Anwaltsrechung RVG - Prüfung auf Korrektheit / Optionen
Beantwortet
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
die gestellte Anwaltsrechnung vom 12.06.2018 ist nach meinem Verständnis nicht korrekt. Der Faktor für die Geschäftsgebühr mit 1,8 scheint zu mir zu hoch, für die geleisteten Aufwände. Es gab 3 pers. Termine vor-Ort, ca. 6 telefonische Gespräche, sowie 6 Anfragen zur Beratung per EMail.
Alle strittigen Punkte wurden von mir, teilweise auf Hinweis des Anwalts mit meiner Frau vor dem Gerichtstermin geregelt. Die Immobilie verkauft, nachehelicher Unterhalt und Zugewinn über eine Scheidungsfolgevereinbarung notariell geregelt. Es handelt sich aus meiner Sicht eher um einen einfach gelagerten Scheidungsfall, ohne größere Komplexität. Zudem wird eine Verrechnung mit der Verfahrensgebühr ausgeschlossen (siehe hierzu Rückmeldung des Anwalts vom 10.07.2018). Ist der Faktor 1,8 ein aktuell üblicher Verrechnungssatz?
Fraglich ist auch die geforderte Einigungsgebühr, die nach meinem Verständnis gem. RVG bei Ehesachen außer Betracht bleibt, falls ein Vertrag, insbesondere über den Unterhalt geschlossen wird. Dies ist mit unserer Scheidungsfolgevereinbarung der Fall, in der nachehelicher Unterhalt und Zugewinn notariell geregelt wurde.
Bitte prüfen Sie die beigefügte Rechnung auf Korrektheit und nennen Sie mir mögliche weitere Schritte, falls der Anwalt auf seiner Position beharrt.
Gerne liefere ich weitere Informationen/Dokumente oder stehe für Rückfragen zur Verfügung.
Mit freundlichem Gruß
M. S.
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Antwort des Experten
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihren Auftrag. Ich habe die hochgeladenen Dokimente unter Berücksichtigung Ihrer ergänzenden Angaben auf Richtigkeit durchgesehen. Zu den von Ihnen angesprochenen Punkten bzgl. der Rechnung vom 12.06.2018 kann ich Ihnen folgende Hinweise geben:
1) Soweit hier eine 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG angesetzt wird, ist das m. E. richtig. Es ging hier um die außergerichtliche Vertretung bzgl. der Regelung der Scheidungsfolgen, insbesondere Unterhalt. Nach meinem Verständnis hat der Anwalt hier dazu beigetragen, dass Sie sich mit Ihrer Frau einigen konnten und eine einvernehmliche Vereinbarung (beim Notar) getroffen wurde. Wenn das so ist, hat er grundsätzlich auch Anspruch auf eine Einigungsgebühr. Denn diese entsteht "für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird" (Erläuterung zu Nr. 1000 VV RVG, Abs. 1). Soweit Sie auf Absatz 5 der Erläuterungen verweisen, haben Sie zwar Recht, eine Einigungsgebühr fällt u. a. in "Ehesachen" nicht an. "Ehesachen" in diesem Sinne meint aber den Bestand der Ehe, also die Scheidung an sich. Denn diese kann nur im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erfolgen, die Ehepartner können sich also nicht über die Scheidung außergerichtlich "einigen". Nicht gemeint mit "Ehesachen" sind aber die Scheidungsfolgen, um die es hier ging.
2) Vor diesem Hintergrund ist es nach meiner Einschätzung auch richtig, dass der Kollege die außergerichtlichen Gebühren nicht auf die Gebühren des gerichtlichen Scheidungsverfahrens anrechnet. Die Anrechnung erfolgt nach Absatz 4 der Vorbemerkungen zu Teil 3 des VV RVG, soweit der Anwalt wegen "desselben" Gegenstands sowohl außergerichtlich wie gerichtlich vertritt. Scheidung und Scheidungsfolgen sind in der Tat nicht "derselbe" Gegenstand, sondern unterschiedliche Gegenstände.
3) Hinsichtlich des Ansatzes der 1,8 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG geht der Kollege in der Tat über den Regelfall der 1,3 Geschäftsgebühr hinaus. Nach der Erläuterung zu Nr. 2300 VV RVG kann eine über 1,3 liegende Gebühr gefordert werden, wenn die Tätigkeit "umfangreich" oder "schwierig" war. § 14 Abs. 1 RVG regelt, dass der Anwalt die Gebühr innerhalb des Rahmens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere "des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers" bestimmen kann. Hier stehen sich die Eindrücke von Ihnen und Ihrem Anwalt diametral gegenüber: Sie sagen, die Sache sei einfach gelagert, der Kollege verweist auf die Länge der Mandatsdauer sowie die "zahlreichen" Anfragen von Ihrer Seite. Je nachdem, welche Sichtweise obektiv zutrifft, kann der Ansatz von 1,8 gerechtfertigt sein, oder nicht. Dazu gibt es eine Fülle von Einzelentscheidungen von Rechtsanwaltskammer und Gerichten, die ich aber nicht vollständig überblicken kann. Zudem ist jeder Einzelfall anders gelagert und nur auf den Einzelfall kommt es an. Insoweit kann ich keine abschließende Aussage treffen, ob der Ansatz hier gerechtfertigt ist. Die von Ihrem Anwalt angeführten Gründe bewegen sich aber durchaus in dem Bereich, den § 14 Abs. 1 RVG meint.
Insgesamt bin ich daher der Meinung, dass die Rechnung vom 12.06.2018 überwiegend nicht angreifbar ist. Nicht abschließend klar ist für mich lediglich die Berechtigung der 1,8 Geschäftsgebühr. Der Unterschied zur Regelgebühr von 1,3 macht hier 469 Euro netto (brutto also 558,11 Euro) aus. Wenn Sie weiterhin der Ansicht sind, dass hier nur die Regelgebühr abzurechnen war, dann kürzen Sie die Rechnung einfach um diesen Betrag. Der Anwalt müsste Sie dann ggf. gerichtlich auf Zahlung des Restbetrags in Anspruch nehmen. Ob er das angesichts des Betrages wirklich machen würde, erscheint mir allerdings fraglich.
Gerne stehe ich für Rückfragen oder weitergehende Empfehlungen zur Verfügung. Nutzen Sie gerne einfach die Kommentarfunktion der Plattform.
Mit freundlichem Gruß
Florian Bretzel
Rechtsanwalt
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vielen Dank für die schnelle Bearbeitung und die präzise Bewertung ihrerseits.
Wie hoch wäre der Unterschied bzw. der Betrag (brutto) der zu kürzen ist, wenn der Faktor 1,5 bei der Geschäftsgebühr angesetzt wird. Der Faktor 1,5 anstelle von 1,3 Regelgebühr (brutto 558,11 Euro) scheint mir angemessener. Faktor 1,8 hingegen halte ich weiterhin für etwas zu hoch.
Der Anwalt bitte um sofortige Bezahlung der Rechnung, noch vor dem anstehenden Gerichtstermin in dem er mich auch vertreten soll, um die Scheidung zum Abschluss zu bringen (voraussichtlich in den nächsten 4-8 Wochen). Erwarten Sie Komplikationen, falls ich jetzt einen gekürzten Betrag überweise bzw. wie ist Ihre Handlungsempfehlung in diesem Fall, speziell falls der Anwalt den gekürzten Betrages einfordert bevor der Gerichtstermin und das Scheidungsverfahren abgeschlossen ist?
Mit freundlichem Gruß
M. S.
Bei dem Streitwert von 32.500 Euro beträgt die 1,0 Gebühr 938 Euro (https://www.gesetze-im-internet.de/rvg/anlage_2.html). Zwischen 1,3 und 1,5 beträgt der Unterschied 0,2 dieses Betrages, also 187,60 Euro netto = 223,24 Euro brutto.
Wenn Sie nicht vollständig zahlen, könnte der Kollege natürlich damit drohen, Sie nicht in der mündlichen Verhandlung zu vertreten. Diese Niederlegung wäre auch grundsätzlich zulässig, da sie bei ausreichendem Vorlauf zum Verhandlungstermin nicht "zur Unzeit" erfolgen würde. Sie könnten sich dann noch rechtzeitig anderweitig vertreten lassen.
Da Sie aber nach meinem Verständnis die Scheidungsfolgen bereits außergerichtlich geregelt haben, halte ich eine anwaltliche Vertretung im Scheidungstermin sowieso für überflüssig. Die dort abzugebenden Erklärungen sind ohnehin höchstpersönlich, d. h. Sie müssen selbst sprechen/erklären. Bei solchen Terminen, wenn die Folgen bereits geregelt sind, sind Anwälte eigentlich nur noch schmückendes Beiwerk. Insoweit würde ich empfehlen, dass Sie sich - falls möglich - mit Ihrer Frau dahingehend verständigen, die Anwälte im Termin außen vor zu lassen.
Daher erscheint mir auch das "Drohpotenzial" des Kollegen bei Nichtzahlung eher gering. Er müsste Sie dann schon verklagen auf Zahlung des Restbetrages.
Mit freundlichem Gruß
Florian Bretzel
Rechtsanwalt