Frage zur Vergütungsvereinbarung
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Dr. Grass,
Erstens möchte ich meine Situation näher darstellen. Ich bin derzeit als Oberarzt in einer Fachklinik tätig und zum Ende März habe ich meinen Arbeitsvertrag gekündigt wegen einer neuen, besseren Position als Chefarzt in einer anderen Klinik. Die Kündigungsfrist ist im Arbeitsvertrag mit 6 Monaten geregelt, also bis zum Ende September. Mein Antrag auf Aufhebungsvertrag zum 30.6.2019 wurde abgelehnt.
Mein Arbeitgeber hat mir die Vergütungsvereinbarung für den laufenden Jahr 2019 erst am 25.04.2019 vorgelegt und mit dem Datum 18.04.2019 datiert. Damit, das es keine Gehaltserhöhung erfolgen wird habe ich von Anfang an gerechnet. Die mir vorgelegten Bonusziele, besonders die Individualziele, gefallen mir jedoch überhaupt nicht.
Z.B. wurde als einziger Individualziel das Erreichen des absoluten EBIT des für den Arbeitgeber geltenden Wirtschaftsplan vorgegeben. Dieser Ziel ist von meiner Position nicht im geringsten Anteil beeinflussbar). Ich habe ein bisschen im Internet recherchiert und folgende Stellungnahme gefunden.
„Nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hatte, ist die Festlegung von Zielen nicht mehr möglich. Ziele können zwar an sich auch für einen vergangenen Zeitraum formuliert werden. Eine Zielvereinbarung, die bei Zielerreichung einen Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Bonus begründet, kann entsprechend dem Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion aber nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kennt und weiß, auf das Erreichen welcher persönlicher oder unternehmensbezogener Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert legt und deshalb bereit ist, bei Erreichen dieser Ziele den zugesagten Bonus zu zahlen.“
„Dass der Arbeitgeber die Unmöglichkeit zu vertreten hat, wird gesetzlich vermutet. Es ist also die Sache des Arbeitgebers darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer die fehlende Zielvereinbarung verursacht hat. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat und sich der Arbeitnehmer hierzu in keiner Weise geäußert hat. Oder die Zielvereinbarung sieht vor, dass die Initiative zur Zielvereinbarung nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Arbeitnehmer auszugehen hat.“
„Die Höhe des Schadensersatzes richtet sich nach Ansicht des BAG nach der Höhe des Zielbonus. Generell ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele auch erreicht hätte. Daher erhält der Arbeitnehmer in der Regel den vollen Bonus als Schadensersatz.“
Die Vergütungsvereinbarung sollte in meinem Fall nach Arbeitsvertrag und Vergütungsvereinbarung vom 2018 bis zum 31.03.2019 vereinbart. Ich vermute, dass der Arbeitgeber zu dem Zeitpunkt bereits geahnt hatte, dass ich kündigen will, und eine Gehaltserhöhung, die sonst in jedem vorherigen Jahr vereinbart wurde, vermeiden wollte.
Meine Frage ist, kann ich die mir vorgelegte Bonusvereinbarung ablehnen und auf einem Schadensersatz bestehen?
Mit freundlichen Grüßen,
Jan L.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Silvana Grass
Sehr geehrter Ratsuchender,
wenn ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe (falls dies nicht zutrifft korrigieren Sie mich bitte), dann haben Sie im Arbeitsvertrag die „Verpflichtung“ enthalten, eine Zielvereinbarung zu treffen, was letztlich jedoch zunächst unterblieben ist.
Wurde die Zielvereinbarung nicht getroffen, weil es der Arbeitgeber „vergessen“ hat, dann liegt die Verantwortung bei diesem, was zu einer Haftung des Arbeitgebers führt. Er macht sich dann schadensersatzpflichtig. Die Höhe des Schadens bemisst sich an dem zugesagten Bonus, der ggf. geschätzt werden muss (§ 252 BGB).
Allerdings muss folgendes beachtet werden: Da es sich bei der Zielvereinbarung um einen zweiseitigen Vertrag, also zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, handelt, trägt auch der Arbeitnehmer eine gewisse Verantwortung, wenn die Zielvereinbarung nicht zustande kommt. Dem Nichtzustandekommen ist auch die Nichterreichbarkeit der Ziele gleichzusetzen. Dabei ist es nicht relevant, ob die Ziele wegen der Kürze der Zeit nicht erreichbar sind oder aus anderen Gründen.
Vom Arbeitnehmer wird insofern erwartet, dass er den Arbeitgeber zumindest auffordert, eine (erreichbare) Zielvereinbarung zu treffen. Wenn der Arbeitnehmer dies unterlässt, geht man von einem Mitverschulden des Arbeitnehmers am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung aus (§ 254 BGB). Dieses Mitverschulden führt dann letztlich dazu, dass der Schadensersatzanspruch gemindert wird.
Ich hoffe, Ihnen verständlich einen Überblick im Rahmen des Auftrages erteilt zu haben. Falls es weitere Fragen geben sollte, teilen Sie dies bitte mit.
Mit freundlichen Grüßen
RA Grass
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