Existenzgründung als zweites Standbein
Beantwortet
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Gebert,
ich bin im Angestelltenverhältnis mit einem Jahresgehalt von 100.000,-€ brutto tätig, ich bin verheiratet ohne Kinder, meine Frau erzielt kein Einkommen. Ich möchte nun als zweites Standbein eine freiberufliche Tätigkeit als Heilpraktiker mit Schwerpunkt ästhetische Medizin und apparative Kosmetik anmelden.
Ich plane in den ersten zwei Jahren innerhalb der Kleinunternehmerumsätze zu liegen (<17.500 im ersten und <50.000,- im zweiten Jahr) möchte nicht Umsatzsteuerbefreit sein.
Im ersten Jahr plane ich Investitionen von ca. 30.000,-€ plus 10.000,-€ laufende Kosten (Praxismiete), im zweiten Jahr Plane ich investitionen von 15.000,-€ plus 20.000,-€ laufende Kosten (^10.000 Praxismiete und 10.000 Lohnkosten),
Ich plane meine Dienstleistung ab April 2015 anzubieten, die Anschaffungen werde ich aber nun vorbereitend tätigen und möchte die zu zahlende Mehrwertsteuer gerne zurückholen. Zudem werde ich einen Teil der Geräte aus China importieren und möchte die Einfuhrumsatzsteuer geltend machen.
Zu wann macht es Sinn die Freiberuflichkeit beim Finanzamt anzumelden? Jetzt oder erst zu April?
Kann ich am Jahresende den zu erwartenden Verlust in Höhe ca. 13.500,-€ - 40.000,-€ (worst case) mit meinen Einkommsteuern aus dem Angestältenverhältnis verrechnen? Bzw. die Anschaffung bestehen aus Geräten mit einer Abschreibung über 5 Jahre, somit wären in dem Fall wohl nur 6.000,-€ ansetzbar oder? Wie verhält es sich mit den Mietkosten, können diese in voller Höhe abgesetzt werden?
Ich habe die Hoffnung, Verluste aus der Freiberuflichkeit mit Einnahmen aus der Tätigkeit im Angestelltenverhältnis durch die Steuer wieder ausgleichen zu können. So dass ich unterm Strich keinen Verlust mache, nur weniger Steuern Zahle als bisher. Ist das überhaupt realistisch? Ich habe ansonsten nichts, was auf die Steuern angerechnet werden kann. Keine sonstigen nennenswerten Einnahmen / Ausgaben, keine Schulden, kein Eigentum.
Bez. des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung:
- Welche Gewinnermitlungsart würden Sie mir raten? Je einfacher um so besser.
- Abfuhr Lohnsteuer, meineFrau wird Vollzeit unentgeltlich mitarbeiten, sie wird die Praxis führen, wie meldet man das am besten an? Geringfügig beschäftigt, jährlich nicht mehr als 1.000,-€. Kann man das später erhöhen um ggf. den Gewinn zu reduzieren? ich bin freiwillig gesetzlich krankenversichert, meine Frau ist bei mir mitversichert, diesen Status wollen wir nicht ändern.
- Wie führe ich die Umsatzsteuuer ab? Ist die Istversteuerung die richtige Wahl?
P.S. Bezahlung, idealerweise über PayPal, wenn möglich.
Viele Grüße
F. F.
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Antwort des Experten
Sehr geehrter Fragensteller,
ihre unternehmerische Tätigkeit beginnt bereits in dem Moment, in dem Sie erste Vorbereitungsmaßnahmen für die spätere Tätigkeit treffen. Die Vorsteuer aus den Anschaffungen können Sie bereits durch die Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung einen Monat nach Zahlung erstatten lassen. Es macht deshalb Sinn die Anmeldung beim Finanzamt zeitnah vorzunehmen.
Bitte beachten Sie, dass Sie als Heilpraktiker unter Umständen keine Umsatzsteuer ausweisen dürfen und damit auch keine Vorsteuer beim Finanzamt geltend machen dürfen. Das wäre der Fall, wenn Sie ein zugelassener Heilpraktiker sind und eine entsprechende Berufsausbildung haben. Darüber hinaus müssen Sie Leistungen erbringen, die der Behandlung von Krankheiten dient. Das ist bei ästhetische Medizin und apparative Kosmetik in der Regel nicht der Fall. Demnach würde die Umsatzsteuerbefreiung bei Ihnen nicht gelten.
Sie könnten also korrekterweise auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichten. Sollten Sie jedoch auch Behandlungen durchführen, die zur Heilung von Krankheiten Ihrer Patienten dienen müssen Sie zwingend auf den Ausweis von Umsatzsteuer verzichten. Das hätte dann zur Folge, dass Sie auch die Vorsteuer nur anteilig vom Finanzamt erstattet bekommen.
Bitte beachten Sie auch, dass Sie an die Entscheidung auf die Kleinunternehmerreglung zu verzichten 5 Jahre gebunden sind.
Ihre mit der Nebentätigkeit erzielten Verluste können Sie in Ihrer Einkommensteuererklärung mit den Einkünften aus der Angestelltentätigkeit verrechnen. Bitte beachten Sie jedoch, dass Sie die Kosten für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern (Praxisausstattung, medizinische Geräte etc). nur über die Nutzungsdauer im Rahmen der Abschreibungen geltend machen können. Wenn die einzelnen Wirtschaftsgüter weniger als 410 Euro gekostet haben, können Sie die Anschaffungskosten auch sofort und vollständig im Jahr der Anschaffung geltend machen. Wenn bereits Mietkosten anfallen, die eindeutig mit der späteren Tätigkeit als Heilpraktiker zusammen hängen können Sie die Mietaufwendungen voll geltend machen. Das wäre bspw. der Fall, wenn Sie bereits die Praxisräume angemietet haben. Wenn es sich um die Miete für ein häusliches Arbeitszimmer handelt, können Sie die Kosten nur bis zu 1.250 Euro geltend machen.
Die Steuererstattung, die Sie durch die Verluste erhalten kann ohne weitere Angaben nicht genau prognostiziert werden. Die Steuererstattung ergibt sich aus der Höhe des Verlustes und Ihrem Grenzsteuersatz. Wenn Ihr Grenzsteuersatz zum Beispiel 30% betragen würde, könnten Sie bei einem Verlust von 10.000 Euro mit einer Steuererstattung von rund 3.000 Euro rechnen. Bitte beachten Sie, dass es sich um eine sehr grobe Schätzung handelt. In Abhängigkeit von Ihren individuellen steuerlichen Verhältnissen kann sich auch ein anderes Ergebnis ergeben.
Der Gewinn lässt sich am einfachsten durch eine Einnahme-Überschuss-Rechnung ermitteln. Hierbei kommt es für die Gewinnermittlung vor allem darauf an, wann Sie Zahlungen geleistet haben, bzw. wann Sie Zahlungen erhalten haben.
Wenn Sie Ihre Frau keinen Lohn zahlen und ihr auch ansonsten keine Vorteile zuwenden, müssen bzw. dürfen Sie für Ihre Frau auch keine Lohnsteuer abführen. Wenn Sie Ihrer Frau ein Gehalt von bis zu 450 Euro monatlich zahlen können Sie die Lohnsteuer pauschal in Höhe von 2% für Ihre Frau abführen. Außerdem werden die Sozialabgaben pauschal abgeführt. Am Versicherungsstatus würde sich nichts ändern.
Die Umsatzsteuer führen Sie ab, indem Sie monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt abgeben. Durch die Wahl der Istversteuerung müssen Sie die Umsatzsteuer erst abführen, wenn Ihre Kunden Sie tatsächlich bezahlt haben. Sie sollten die Erlaubnis zur Istbesteuerung beim Finanzamt beantragen. Dies ist für Sie von Vorteil.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Gebert
Steuerberater
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vielen Dank für Ihre gute Beratung, sie haben mir sehr weitergeholfen.
Viele Grüße
Frank F.
vielen Dank für die Zeitnahe Antwort.
Es bleibt nun nur noch eine Frage. Ich bin in der Tat zugelassener Heilpraktiker mit entsprechender Ausbildung. Ich möchte den Schwerpunkt auf ästhetische Medizin legen. Die apparative Kosmetik vergessen wir mal.
Müsste ich nun ein Gewerbe anmelden mit allen Nachteilen, um die Umsatzsteuer geltend machen zu können oder kann ich Freiberufler bleiben und die Umsatzsteuer geltend machen?
Bzw. Kann ich den Status freiberuflicher Heilpraktiker nur aufrecht erhalten wenn ich optional auch Heilbehandlung anbiete und auf die Erstattung der Umsatzsteuer verzichte oder kann ich mich als zugelassener Heilpraktiker mit entsprechender Ausbildung rein auf ästhetische Medizin spezialisieren, ohne Heilbehandlungen, gelte trotzdem als Freiberufler und kann Umsatzsteuer geltend machen? Ich bin nun etwas verwirrt.
Wie machen es Ärzte die Teils erhebliche Investitionen tätigen müssen. Bleiben Ärzte auch auf der Umsatzsteuer sitzen?
Viele Grüße
Frank F.
das ist korrekt. Da auch Ärzte in der Regel ausschließlich umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen, wird die Umsatzsteuer aus den Anschaffungen nicht erstattet. Dies gilt grundsätzlich auf für Heilpraktiker.
Eine Ausnahme gilt, wenn Sie mit Ihren Leistungen "ästhetische Medizin" keine Krankheiten behandeln, diagnostizieren o. Ä. sondern lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand der Patienten fördern. Dann gilt die Umsatzsteuerbefreiung nicht und Sie wären zur Abführung von Umsatzsteuer verpflichtet. Dementsprechend würden Sie auch die Umsatzsteuer aus den Anschaffungen erstattet bekommen.
Die Gewerbeanmeldung hat auf die Umsatzsteuer überhaupt keine Auswirkung. Heilpraktiker zählen grundsätzlich zu den Freiberuflern, so dass keine Gewerbeanmeldung nötig wäre. Allerdings gilt dies auch nur, soweit Sie tatsächlich Krankheiten Ihrer Patienten behandeln, diagnostizieren, davor schützen usw.