Bitcoins nach Ablauf der Spekulationsfrist und "geschenkte" Coins
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Dr. Schenk,
nehmen wir an, Herr Müller besitzt eine beträchtliche Menge an Bitcoins, die er 2012 über eine Bitcoin-Börse gekauft hat und seither unverändert hält. Diese wären nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG bei einem Verkauf steuerfrei (privates Veräußerungsgeschäft nach Ablauf der Spekulationsfrist von einem Jahr).
Nun hat Herr Müller erfahren, dass andere Blockchain-Anbieter wie Stellar kostenlos Einheiten ihrer eigenen Blockchain an Bitcoin-Besitzer verteilen (https://www.stellar.org/blog/bitcoin-claim-lumens-2/). Dabei handelt es sich um ein Geschenk, an das keine weiteren Bedingungen geknüpft sind.
Die Menge dieser kostenlos ausgegebenen Einheiten (die jedoch an Börsen gehandelt werden und daher einen nachvollziehbaren Wert besitzen) bemisst sich an der Menge an Bitcoin, die der jeweilige Antragssteller zu einem Zeitpunkt X hält. Um dies nachzuweisen ist es notwendig, mithilfe des eigenen Bitcoin-Wallets eine von Stellar vorgegebene Nachricht zu signieren, und zwar mit der Adresse, auf der die Bitcoins liegen (so lässt sich technisch zweifelsfrei nachweisen, dass der Antragssteller im Besitz der Bitcoins ist). Es werden dabei jedoch keinerlei Bitcoins transferiert, es wird lediglich die Nachricht kryptografisch signiert.
Nun kommt § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG ins Spiel:
"Bei Wirtschaftsgütern im Sinne von Satz 1, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden, erhöht sich der Zeitraum auf zehn Jahre"
Nimmt Herr Müller also nun an dieser Ausgabe von Stellar teil, und bezieht aufgrund seiner Bitcoins kostenlos Stellar Lumens (die Rechnungseinheit der Stellar-Blockchain),
1. ist damit die Nutzung der Bitcoins als Einkunftsquelle im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG gegeben, und erhöht sich damit die Spekulationsfrist für diese Bitcoins auf zehn Jahre?
2. sind die Stellar Lumens bei einem Verkauf zu versteuern (Betrag liegt über der Freigrenze von 600€)?
Mit besten Grüßen!
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Antwort von Steuerberater Dipl.-Kfm. Rainer Schenk
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auch aufgrund Ihrer Angaben und vor dem Hintergrund Ihres Einsatzes im Rahmen einer Erstberatung auf yourXpert gerne beantworte. Die Beantwortung erfolgt gemäß der von Ihnen vorgenommen Sachverhaltsschilderung. Fehlende oder fehlerhafte Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen können das rechtliche Ergebnis durchaus beeinflussen.
Die Bitcoins werden allerhöchstes indirekt als Einkunftsquelle genutzt, wobei Einkünfte nur dadurch enstehen würden, dass die Stellar Lumens veräußert würden. Dann hätte man wiederum Einkünfte gem. § 23 EStG (private Veräußerungsgeschäfte). Die Spekulationsfrist ist hier dahingehend zu prüfen, wann der Schenker hier seinen Anschaffungszeitpunkt hat, weil Sie als Beschenkter in die steuerlichen Fußstapfen des Schenkers treten treten (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 EStG).
Es besteht in der Tat ein gewisses Risiko, dass sich bzgl. der Bitcoins eine Erweiterung der Spekulationsfrist auf 10 Jahre ergibt, wenn man seitens des Finanzamts die Meinung vertreten würde, dass die Bitcoins zumindest indirekt als Einkunftsquelle dienen, weil ohne diese Bitcoins die Schenkung nicht erfolgt wäre Ist das nicht der Fall würde ich davon ausgehen, dass es bei der 1 Jahres Frist bleibt. Folgeienkünfte entstünden innerhalb der selben Einkunftsart (§ 23 EStG) durch die Veräußerung der Lumens, egal ob innerhalb eines Jahres oder später. Es handelt sich in beiden Fällen um Einkünfte, auch wenn diese innerhalb der 1 Jahres Frost steuerfrei blieben. Wenn es also an einem echten inneren Zusammenhang mangelt, wäre die einjährige Spekulationsfrist wohl maßgeblich.
Fazit. Eine sichere und exakte Antwort kann ich Ihnen leider nicht geben, auch vor dem Hintergrund, dass ein solcher Einzelfall noch nicht von den Gerichten aufgegriffen zu sein scheint. Hierzu müsste man noch tiefer in die Materie einsteigen, was im Rahmen dieser Erstberatung und dem gegebenen Preis nicht darstellbar ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Schenk
Steuerberater
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vielen Dank für Ihre Antwort.
Wieviel Sinn würde es Ihrer Meinung nach machen, in dieser Frage eine verbindliche Auskunft vom Finanzamt zu verlangen?
Könnten Sie mir ein Angebot dafür machen, was es ungefähr kosten würde, wenn Sie mir eine entsprechende Anfrage formulieren?
Beste Grüße!
Die verbindliche Auskunft ist an bestimmte Formalien gebunden. Ich denke, dass es mit einem pauschalen Honorar für zwei Stunden Zeitaufwand und je Stunde somit 120 Euro netto zzgl. USt (also 240 Euro + Umsatzsteuer) zu erledigen ist. Das würde nur Sinn machen, wenn ich das Mandat direkt bearbeite, weil ich hier über die Plattform nur 65 % des Honorars bekomme und dann auch noch daraus die Umsatzsteuer abführen muss. Die Bearbeitungszeit beim Finanzamt kann aber durchaus 4 Wochen dauern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Schenk
Eine kurze Rückfrage hätte ich noch: Die Nutzung der Bitcoins als Einkunftsquelle (falls zutreffend) erfolgt ja nach Ablauf der einjährigen Frist. Kann diese Frist nachträglich überhaupt wieder aufleben?