Befristeter Arbeitsvertrag als geringfügig Beschäftigter und Kündigung
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Meyer,
ich bin am 06.06.1950 geboren und beziehe seit dem 01.11.2015 eine Regelaltersrente.
Den Arbeitsvertrag habe ich im pdf-Format hochgeladen.
Der Disponent der Firma hat mir am 13.07.2017 mündlich mitgeteilt, dass man nach dem Ende der Sommerferien am 29.08.2017 keine Arbeit als Schulbusfahrer mehr für mich hat. Mitbewerber hätten in Ausschreibungsverfahren bessere Konditionen anbieten können.
Kann ich von der Firma vor Ablauf der Befristung am 31.10.2017 gekündigt werden?
Eine schrifliche Kündigung habe ich bis heute noch nicht.
Falls man mir nicht kündigen kann, stehe ich auch nach den Ferien eigentlich weiterhin "auf Abruf"
zur Verfügung und man müßte mir 10 Stunden pro Woche bezahlen. Eine wöchentliche Arbeitszeit
ist im Arbeitsvertrag ja nicht festgelegt.
Da sich die Firma bisher noch nicht gemeldet hat, würde ich gerne auf sie zugehen. Dazu bräuchte ich aber Ihre Einschätzung der Lage.
Ich bedanke mich für Ihre Bemühung
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
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Antwort von Rechtsanwalt Ruben Meyer
Sehr geehrter Ratsuchender,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage auf yourxpert und Ihr Vertrauen.
Gern kann ich Ihre Fragen zum Arbeitsrecht beantworten.
Sie haben mit der Firma Schlothmann-Reisen GmbH & Co KG am 14.11.2016 einen Arbeitsvertrag geschlossen. Seit dem 01.11.2015 beziehen Sie zudem Regelaltersrente.
Ihr Disponent hat Ihnen am 13.07.2017 mündlich mitgeteilt, dass man nach dem Ende der Sommerferien am 29.08.2017 keine Arbeit als Schulbusfahrer mehr für Sie hat. Eine schriftliche Kündigung haben Sie nicht erhalten.
1. Möglichkeit der Kündigung vor Ablauf der Befristung am 31.10.2017
Der Arbeitsvertrag wurde wirksam als befristeter Vertrag abgeschlossen. Die Befristung des Vertrages läuft bis zum 31.10.2017.
Eine ordentliche Kündigung des Vertrags ist nicht möglich, da es sich um einen befristeten Vertrag handelt und die ordentliche Kündigungsmöglichkeit nicht ausdrücklich vereinbart wurde.
Unter dem Punkt: „Kündigungsfristen / Beendigung des Arbeitsverhältnisses!“ wurde lediglich die mögliche Beendigung innerhalb einer Probezeit geregelt.
Damit ist der Vertrag nur aus wichtigem Grund fristlos kündbar § 626 BGB.
Wichtige Gründe nach § 626 BGB sind allerdings nicht ersichtlich. Ein Auftragsmangel reicht als wichtiger Grund für eine Kündigung allein nicht aus.
Im Übrigen ist die Art Ihrer Tätigkeit sehr weit gefasst. Laut Arbeitsvertrag werden Sie vom Arbeitgeber zwar als Omnibusfahrer im Schulbusverkehr beschäftigt. Der Einsatz kann aber auch zu pflege-, Reinigungs-, Wartungs-, sowie allen sonstigen Arbeiten erfolgen, die unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse notwendig sind.
Selbst wenn ein Einsatz im Schulbusverkehr nicht mehr möglich ist, müssten zumindest pflege-, Reinigungs-, oder Wartungsaufgaben im Betrieb anfallen, die Ihnen der Arbeitgeber zuweisen könnte.
Fazit: Für eine mögliche wirksame Kündigung durch den Arbeitgeber sehe ich keine Anhaltspunkte. Der Vertrag läuft bis zum 31.10.2017 weiter.
Sollte dennoch eine Kündigung durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden, besteht für Sie ein Kündigungsschutz besteht allerdings erst dann, wenn Ihr Arbeitgeber mehr als 10,0 Mitarbeitende beschäftigt (§ 23 Kündigungsschutzgesetz).
Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.
2. Anspruch auf Zuweisung von Arbeit
Eigentlich stehen Sie dem Arbeitgeber auch ohne Aufträge zum Schulbusverkehr weiterhin zur Verfügung. Eine wöchentliche Arbeitszeit ist im Arbeitsvertrag allerdings nicht festgelegt.
Zunächst ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet im Arbeitsvertrag auch die regelmäßige Arbeitszeit anzugeben. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 7 Nachweisgesetz.
§ 2 Nachweispflicht (Nachweisgesetz)
(1) Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:
7. die vereinbarte Arbeitszeit.
Diese Regelung gilt auch für geringfügig Beschäftigte. Leider sieht das Gesetz keine direkten Konsequenzen vor, wenn der Arbeitgeber diese Regelung nicht einhält.
Häufig wird mit dem Weglassen der Arbeitszeit bezweckt, dass der Arbeitgeber hier besonders „flexibel“ die Dauer der Arbeitszeit selbst bestimmen möchte und bei schlechter Auftragslage so den Arbeitslohn bei der Abrechnung nach Stundenbasis reduzieren möchte. Dies geht natürlich so nicht.
Das Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber und dieser muss – wenn er keine Arbeit hat – die regelmäßige Arbeitszeit vergüten.
Ein Arbeitsvertrag, der dem Arbeitgeber eine vollkommene freie Flexibilisierung der Arbeitszeit ermöglicht, ist in Deutschland gesetzlich nicht vorgesehen. In § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist zwar eine Arbeit auf Abruf geregelt, allerdings muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit arbeitsvertraglich vereinbart werden. Wurde die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt, gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart.
Für die Annahme einer „Arbeit auf Abruf“ müssten sich jedoch auch Anhaltspunkte im Vertrag finden. Allein der Umstand, dass keine Arbeitszeit vereinbart wurde und das ein „Ruhenszeitraum“ gelten soll, reicht meiner Ansicht nach dafür nicht.
Damit bleibt es bei einem regulären Arbeitsverhältnis und nicht bei der Annahme einer „Arbeit auf Abruf“ und es ist die Frage zu klären, welche Arbeitszeit hier als vereinbart gelten soll-
Dazu gibt es zwei einschlägige Urteile des Bundesarbeitsgerichts:
1. Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15.05.2013 (Aktenzeichen 10 AZR 325/12)
"Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart. Nach ihr bemessen sich die Pflichten des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Diese Grundsätze gelten auch für außertarifliche Angestellte."
2. Bundesarbeitsgericht Urteil vom 02.11.2016 (Aktenzeichen 10 AZR 419/15)
Vertragsauslegung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit, gelebtes Arbeitsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens
„Haben die Parteien einen Arbeitsvertrag ohne ausdrückliche Willenserklärungen zu seinem näheren Inhalt geschlossen, kann in Ermangelung anderer Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit auf das gelebte Rechtsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens abgestellt werden. Dabei entspricht die Referenzmethode am ehesten dem durch tatsächliche Arbeitsleistung geäußerten Parteiwillen, wenn der Beurteilung eine mehrjährig übereinstimmend und ohne entgegenstehende Bekundungen geübte Vertragspraxis zugrunde liegt. Der Referenzzeitraum ist so zu bemessen, dass zufällige Ergebnisse ausgeschlossen sind und der aktuelle Stand des Vertragsverhältnisses der Parteien wiedergegeben wird. Es gibt keine feste Regel, welcher Zeitraum hierbei in den Blick zu nehmen ist.“
3. Unwirksamkeit der Ruhensphase in den Ferien
Derzeit sind Schulferien. Es ist zwar unter dem Punkt „Besondere Vereinbarung“ in Ihrem Arbeitsvertrag geregelt, dass das Arbeitsverhältnis in den Ferien ruhen soll. Eine solche „Ruhensphase“ kennt das Arbeitsrecht allerdings so nicht. Diese Regelung ist daher aus meiner Sicht unwirksam.
Da Ihr Einsatz ja auch zu pflege-, Reinigungs-, Wartungs-, sowie allen sonstigen Arbeiten erfolgen kann, kann die Tätigkeit auch nicht auf die Schulzeit begrenzt bleiben, Ihr Arbeitgeber muss Ihnen vielmehr dann in den Ferien andere Tätigkeiten zuweisen, die unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse notwendig sind.
Fazit:
1. Eine Arbeit auf Abruf liegt nicht vor.
2. Auch wenn im Arbeitsvertrag kein Urlaub geregelt wurde, steht Ihnen der gesetzliche Urlaubsanspruch in Höhe von 20 Arbeitstagen (je nach Tage-Woche) zu.
3. Der Arbeitgeber muss Sie auch in der Ferienzeit einsetzen und bezahlen. Es gibt keine wirksame Vereinbarung einer „Ruhenszeit“.
4. Wenn keine Arbeitszeit vereinbart wurde, gilt die für geringfügig Beschäftigte übliche Arbeitszeit bzw. die Arbeitszeit, die Sie in der Schulzeit (Ferienzeit wird nicht berücksichtigt) regelmäßig geleistet haben.
5. Der Anspruch auf Erbringung der Arbeitsleistung besteht bis zum 31.10.2017.
Um den Anspruch auf Erbringung der Arbeitsleistung weiter geltend zu machen, müssen Sie dem Arbeitgeber Ihre Arbeitsleistung laut Vertrag ausdrücklich und nachweislich (am besten unter Zeugen) anbieten.
Sollten Sie Fragen zu meinen Erläuterungen bzw. zu einzelnen Klausel Ihres Arbeitsvertrag haben, können Sie gern weitere Rückfragen per E-Mail stellen, bis Sie Klarheit haben.
Freundliche Grüße
Ruben Meyer
Rechtsanwalt für Arbeitsrecht
Personalfachkaufmann (IHK)
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