Betondecke EG / Fräsungen der Betonplatte für Elektro Leerrohre
Beantwortet von Architekt / Bausachverständiger Jürgen Welsch
Fragestellung
Sehr geehrte Experte,
der Elektriker hat an mehreren Stellen für seine Leerrohre Fräsungen auf der EG Betondecke bzw. auf dieser Decke im OG Kabelkanäle von ca. 36 cm länge und 20-22 mm Tiefe ausgefräst. Die Betonüberdeckung ist laut Statikplan mit 20mm.
Ist das in Ordnung und welche Maßnahmen müssen sofern nötig ergriffen werden um die Bewährung ggf. vor Korrosion zu schützen ?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Architekt / Bausachverständiger Jürgen Welsch
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
besten Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
Sie teilen mit, dass der Elektriker Ihres Bauvorhabens an mehreren Stellen für seine Leerrohre Fräsungen auf der EG Betondecke, bzw. auf dieser Decke im OG für Kabelkanäle von ca. 36 cm Länge und 20-22 mm Tiefe vorgenommen hat. Die Betonüberdeckung sei laut Statikplan mit 20mm angegeben.
Ich gehe davon aus, dass Sie mit den Fräsungen an der EG Decke entsprechende Fräsungen von unterhalb meinen. Oberhalb ginge es sodann um Fräsungen auf der gleichen Decke, aber eben von oben.
Ich habe mir die von Ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen angesehen. Ich gehe davon aus, Sie bauen mit der Firma Town & Country ein Einfamilienhaus.
Anhand des beigefügten Planes, der durch den Fachingenieur (Statiker) Dipl.-Ing. Michael Neubauer erstellt wurde, erkennt man, dass die Firma mit Betonfertigteildecken (sog. Filigrandecken) in Verbindung mit vor Ort herzustellender oberer Bewehrung und entsprechendem Aufbeton arbeitet.
Ich halte es als Architekt und Sachverständiger grundsätzlich für bedenklich, wenn nachträglich in tragenden Stahlbetonbauteilen Schlitze oder Aussparungen hergestellt werden.
Es obliegt der vernünftigen Planung, Elektroinstallationen frühzeitig fach- und sachgerecht so zu planen und zu koordinieren, dass Stemmungen und Fräsungen gar nicht erst erforderlich werden.
Mangelt es bspw. an zuvor vernünftig geplanten und ausgeführten Leerrohren, die innerhalb der Decke (vor dem Aufbeton) verlegt werden, so bietet sich an, Elektroinstallationen für das Erdgeschoss auf der fertigen Stahlbetondecke (einschließlich Aufbeton) zu verlegen. Diese können dann innerhalb der Estrichkonstruktion integriert werden. Natürlich kommt es hierbei auch auf das Volumen der gewünschten Elektroinstallationen an.
Gleiches gilt für evtl. nachträglich bestellte Sonderwünsche.
Nun sind die Arbeiten an Ihrem konkreten Objekt offenbar schon zu weit voran geschritten und es wurde bereits gestemmt bzw. gefräst.
Selbstverständlich kann man nachträglich auch in tragenden Bauteilen Aussparungen herstellen, sofern dies mit dem Tragwerksplaner (Statiker) genau abgestimmt und koordiniert worden ist. Es gibt hier zulässige Fälle, bestimmte tragende Bauteile erlauben in entsprechenden Bereichen durchaus nachträgliche Öffnungen, ohne die Tragfähigkeit einzuschränken. Es kommt aber auf den individuellen Einzelfall an.
Um sicherzustellen, dass an Ihrem Bauvorhaben die Tragfähigkeit der Deckenkonstruktion in keiner Weise eingeschränkt ist, was im Übrigen auch die Bewehrungsüberdeckung einschließt, empfehle ich Ihnen dringend, einen örtlichen Statiker zu bitten, sich die Situation an Ort und Stelle in Verbindung mit den Planungsunterlagen sowie der vollständigen Statik anzusehen.
Parallel würde ich empfehlen, Herrn Dipl.-Ing. Michael Neubauer zu involvieren und ihn um eine fachtechnische Stellungnahme zu bitten, denn er ist der Ersteller der Statik.
Kommt Herr Neubauer, wie ich es vermute, aus der Beauftragung der Firma Town & Country, mag sich hier ggf. ein Interessenskonflikt entfalten. Deshalb ist, wie vorher empfohlen, die Konsultierung eines unabhängigen - von Ihnen beauftragten - Statikers als Gutachter sinnvoll.
Desweiteren würde ich Ihnen empfehlen, den Ersteller Ihres Hauses zu bitten, die Ausführung vorübergehend zu unterbrechen, bis jemand vor Ort mit Gewissheit beurteilt und bestätigt hat, dass keine konstruktiven Bedenken vorliegen.
Bestehen hingegen Bedenken, kann ein Statiker durchaus Möglichkeiten aufzeigen, den "Schaden" zu beheben.
Da man aus der Ferne heraus natürlich keine genauere Bewertung vornehmen kann, zugleich aber auch nicht den Umfang der gegebenen Situationen zu beurteilen vermag, empfehle ich ggf. zur Absicherung, bis die o. g. Fragen solide geklärt sind, dass der Ersteller des Gebäudes gefährdete Bereiche temporär von unten mit geeigneten Baustützen absichert.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit den vorstehenden Erläuterungen helfen und Ihnen eine richtungsweisende Orientierung vermitteln. Für die weitere Durchführung Ihres Eigenheims wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg!
Mit freundlichem Gruß
Jürgen Welsch
Architekt
Beratender Sachverständiger
Gutachter FB Immobilien
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