Bitte um juristische Auskunft zu einem "Nachbarschafts-Problem"
Fragestellung
Guten Tag Herr Liedtke,
Foto im Anhang:
links sehen Sie meinen Carport. Auf der rechten Fotoseite ist der Carport von meinem Nachbarn.
Sachverhalt:
Mein Nachbar hat die Stützen für seinen Carport auf meiner Betonmauer (und damit auch auf meinem Grundstück) angebracht; ohne mein Wissen und ohne meine Genehmigung. Auch die Dachkonstruktion seines Carports hat er an meinem Carport befestigt.
Ich habe meinen Carport ca. 2002 errichtet. Ca. 2008 oder 2010 baute mein Nachbar seinen. Mit etwas Zeitverzug stellte ich fest, dass mein Nachbar bei seinem Carportbau meine Bauten für sich nutzte und damit sich auch auf meinem Grundstück befand. Als ich das feststellte, teilte ich ihm mein Erstaunen und meine Verwunderung mit und kündigte ihm an, dass sicherlich der Tag kommen wird, an dem er die Konstruktion wieder zurückbauen müsse. Er sagte dazu, dass das kein Problem für ihn wäre.
In den anschließenden Jahren hatten wir mit den gleichen Nachbarn dann auch öfter Ärger wegen Lärm und seinen Hunden, die z.B. gerne in unserem Gartenteich plantschten. Um die Problematik einigermaßen flach zu halten, haben wir die Sache mit dem Carport ruhen lassen.
Nun will unser Nachbar aber sein Haus verkaufen. Gerne würden wir ihn vor dem Umzug auffordern, seinen Carport von unserem zu "trennen" und mit seinen Bauten unser Grundstück "zu verlassen".
Wie ist die Rechtslage? Könnern wir ihn auch noch ca. 8 oder 10 Jahren dazu auffordern? Bei der derzeitigen Carport-Situation können wir tatsächlich keine grundlegenden Umbauten an unserem Carport vornehmen. Wenn wir das in einigen Jahren möchten, müssten wir den neuen Hausbesitzer zum Rückbau auffordern. Viel lieber möchten wir hier aber den Verursacher in die Pflicht nehmen.
Ich freue mich auf Ihre rechtliche Einschätzung.
Mit freundlichem Gruß
Frank Lücke
Am Linz 12
31863 Coppenbrügge
Tel.: 05159/1527
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Lars Liedtke
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für die Beauftragung und das anschauliche Foto, welches das Problem sehr gut vedeutlicht. Die diesbezügliche Rechtslage ist leider nicht ganz einfach, so dass ich hoffe, sie Ihnen laienverständlich erläutern zu können:
Grundsätzlich gilt erst einmal, dass jeder Eigentümer einer x-beliebigen Sache nach Belieben mit seiner Sache verfahren und jedweden Dritten grundsätzlich von Einwirkungen auf diese Sache ausschließen kann. Im Falle von Eigentumsstörungen normiert § 1004 BGB einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch. Als Eigentümer des gestörten Grundstücks könnten Sie also verlangen, dass der Nachbar die Störung beseitigt und zukünftig unterlässt. Er müsste das Carport also so um- oder zurückbauen, dass es nicht auf Ihr Grundstück herüberragt und Sie nach Belieben mit Ihrem Carport verfahren können.
Problematisch hierbei ist, dass der Anspruch aus § 1004 BGB der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährung unterliegt. Diese beträgt gem. § 195 BGB 3 Jahre, ist also schon seit geraumer Zeit abgelaufen.
Unabhängig von diesem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch existiert gem. § 985 BGB ein Herausgabeanspruch, wonach der Eigentümer einer Sache Herausgabe derselben von demjenigen verlangen kann, der sie unrechtmäßig in Besitz hat. Zwar hat Ihr Nachbar nicht Ihr gesamtes Grundstück in Besitz, jedoch einen Grunstücksteil, nämlich dadurch, dass er zum Beispiel die Stützbalken auf Ihre Mauer gesetzt hat, so dass Sie selbst nicht mehr nach Belieben mit Ihrer Mauer bzw.Ihrem Carport verfahren können. Bezüglich dieses Grundstücksteils können Sie vom Nachbarn Herausgabe gem. § 985 BGB verlangen. Dieser Anspruch unterliegt gemäß § 902 BGB nicht der Verjährung. Sie sollten den Nachbarn also unter angemessener Fristsetzung zur Herausgabe auffordern. Laiensprachlich dürften Sie natürlich trotz alledem von einer Beseitigung sprechen, auch wenn juritisch ein wesentlicher Unterschied zwischen dem verjährten Beseitigungsanspruch und dem unverjährten Herausgabeanspruch besteht:
Der Unterschied zum Beseitigungsanspruch liegt darin, dass der Gegner des Herausgabeanspruchs bloß die unmittelbare Sachherrschaft über Ihren Grundstücksteil aufgeben muss; er muss aber gerade nichts aktiv tun. Das heißt faktisch, dass die Entfernung der auf Ihrem Grundstück befindlichen Bauwerksteile (Balken, Verbindungen, etc.) an Ihnen liegt. Bei der Entfernung trifft Sie eine Schadensminderungspflicht. Für unvermeidbare Schäden bei der Entfernung hätten Sie jedoch nicht zu haften.
Faktisch heißt das also: Das Entfernen der Bauwerksteile schuldet nicht der Gegner, kann aber von Ihnen vorgenommen werden, wobei dann Streit vorprogrammiert ist, wenn es dadurch zu Schäden kommt. Gerade dieses Ergebnis verdeutlicht, dass eine gütliche Einigung im Sinne beider ist: Der Nachbar - wenn er sich stur stellt - läuft Gefahr, Schäden am Carport zu erleiden, auf denen er sitzen bleibt.
Rechtlich richtet sich der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB übrigens nicht gegen denjenigen, der das rechte Carport errichtet hat sondern stets gegen den jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks. Rechtlich macht es also keinen Unterschied, ob Sie diesen Anspruch jetzt oder nach der Veräußerung des Grundstücks gegen den neuen Nachbarn ausüben. (Faktisch dürfte es das neue Nachbarschaftsverhältnis aber u.U. sehr wohl trüben, so dass ich Ihnen zustimme, dass es sinnvoll wäre, den Anspruch jetzt geltend zu machen; zumindest nachweisbar durch ein Schreiben unter Fristsetzung. Dadurch könnte dem neuen Nachbarn dann zumindest vorgehalten werden, dass die "Herausgabe" schon länger ein Thema ist.)
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben. Sollte es im weiteren Verlauf zu Schwierigkeiten kommen, können Sie sich gern an mich wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Liedtke
Rechtsanwalt
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