Erwerbstätigenbonus beim Betreuungsunterhalt für unverheiratete Mutter
Fragestellung
Liebe Experten,
ich habe eine kleine Tochter mit meiner Ex. Wir waren nicht verheiratet. Meine Ex will nun Betreuungsunterhalt, was auch ok ist.
Allerdings verneint der Anwalt meiner Ex bei der Berechnung meinen Hinweis auf den Erwerbstätigenbonus. Dieser würde nur beim Ehegattenunterhalt berücksichtigt.
Er verweist auf Wendl/Siebert, Unterhaltsrecht, §4 Rn.766 mit Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, 9. Auflage 2015.
Wie sehen Sie das ? Ich finde lauter widersprechende Aussagen im Internet.
Welche Urteile können Sie anführen, die belegen, dass der Erwerbstätigenbonus auch bei Unverheirateten gilt ?
Mit freundlichen Grüßen
G. K.
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Antwort von Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Sehr geehrter Ratsuchender,
der Erwerbstätigenbonus hat keine Relevanz außerhalb des Ehegattenunterhalts. Der Abzug eines Erwerbstätigenbonus von Erwerbseinkünften ist kein Bestandteil der Bereinigung des Nettoeinkommens, sondern der Quotierung des Ehegattenunterhalts.
Der Bundesgerichtshof hat dazu in seinem Urteil vom 16.04.1997 - XII ZR 233/95 - zum Kindesunterhalt grundlegend ausgeführt:
"Die ehelichen Lebensverhältnisse werden im wesentlichen geprägt durch die Mittel, die den Ehegatten nach Vorwegabzug ihrer Verbindlichkeiten Dritten gegenüber, wozu vor allem der Kindesunterhalt gehört, noch zum Verbrauch zur Verfügung stehen. Das gilt für den Unterhaltsverpflichteten in gleicher Weise wie für den Berechtigten. Auch der erwerbstätige Unterhaltsverpflichtete muss sich daher von vornherein auf dasjenige beschränken, was insgesamt nach Abzug der Verbindlichkeiten übrig bleibt. Soweit ihm aufgrund seiner Erwerbstätigkeit im Verhältnis zum anderen Ehegatten ein höherer Anteil des Einkommens zu belassen ist, kann sich dieser nur aus dem restlichen verteilungsfähigen Einkommen errechnen. Die Berechnung des Erwerbstätigenbonus aus einem unbereinigten oder jedenfalls nur um die messbaren berufsbedingten Aufwendungen bereinigten Nettoeinkommen würde dagegen zu einem Ungleichgewicht zu Lasten des Unterhaltberechtigten führen: Er müsste zum einen die volle Last der Verbindlichkeiten mittragen, zum anderen aber sich einen damit nicht konformen, weil überhöhten Erwerbstätigenbonus des anderen Ehegatten entgegenhalten lassen."
Ein Erwerbstätigenbonus wird auch beim Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 BGB abgelehnt: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2007 - XII ZR 104/03 - (Tz. 27). Dem hat sich die rechtswissenschaftliche Literatur, soweit ersichtlich, angeschlossen. Gegen den Bundesgerichtshof werden Sie einen Erwerbstätigenbonus praktisch nicht durchsetzen können.
Nachfragen beantworte ich gerne.
Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt
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ich bin verwirrt. Ihre Anwort ist konträr zur Auskunft eines Kollegen hier auf der Plattform. Was stimmt denn jetzt?Gibt es eine solche Rechtsunsicherheit ?
Zu Ihrer Info:
"Die Frage auf die es ankommt ist die ob man nach der BGH Rechtsprechung ohne Erwerbsbonus rechnet, was allerdings der BGH nur für Mangelfälle nach § 1581 BGB vorschreibt. Da hier kein Mangelfall vorliegt, wäre in jedem Fall der Erwerbstätigenbonus anzurechnen.
Die Fundstelle Wendl/Siebert § 4 Rn. 766 passt überhaupt nicht. Nach Wendl/Bömelburg § 7 Rn. 116 ff. ist der Erwerbsbonus abzuziehen.
Die Berechnung nach § 1615 l ist letztlich ähnlich zu der bei Ehegatten. Auch meine Software die Bundesweit eingesetzt wird, zieht den Bonus ab, die Berechnung habe ich Ihnen geschickt. Sie können mir gerne das Anwaltsschreiben des Gegners schicken ich halte es für falsch. Bei § 4 Rn. 766 geht es um Ehegatten und eine konkrete Bedarfsberechnung das ist hier nicht der Fall."
"Offen ist derzeit, ob für die Berechnung der Halbteilung wie beim Ehegattenunterhalt ein Erwerbstätigenbonus anzusetzen ist oder nicht. Zwar wird weder beim Verwandtenunterhalt, auf den § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB verweist, noch beim Familienunterhalt ein Erwerbstätigenbonus angesetzt, vielmehr ist der Erwerbstätigenbonus nur Teil der Quotierung des Ehegattenunterhalts; allerdings würde die Nichtberücksichtigung des Bonus zu einem höheren Bedarf nach § 1615l BGB führen, als dies bei identischen Einkünften im Rahmen des § 1570 BGB der Fall wäre. Folgt man dem BGH darin, dass die Halbteilung bereits den Bedarf der nichtehelichen Mutter begrenzt, wird man unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung einen Bonusabzug vorzunehmen haben. Würde man dagegen eine Einschränkung erst auf der Ebene der Leistungsfähigkeit vornehmen, wäre dies nach allgemeinen Grundsätzen der Mangelfallberechnung nicht der Fall."
Folgt man dem Sachverzeichnis von Wendl/Dose,
Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, wird in § 7 des Werks (Unterhalt zwischen nicht verheirateten Eltern) der Begriff "Erwerbstätigenbonus'" überhaupt nicht verwendet, sondern schwerpunktmäßig in § 4 beim Ehegattenunterhalt (das Werk liegt mir leider nicht vor, siehe daher http://www.beck-shop.de/fachbuch/sachverzeichnis/Wendl-Das-Unterhaltsrecht-Praxis-9783406664984_3003201506151000_rg.pdf). Ich weiß daher nicht, wie der Kollege hier argumentiert.
Die benannten aktuellen BGH-Urteile und der Großteil der Literatur deuten allerdings auf eine Nichtberücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus' bei § 1615l BGB hin.