Arbeitsrecht - Internes Vorgehen des BR zur Feststellung Gemeinschaftsbetriebs
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Einleitung: Es gibt 2 Betriebe A (270 Mitarbeiter) und B (10 Mitarbeiter), die einen Gemeinschaftsbetrieb nach §1 BetrVG vermuten lassen. Seit 01.01.2018 ist Betrieb A gesetzlich mit der Trägerschaft von Betrieb B betraut. Vor dem 01.01.2018 hatten beide Betriebe nichts miteinander zu tun.
Betrieb A hat im April 2018 einen neuen Betriebsrat gewählt. Betrieb B ist eine kleine Behörde, könnte also einen Personalrat wählen, plant dies aber nicht.
1) Der Betriebsrat von A ist nun mehrheitlich der Ansicht, dass ein Gemeinschaftsbetrieb nach BetrVG mit B vorliegt und will nun die 10 Mitarbeiter von Betrieb B mit betreuen. Diese Mitarbeiter möchten dies auch so.
Was muss der Betriebsrat von A (BR A) nun tun? Kann er einfach nur die Arbeitgeber A und B darüber informieren, dass seiner Ansicht nach ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt und er sich nun auch für die Mitarbeiter von B zuständig fühlt? Könnte der BR zeitgleich dann auch schon die Mitarbeiter von Betrieb B zur Betriebsversammlung von A einladen?
Müssen die Arbeitgeber A und B offiziell ihr OK zum Gemeinschaftsbetrieb geben? Was ist, wenn sie gar nicht reagieren?
Was ist, wenn die Arbeitgeber nicht einverstanden sind und die Frage dann vom Arbeitsgericht geklärt wird, kann während dieser Klärungsphase der BR A die Mitarbeiter von B erst einmal schon betreuen oder noch nicht? Falls das Arbeitsgericht einen Gemeinschaftsbetrieb feststellt, sind dann BR-Neuwahlen fällig oder kann BR A bis zu den regulären Wahlen im Amt bleiben?
2) Der Betriebsrat kann sich nicht mehrheitlich zu einer Entscheidung durchringen, ob oder das ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt. Es gibt aber dennoch evidente Fakten, die einen Gemeinschaftsbetrieb vermuten lassen, allerdings kümmert es die Mehrheit des Betriebsrates nicht. Gibt es für die Minderheit im Betriebsrat dennoch eine Möglichkeit, einen Gemeinschaftsbetrieb feststellen zu lassen.
Würde es helfen, Gewerkschaftsmitglied zu werden und über die Gewerkschaft zu gehen?
Vielen Dank und viele Grüße
Tobias Fechler
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Antwort von Rechtsanwalt Simon Bürgler
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Gemeinschaftsbetrieb, die ich Ihnen gerne wie folgt beantworte:
- Ein Gemeinschaftsbetrieb liegt dann vor, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Eines zusätzlichen formalen Akts bedarf es hierfür nicht. Eine Anzeige gegenüber den beiden Arbeitgebern reicht insofern aus. Da das Vorhandensein eines Gemeinschaftsbetriebs jedoch zumeist negative Konsequenzen für die Arbeitgeber hat, wehren sich diese meist hiergegen. Unabhängig davon ist aber auch schon aus Gründen der Rechtssicherheit dem Betriebsrat zu empfehlen, eine verbindliche Entscheidung durch das zuständige Arbeitsgericht herbeizuführen.
Was passiert nun in dieser "Schwebephase"? Sind Betrieb A und Betrieb B tatsächlich zu einem gemeinsamen Betrieb geworden, verlieren diese ihre Identität und gehen in einem neuen Gemeinschaftsbetrieb auf. Das Amt der alten Betriebsratsmitglieder endet und es muss ein neuer Betriebsrat für den Gemeinschaftsbetrieb gewählt werden. Bis zur Wahl eines neuen Betriebsrats bleibt jedoch zunächst der Betriebsrat von Betrieb A noch im Amt (§ 21a Absatz 2 BetrVG, sogenanntes "Übergangsmandat"). Der Betriebsrat hat jedoch unverzüglich Wahlvorstände zu bestellen. Das Übergangsmandat endet, sobald ein neuer Betriebsrat gewählt wurde, spätestens jedoch nach sechs Monaten. Bitte beachten Sie: Je nach Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann es hier Besonderheiten geben!
- Ja, es gibt dennoch eine Möglichkeit einen Gemeinschaftsbetrieb feststellen zu lassen. Antragsbefugt für eine gerichtliche Feststellung ist nämlich nicht nur ein Betriebsrat, sondern auch gemäß § 18 Absatz 2 BetrVG der Arbeitgeber, jeder beteiligte Wahlvorstand oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen hinsichtlich Ihrer Fragen weiterhelfen. Bei Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Ihr
Rechtsanwalt Simon Bürgler
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Gerne wieder!
haben Sie vielen Dank für Ihre Antwort. Ich habe noch 2 kleine Rückfragen:
1) Sie erwähnten die Notwendigkeit von Neuwahlen des BR. Jetzt existiert doch eigentlich der Gemeinschaftsbetrieb seit 01.01.2018, ohne das es jemand bemerkt hat. Im April wurde für Betrieb A ein neuer BR gewählt, das Ergebnis wurde nicht angefochten.
Aber ich habe Sie richtig verstanden, dass ein neuer BR für den Gemeinschaftsbetrieb gewählt werden muss, wenn ein Gemeinschaftsbetrieb festgestellt wird?
2) Mit "Schwebezustand" meinte ich einen Dissenz zwischen BR und Arbeitgeber in der Frage des Gemeinschaftsbetriebes, der hierzu vom Arbeitsgericht entschieden werden muss. Wie ist die Lage bis zur Gerichtsentscheidung, getrennte Betriebe oder schon Gemeinschaftsbetrieb?
Vielen Dank und viele Grüße
Tobias Fechler
gerne beantworte ich Ihnen Ihre Rückfragen wie folgt:
1.) Der Betrieb B konnte ja an der Betriebsratswahl im April gar nicht partizipieren. Sofern tatsächlich ein Gemeinschaftsbetrieb vorliegt, ist das natürlich ein unhaltbarer Zustand, der "geheilt" werden muss. Dies kann nur durch eine erneute Wahl eines neuen, gemeinschaftlichen Betriebsrats erfolgen.
2.) Sobald die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist ein Gemeinschaftsbetrieb gegeben. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts dient letztlich nur als formelle Bestätigung.
Mit freundlichen Grüßen
Simon Bürgler
Rechtsanwalt