Eigenbedarfankündigung / Härtefall
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Eltern ( 63 Jahre und 68 Jahre ) bewohnen das Erdgeschoss eines 2 Familienhauses. Im Obergeschoss wohnen die Halbschwester meiner Mutter und deren Ehemann.
Das Haus wurde 1972 von meiner Oma erbaut. Diese wohnte bis zu Ihrem Tode 2014 zusammen mit meinen Eltern im Erdgeschoss. Sie teilten sich diese Wohnung.
Vor dem Tode meiner Oma hat diese das Haus meiner Mutter notariell beglaubigt überschrieben
( Schenkung ).
Da meine Mutter nun im Dezember schwer an Krebs erkrankte, und ein Pflegefall geworden ist, benötigen meine Eltern große Hilfe was die Pflege etc. angeht. Es erweist sich für uns als sehr schwierig meinem Vater dabei unter die Arme zu greifen da wir ca. 20km weit weg wohnen.
Wir, ich und meine Ehefrau sowie unsere beiden Kinder wären dazu bereit in die Wohnung im Obergeschoss einzuziehen. Da meine Frau Hausfrau ist, hätte Sie die nötige Zeit meinem Vater bei der Pflege zu helfen.
Leider ist das Verhältnis zu meiner Tante bzw. Onkel nicht mehr das beste. Über deren freiwilligen Auszug zu reden erweist sich also sehr schwierig, bzw aussichtslos.
Meine Tante ist 83 Jahre alt, mein Onkel 87. Krankheitsbedingt wäre ein Umzug für die beiden in ein Alten und Pflegeheim das beste, da sie Kinderlos sind, und sich selbst nur sehr schwer selbst Verpflegen können.
Miete wurde zu keinerzeit gezahlt, lediglich die angefallenen Nebenkosten wurden geteilt. Es gibt auch keinerlei Verträge zur Wohnsituation.
Ich hoffe Sie können uns in dieser für uns schweren Situation helfen bzw. uns mitteilen was wir tun können.
Mit freundlichen Grüßen und schönes Wochenende.
Thomas S.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
0900-1010 999 * anrufen
Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage und das damit entgegengebrachte Vertrauen.
Sie fragen konkret nach einer Eigenbedarfskündigung oder möglicherweise auch Kündigungsgründen, die zur Verfügung stehen, um die Wohnung im Obergeschoss frei zu bekommen.
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass beispielsweise nach § 573a BGB die Möglichkeit besteht, wenn das vom Vermieter selbst bewohnte Gebäude nicht aus mehr als zwei Wohnungen besteht, der Vermieter ohne einen Kündigungsgrund bzw. ohne ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 BGB kündigen darf.
Da Sie schreiben, dass keine schriftlichen Unterlagen oder auch ein schriftlicher Mietvertrag nicht existiert, ist von den gesetzlichen Voraussetzungen eines Mietvertrages auszugehen und mithin gelten dann auch die gesetzlichen Kündigungsgründe. Dabei ist zu beachten, dass in dem oben angesprochenen Sonderfall sich die normale Kündigungsfrist des § 573c BGB um jeweils drei Monate verlängert, Sie also eine etwa sechsmonatige Kündigungsfrist hätten, um den Mietvertrag zu kündigen.
Dies ist natürlich sehr lange.
Die normale Kündigungsfrist gilt bei einer Eigenbedarfskündigung. Hierzu benötigt man ebenfalls einen entsprechenden Grund für die Kündigung bzw. ein berechtigtes Interesse, als dass Angehörige in die Wohnung gelangen, weil diese keinen eigenen Wohnraum haben oder auch aus anderen Gründen der Wohnraum benötigt wird..
Dies müsste in Ihrem Fall entsprechend begründet werden und in der Kündigung auch so zum Ausdruck gebracht werden.
In § 573 Abs. 2 BGB ist dieses berechtigte Interesse entsprechend dargestellt. Hier wäre Nummer 2 einschlägig.
Insofern müsste der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigen. Hierunter fällt unter anderem auch, wenn der Vermieter zur Pflege der Eltern diese in sein Wohnhaus aufnehmen möchte. Grundsätzlich dürfte dies auch umgekehrt gelten. In Ihrem Fall sind Sie als Kinder der Vermieter auch entsprechende Angehörige.
Des weiteren ist zu berücksichtigen, wie lange in etwa die Pflege der Eltern dauern wird. Ist nur von einer kurzen Dauer auszugehen, kann die Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich sein.
Für den Fall einer Eigenbedarfskündigung empfehle ich Ihnen grundsätzlich die Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe, da die Kündigung auch entsprechend zahlreiche formelle Inhalte voraussetzt. So war zum Beispiel eine entsprechende Kündigung vor dem Amtsgericht Recklinghausen nicht erfolgreich aufgrund formeller Mängel:
https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:4FVe3NjotQoJ:https://www.iww.de/sr/alltagsprobleme/mietrecht-eigenbedarf-fuer-pflegeperson-muss-konkret-begruendet-werden-f98589%3Fsave+&cd=3&hl=de&ct=clnk&gl=de
in beiden Fällen müssen Sie allerdings damit rechnen, dass geraume Zeit bis zur Räumung der Wohnung einhergeht, einerseits hinsichtlich der Kündigungsfristen und andererseits auch der Möglichkeit, die die Mieter haben, sich gegen die Kündigung zu wehren.
Hier wäre entweder nur eine außerordentliche Kündigung möglich, dann müsste eine entsprechende Verletzung der Pflichten der Mieter vorliegen oder nach einer berechtigten Kündigung die Durchführung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens. Im letzteren Fall müssen aber eindeutige Gründe vorliegen, die für die Beendigung des Mietverhältnisses sprechen.
Eine dritte Variante kann ich Ihnen ebenfalls empfehlen, die meistens die schnellste und für alle Parteien beste Möglichkeit darstellt.
Sofern es Ihnen möglich ist, noch mit den Mietern zu sprechen, versuchen sie eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Stellen Sie die Lage dar und seien Sie gegebenenfalls bei der Wohnungssuche behilflich oder unterstützen wirtschaftlich, um die Mieter zum Auszug zu bewegen. Auch wenn Sie dies schon in ihrer Frage grundsätzlich diktiert haben, wäre es möglicherweise noch ein Versuch wert.
Ansonsten gelten die entsprechenden gesetzlichen Regelungen, die auch in Ihrem Fall grundsätzlich anzuwenden sind.
Insofern noch einmal zusammengefasst.
Lässt sich eine gütliche Einigung nicht realisieren, braucht es eine Kündigungserklärung. Dies bedeutet, die Vermieter müssen eine entsprechende Kündigung schreiben, gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe, unterzeichnen und sie den Mietern im Obergeschoss zukommen lassen. Diese haben dann die Möglichkeit hierauf zu reagieren, entweder durch einen Auszug oder einen Verbleib in der Wohnung. Verbleiben sie in der Wohnung, müsste die Kündigung mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden und dann würde möglicherweise auch noch eine vergleichsweise Lösung vor Gericht im Rahmen einer Güteverhandlung infrage kommen.
Andere legale Möglichkeiten haben Sie leider nicht, solange hier eine mietrechtliche Verbindung im Rahmen eines mündlichen Mietvertrages vorliegt.
Davon ist aufgrund der möglicherweise sehr langen Nutzung der Wohnung auszugehen.
Auch wäre gegebenenfalls zu hinterfragen, ob die verstorbene Oma ein Wohnrecht der Halbschwester und deren Ehemann eingeräumt hat, zum Beispiel in einer testamentarischen Regelung oder auch in dem Übertragungsvertrag an die Mutter. Dann wäre eine Kündigung grundsätzlich gar nicht möglich.
Man kann sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass ein Recht aufgrund einer fehlenden vertraglichen Regelung nicht vorliegt, die Mieter die Verwandten im Obergeschoss können sich allerdings möglicherweise eben auf die konkludente Nutzung der Wohnung stützen und hieraus einen Mietvertrag konstruieren. Ob dem das Gericht sodann folgt, wäre dann auch im Gerichtsverfahren zu entscheiden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen trotzdem zunächst einige Ansatzpunkte nennen konnte und stehe gerne bei Nachfragebedarf oder weiteren Informationen zur Verfügung. Gerne können Sie auch Ihren Sachverhalt weiter konkretisieren, insbesondere, seit wann gegebenenfalls die Mieter im Haus wohnen und ob es irgendwelche weiteren Vereinbarungen gegeben hat.
Gerne versuche ich Ihnen dann weiterzuhelfen.
Viele Grüße
Christian Joachim
Rechtsanwalt
Sie haben eine Frage im Bereich Mietrecht?
Raten Sie nicht weiter!
Unsere Rechtsanwält*innen geben Ihnen gerne eine kostenlose
Ersteinschätzung zu Ihrem Anliegen.
Jetzt kostenlose Ersteinschätzung einholen