Eigenkapital für ein gemeinsames Haus im Zugewinnausgleich
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Joachim,
ich habe bereits einen Artikel von Ihnen zum Thema Immobilie im Scheidungsfall gelesen und ich habe einen ähnlichen Fall:
Bereits vor der Heirat hatten meine spätere Frau und ich ein Haus gebaut. Ich habe 135 T€ Eigenkapital eingebracht. Meine Frau hat nichts eingebracht. Wir sind aber hälftig im Grundbuch eingetragen.
Zur Zeitpunkt der Eheschließlung war das Haus bezugsfähig und damit fast fertig.
Im Zuge der Scheidung wird nun der Zugewinnausgleich berechnet. Wie geht das Eigenkapital in die Zugewinnberechnung ein und auf welche Grunglagen / Gesetze / Grundsatzurteile kann ich mich hierbei stützen?
Das Haus ist mir sehr wichtig und ich kann die Haushälfte meiner Frau nur übernehmen, wenn mein Eigenkapital in irgendeiner Weise mit berücksichtigt wird.
Vielen herzlichen Dank.
Beste Grüße,
J. S.
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Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrter Fragesteller,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage und das damit entgegengebrachte Vertrauen.
Im Rahmen des Zugewinnausgleichsverfahrens sind zunächst die Anfangsvermögen und Endvermögen der beiden Ehegatten zu ermitteln.
Das Anfangsvermögen ist das Vermögen, welches die Ehegatten jeweils am Tag der Eheschließung hatten, das Endvermögen der Tag, an dem der Scheidungsantrag rechtshängig gemacht worden ist.
Die Differenz aus Endvermögen und Anfangsvermögen ergibt dann den jeweiligen Zugewinn.
Das Eigenkapital, was Sie in die Ehe mit hineingebracht haben und dann vor Eheschließung vorhanden gewesen ist, wird zunächst dem Anfangsvermögen zugeschlagen.
Dieses Anfangsvermögen und auch Ihr Eigenkapital schmälern dann entsprechend ihr Endvermögen, was grundsätzlich positiv ist.
Ein Beispiel:
Das Haus hat einen Wert von 400.000 Euro. Sind keine weiteren Vermögenswerte vorhanden, würde jedem Ehegatten ein Anteil in Höhe von 200.000 Euro zu stehen.
Da Sie ein höheres Anfangsvermögen gehabt haben, werden diese 135.000 Euro von den 200.000 Euro abgezogen, so dass lediglich noch ein Betrag in Höhe von 65.000 Euro verbleibt.
Der Zugewinn beträgt dann bei Ihrer Ehefrau 200.000 Euro und bei Ihnen 65.000 Euro.
Im Rahmen des Ausgleichs des Zugewinns erhält jeder die Hälfte des Zugewinns des anderen Ehegatten.
Sie erhalten von Ihrer Ehefrau 100.000 Euro und Ihre Ehefrau erhält von Ihnen 32.500 Euro. In der Differenz bleibt also ein Guthaben für Sie in Höhe von 67.500 Euro.
Allerdings bleibt ihre Ehefrau Miteigentümerin in Höhe von 50 Prozent des Hauses, da der Zugewinnausgleichsanspruch nur auf Geld gerichtet ist.
Letztlich ist daher die Übertragung des Miteigentumsanteils des Hauses für Sie im Rahmen der Ehe nachteilhaft gewesen.
Einen konkreten Ausgleich per Gesetz gibt es hierfür nicht.
Die Rechtsprechung hat hierzu das Rechtsinstitut der so genannten unbenannten Zuwendung entwickelt, die besagt, dass, wenn jemand in dem Vertrauen auf die Ehe größere Vermögenszuwendungen an einen anderen Ehegatten vorgenommen hat, ein entsprechender Ausgleich vorgenommen werden soll. Wie hoch und in welchem Umfang dieser erfolgt, ist immer im Einzelfall zu betrachten.
Auch kommt es darauf an, wie lange die Ehe gedauert hat und wie die Ehegatten wirtschaftlich während der Ehe zueinander gestanden haben.
Wenn zum Beispiel die Ehefrau auch anderweitig sehr viel Geld in die Ehe investiert hat, kann es sein, dass kein zusätzlicher Ausgleich erfolgt.
Die unbenannte Zuwendung ist ein Ausnahmefall und relativ selten anzuwenden. Der BGH hat diese in seinem Urteil aus dem Jahr 2006 näher definiert [BGH, 28.03.2006, X ZR 85/04,9.
Hier wäre eine ganz konkrete Prüfung unter Zugrundelegung sämtlicher Angaben und der kompletten Berechnung eines Zugewinnausgleichs notwendig.
In Ihrem Fall würden Sie daher durch die Hausübertragung, sofern die unbenannte Zuwendung nicht greift unter Berücksichtigung der einfachen von mir beispielhaft vorgenommenen Berechnung des Zugewinnausgleichs einen Verlust in Höhe von 67.500 Euro erleiden.
Sie können dies beispielsweise durch einen Ehevertrag auch noch zum jetzigen Zeitpunkt vor der Ehescheidung oder durch eine einvernehmliche Regelung mit Ihrer Ehefrau versuchen zu kompensieren.
Andernfalls empfehle ich, wie dargestellt, die komplette und konkrete Berechnung des Zugewinnausgleichs, da selbstverständlich auch möglicherweise der Zugewinn Ihrer Ehefrau höher liegen könnte, so dass auch in diesem Fall eine unbenannte Zuwendung ausscheiden könnte und Sie gegebenenfalls einen höheren Anspruch auf Zugewinnausgleich gegenüber ihrer Ehefrau haben könnten. Allerdings sind auch Ihre Vermögenswerte, die Sie im Rahmen der Ehe über das Haus hinaus erworben haben zu berücksichtigen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen bis hierhin hilfreich geantwortet habe und stehe bei Nachfragebedarf jederzeit gerne weiterhin zur Verfügung.
Über eine anschließende positive Bewertung freue ich mich.
Viele Grüße
Christian Joachim
Rechtsanwalt
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