Dienstvertrag oder Werkvertrag? HOAI-Baurecht
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Unsere Frage bezieht sich auf die Auslegung des beiliegenden Vertrages „Bestätigung zur Kostenübernahme“ (eine Seite, anonymisiert) hinsichtlich der Wertung als Dienstvertrag oder Werkvertrag vor folgendem Hintergrund:
Zur Planung der Erdbauarbeiten eines EFH in Hanglage (Baugrube, Baustellenzufahrt, Kranstellplatz und Lagerflächen ) wurde ein Bauingenieur beauftragt, der uns seitens der Gemeinde „mit Nachdruck“ empfohlen wurde „um die Chancen eines positiven Baubescheids zu erhöhen“. Das Grundstück grenzt an eine Gemeindestraße an der der Bauingenieur seinerseits ein Bauprojekt für die Gemeinde führte.
Inhaltlich wurde die Planung, Ausschreibung, Unterstützung bei der Auswahl des/der Bauunternehmer sowie die Bauleitung mit Abnahme der Arbeiten vereinbart. Alle Punkte waren inhaltlich und zeitlich an klare Vorgaben gebunden. Dies ist dokumentierbar.
Leider gestaltete sich die im April 2013 begonnene Zusammenarbeit mit dem empfohlenen Ingenieur von Anfang an als schwierig: Die Kommunikation erfolgte bei wesentlichen Punkten weder zeitnah noch inhaltlich gut greifbar. Bis zum September 2013 verweigerte der Bauingenieur jegliche von uns angeregte Diskussion um seine eigenen Leistungen vertraglich fest zu definieren. Da die Erdbauarbeiten bis Anfang Dezember 2013 abgeschlossen werden mussten, verstärkten wir mit Nachdruck unsere Aufforderung an den Bauingenieur die stets zugesagten Leistungen nun auch zeitnah umzusetzen. Er sagte dies zu - jedoch unter der Voraussetzung, eine „Bestätigung zur Kostenübernahme“ (siehe o.g. Anlage) vorab zu unterzeichnen. Dies geschah mangels kurzfristig verfügbarer Alternativen am 19. September 2013.
Fortan entwickelte sich die Zusammenarbeit leider weiterhin nicht sehr freudvoll. So wurden terminliche Vereinbarungen nicht gehalten und inhaltliche Fehler offensichtlich. Hierunter fallen folgende Beispiele:
• Planung zur Baustellenzufahrt konnte vom ausführenden Erdbauunternehmen so nicht umgesetzt werden und musste daher von ihm umgeplant werden
• Der Winkel Straße-Einfahrt hätte zum Aufsetzen der PKWs geführt
• das einzige von ihm initiierte Angebot zur Umsetzung der Arbeiten hatte den 6-fachen (!) Preis wie letztlich die von uns direkt beauftragten Unternehmen
• Die Ergebnisse der Baugrubensolen-Vermessung wurden nicht rechtzeitig an die Baubehörde gemeldet, so dass es zum Baustopp kam, der erst durch Unterbrechung unseres Urlaubs aufgehoben werden konnte
Insgesamt konnte das Projekt nur noch dadurch erfolgreich umgesetzt werden, dass dem Bauingenieur wesentliche Teilarbeiten entzogen wurden, die fortan von meiner Lebensgefährtin und heutige Frau (Diplom-Geoinngenieurin) übernommen werden mussten.
Insgesamt wurden dem Bauingenieur trotz mangelhafter Leistungen Abschlagsrechnungen i.H.v. € 14.800 (brutto) bezahlt, bei einem Erdbauvolumen von ca. € 45.000 (brutto). Ein weitere „Abschlagrechnung“ über € 3.500,-- brachte das „Fass zum überlaufen“. Wir sind nicht bereit eine aus einer Zwangslage initiierte Zusammenarbeit mit mangelhafter Leistung in dieser Höhe zu vergüten. Wenngleich der Bauingenieur am Telefon Fehler zugab konnte keine gütliche Einigung erzielt werden. Die Forderung befindet sich nunmehr in einem Mahnverfahren. Wir planen der (weiteren) Forderung aufgrund mangelhafter und zum teil nicht erbrachter Gewerke zu widersprechen. Zur rechtlichen Bewertung wird jedoch ausschlaggebend sein, welches Vertragsverhältnis dem Widerspruch zugrunde liegt. Konkret bitten wir Sie um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Ist die Wertung als Werkvertrag (mit entsprechender Geltendmachung von Schadenersatz, Minderleistung) wahrscheinlich? Hierzu sei auch die Formulierung zum Gegenstand der Kostenübernahme „Alle bisherigen Beratungen…..“ angemerkt. Kann es sich z.B. bis zum 19. September 2013 um einen Dienstvertrag und danach (die wesentlichen Kosten sind nach dem 19. September angefallen) um einen Werkvertrag nach HOAI handeln?
2. Sehen Sie einen anderen Ansatz um der Forderung zu widersprechen.
Mit besten Grüßen,
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
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Antwort von Rechtsanwalt Michael Pilarski
Dienstvertrag oder Werkvertrag – HOIA-Baurecht
Eingangs möchte ich Ihnen mitteilen, dass eine Beurteilung der Rechtslage ohne die Einsicht in alle relevanten Unterlagen, insbesondere den Bauvertrag nicht möglich ist.
Grundsätzlich ist es so, dass Vertragsfreiheit besteht. Das heißt, es besteht nicht nur die Möglichkeit, die vom Gesetz festgelegten Vertragstypen abzuschließen, sondern es können durchaus so genannte typengemischte Verträge zu schließen.
Ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB wird verpflichtet den Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes und den Besteller zur Entrichtung der entsprechenden Vergütung. Ein Werkvertrag liegt vor, wenn ein Erfolg geschuldet ist.
Demgegenüber liegt ein Dienstvertrag gemäß § 611 BGB vor, wenn der Dienstverpflichtete zur Leistung der versprochenen Dienste und der Dienstberechtigte zur Entrichtung der entsprechenden Vergütung verpflichtet sind. Charakteristisch ist für den Dienstvertrag, dass eine Leistung, aber kein Erfolg geschuldet wird.
Die Beurteilung der beigefügten „Kostenübernahme“ ist nicht ganz einfach. Genau genommen geht aus dem Dokument nicht einmal hervor, welche der beiden Parteien die Kosten übernehmen soll.
Eine Schuld kann von einem Dritten gemäß § 414 BGB durch Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, dass der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt. Um die Übernahme einer Schuld aus einem Schuldverhältnis geht es aber an sich nicht, sondern um die reine Kostenübernahme.
Eine so genannte Erfüllungsübernahme liegt nicht vor, da der aus der Kostenübernahme Verpflichtete sicherlich nicht für die Erfüllung der vertraglichen Schuld einstehen will.
Eine Vertragsübernahme soll dadurch Ihren Angaben nach auch nicht festgelegt werden. Ein Vertrag besteht bereits und es soll nur die Kostenfrage geklärt werden.
Nahe liegender ist eine Einordnung als Schuldverhältnis eigener Art gemäß § 311 BGB, in der noch einmal vereinbart wird, wer welche Kosten aus dem vorangegangenen Schuldverhältnis tragen soll. Wenn diese Kostenübernahme einen Bezug zum Bauvertrag aufweisen soll, dann kann diese „Kostenbestätigung“ auch als Nachtrag zum Hauptvertrag angesehen werden.
Ein Vertragstyp ändert sich grundsätzlich nicht mit einem bestimmten Zeitpunkt, wenn nicht eine inhaltliche Änderung des Vertrags vorgenommen wird.
Ich denke, Sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass ausschließlich die Einordnung der Kostenübernahme von Bedeutung ist. Wenn der Bauingenieur Forderungen gegen Sie geltend macht, dann liegen seiner Forderung sicherlich Ansprüche aus dem Vertrag mit dem Bauingenieur zugrunde. Diesen müssten Sie einer Überprüfung unterziehen lassen. Nur aus der Kostenübernahme lässt sich nur schwer eine Beurteilung der Rechtslage in Ihrem Fall durchführen. Grundsätzlich dürfte es sich bei dem Vertrag mit dem Bauingenieur jedoch um einen Werkvertrag handeln. Denn im Rahmen der von ihm zu erbringenden Arbeitsleistungen muss ein Erfolg abgeliefert werden. Was bringt Ihnen eine gute Leistung im Rahmen seiner Arbeit, die jedoch zu keinem Erfolg in Form der ordnungemäßen Vermessung und Planung führt.
Eine Forderung der Vergütung des Bauingenieurs kann dann grundsätzlich mit fehlender Abnahme oder der Mangelhaftigkeit der erbrachten Leistungen entgegengetreten werden. Dies sind jedoch langwierige Prozesse mit hohen Bausachverständigenkosten, die viele Nerven kosten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen bei der Entscheidung hinsichtlich des weiteren Vorgehens behilflich sein. Nutzen Sie die Kommentarfunktion, falls Unklarheiten bestehen, damit ich diese gegebenenfalls ausräumen kann.
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Vielen Dank für Ihre Ausführungen.
Ihre Antwort erscheint uns auf den ersten Blick jedoch missverständlich. Daher möchten wir folgenden Punkt nochmals klarstellen:
Bei der „Kostenübernahme“ handelt es sich um das einzige unterzeichnete Schriftstück im Zusammenhang mit dem Bauingenieur. Ein (anderer) Vertrag besteht nicht. Das Haus selbst wurde als Gewerk von einem Fertighaushersteller geliefert. Die ausführenden Unternehmen für die Erdarbeiten wurden separat direkt von uns beauftragt. Daher können wir nicht –wie von Ihnen eingangs angemerkt- den notwendigen Bezug zum Bauvertrag oder irgendeinen anderen Vorvertrag sehen.
Daher folgende Nachfrage: Kann die Kommunikation mit dem Bauingenieur (z.B. Emailverkehr mit Bezug auf vom Fertighaushersteller geforderte Erdbaugewerke mit Abnahmeinhalten und Terminsetzungen) an sich als „defakto Vertrag“ verstanden werden? Hier wären wir bei der Beweislage auf der sicheren Seite.
Ändert sich Ihre Bewertung der Vertragslage unter Berücksichtigung dieser Klarstellung?
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage:
Das kann ich kaum glauben, dass ein Auftrag mit derartigem finanziellem Volumen nicht ausführlich schriftlich festgehalten wurde und der Vertragsgegenstand, die Preise sowie die Gewährleistung entsprechend geregelt wurden. Aus der Kostenübernahme geht kaum etwas hervor.
Wenn dies das einzige Schriftstück ist, das muss berücksichtigt werden, dass dort als Vertragsgegenstand "Beratungen" enthalten sind. Diese stellen grundsätzlich Dienstleistungen dar, ohne dass ein Erfolg geschuldet wird. Wenn diese jedoch im Zusammenhang mit den konkreten Planungen des Bauingenieurs erfolgen und bei den Planungen meiner Ansicht nach ein Erfolg geschuldet ist, dann dürften schwerpunktmäßig werkvertragsrechtliche Regelungen Anwendung finden. Denn Der Bauingenieur soll ja wie gesagt nicht etwas planen, wodurch das Fertighaus nicht vernünftig aufgebaut und erschlossen werden kann.
Die Kommunikation mit dem Bauingenieur kann kann durchaus als Indiz für Vertragsinhalte herangezogen werden, insbesondere was terminliche Absprachen angeht. Im Übrigen sind auch mündliche Absprachen verbindliche Verträge, wenn gesetzlich nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Ihre Angaben für einen Werkvertrag sprechen, der durch die Emailabsprachen konkretisiert wurde. Sollte der Bauingenieur eine Pflichtverletzung begangen haben, indem er fehlerhafte oder verspätete Leistungen erbracht hat, stünden Ihnen die werkvertragsrechtlichen Gewährleistungsrechte aus § 634 BGB zu. Darunter fallen Nacherfüllungsansprüche, Minderungsrechte, Rücktrittsrechte sowie Schadensersatzrechte, aber auch die Selbstvornahme.
Bei von der Gegenseite geltend gemachten Forderungen können Sie vortragen, eine Abnahme sei nicht erfolgt, so dass die Zahlung gar nicht fällig sind. Außerdem könnten Sie Zurückbehaltungsrechte wegen mangelhafter Leistungen geltend machen.
Sollte die Beweislage anhand der Korrespondenz gut sein, dann hätte die Abwehr der Forderung durchaus gute Erfolgsaussichten.
Ich hoffe, jetzt konnte ich Klarheit in die Sache bringen.
Sollten Sie keine weiteren Nachfragen haben, würde ich mich über eine positive Bewertung sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Pilarski
(Rechtsanwalt)
wie Sie sicherlich nachvollziehen können, bin ich an guten bzw. positiven Bewertungen interessiert. Sie hätten einfach noch weitere Nachfragen stellen können, bevor Sie eine Bewertung unter Zugrundelegung eine gestellten Teilfrage ausgehen, die ich nicht beantwortet habe. Dann wäre ich noch einmal darauf eingegangen. Es ist hier kein Problem, dafür gibt es die Nachfragefunktion.
Sie können weiterhin nachfragen...
Gruß