt muss also ausreichend sein um eine Kündigung zu rechtfertigen und darüber hinaus folgt immer eine Prüfung im Einzelfall. Hier müsste man den Sachverhalt letztlich weiter aufklären aber ganz grundsätzlich kann unangemessenes Verhalten gegenüber Kunden oder Mandanten ein Grund sein.
Sie haben generell zwei Möglichkeiten: Sie hören den AN nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub an um erst dann eine Entscheidung zu treffen. Die 14 Tage Frist aus § 626 II BGB beginnt erst wenn der AG seine Ermittlungen abgeschlossen hat, was er aber zügig tun muss. Eine Anhörung des AN ist immer möglich, egal ob diese für die Entscheidung wesentliche Erkenntnisse bringt oder nicht. Nachteil ist das Zeit vergeht. Wirksam wird die Kündigung erst mit Zugang. Sie müssten den AN dann nach dem Urlaub (7.5.?) anhören und dann entscheiden ob Sie fristlos kündigen. Das wäre aber die Möglichkeit ihm die Kündigung persönlich zu übergeben. Weiterer Nachteil ist das Restrisiko im Hinblick auf die 14 Tage Frist, weil diese ja rechnerisch abgelaufen wäre. Ein besonderes Risiko sehe ich aber nicht weil gerade bei solchen Sachverhalten wie hier der AG das Recht hat den AN persönlich zu den Vorwürfen zu hören, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Die Anhörung muss in der Regel binnen einer Woche erfolgen, bei Ihnen natürlich binnen einer Woche nach Rückkehr (BAG vom 20.3.2014, 2 AZR 1037/12).
Oder aber Sie kündigen bereits jetzt. Es ist ständige Rechtsprechung des BAG das die Kündigung dem AN auch zugeht wenn er Sie wegen des Urlaubs nicht zur Kenntnis nehmen kann. Darauf kommt es aber für den Zugang nicht an, sondern auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme an. Die Kündigung geht dem AN also ohne weiteres zu wenn Sie jetzt kündigen, wobei Sie, wie immer, den Zugang nachweisen müssen. Ich rate immer dazu die Kündigung per Boten beim AN in den Briefkasten werfen zu lassen, wobei der Bote natürlich den Inhalt des Briefes kennen muss. Sie könnten also sofort kündigen und das Arbeitsverhältnis würde entsprechend auch mit dem Tag des Zugangs beendet. Sie müssen natürlich entscheiden aber ich denke das es Möglichkeiten gibt um einen Mißbrauch zu verhindern, wie etwa die Sperrung seines Zugangs. Sie sind bei einer sofortigen Kündigung auch mit der Frist auf der ganz sicheren Seite.
Rechtlich sind beide Varianten aber möglich. Sollte der AN Kündigungsschutzklage erheben müsste man sich aber mit den Details auseinandersetzen. Da Sie eine Kleinbetrieb im Sinne des KSchG sind, wäre streitig ohnehin nur die Frage ob ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, denn gegen die ordentliche Kündigung mit der vertraglichen bzw. gesetzlichen Frist hätte der AN keinen Rechtsschutz. Wenn man das im Hinterkopf hat, spricht am Ende aus meiner Sicht mehr für eine sofortige Kündigung, weil die hilfsweise ordentliche Kündigung noch zum 31.5.2018 möglich wäre, unterstellt es gilt die gesetzliche Frist von 4 Wochen. Übergeben Sie die Kündigung erst am 7.5. wäre das nicht mehr möglich. Gerade im Fall einer Klage wird sich ja häufig darauf verständigt das man das Arbeitsverhältnis mit der ordentlichen Kündigung beendet.
Ich sage nicht, dass es so kommen muss aber das ist die Erfahrung.
Für Rückfragen und eine weitere Vertretung stehe ich bei Bedarf gerne zur Verfügung, hier entstandene Kosten werden angerechnet.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Wöhler, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Familienrecht
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