Anspruch auf Resturlaub
Fragestellung
Guten Abend Frau Ordemann,
Ich wende mich mit folgenden anliegen an Sie.
Ich arbeite seit rund 8 Jahren in Nigeria, mit einem Entsendeten Vertag aus Deutschland.
Über die letzten zwei Jahre haben sich 55 Urlaubstage angesammelt.
Unsere Personalabteilung hat nun meinen Abteilungsleiter und Kaufmann aufgefordert, das ich diese abfeiern muss, andernfalls würden diese ausgebucht.
Das muss bis zum 30.06.2019 passieren, eine Verlängerung / Aufschiebung bis zum 30.09.2019 ist nur durch die Geschäftsleitung möglich.
Meine Frage ist, kann mein Arbeitgeber meine Urlaubstage einfach ausbuchen bzw. verfallen lassen?
Ich freue mich von Ihnen zu hören,
Beste Grüße aus Nigeria,
Matthias Braun
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Uta Ordemann
Sehr geehrter Mandant,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die wie folgt zu beantworten ist:
1. Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes
Ich gehe zunächst davon aus, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der getroffenen arbeitsvertraglichen Regelungen auch weiterhin dem deutschen (Arbeits-)Recht untersteht, da keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften des Staates, in dem Sie aktuell tätig sind, entgegenstehen. Damit würden in diesem Fall die Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes und die getroffenen vertraglichen Regelungen Anwendung finden.
Gemäß § 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr muss er dann innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG). Andernfalls verfällt er grundsätzlich.
Vor diesem HIntergrund enthalten viele Arbeitsverträge eine dahingehende Regelung, dass Urlaub, der im laufenden Kalenderjahr aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht genommen werden konnte, erst dann verfällt, wenn er nicht bis zum 31.03. des Folgejahres gewährt oder genommen wird. Hiervon gab es bislang nur eine Ausnahme im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit: Urlaub, der aufgrund einer krankheitsbedingen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann, verfällt abweichend davon nach der EuGH-Rechtsprechung erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist. Damit verfällt der Urlaub, der bis zum 31.03. des Folgejahres nicht gewährt bzw. genommen worden ist grundsätzlich, es sei denn, dass er wegen einer krankheitsbedingen Arbeitsunfähigkeit bis dahin nicht genommen werden konnte. In diesem Ausnahmefall verfällt er erst 15 Monate später, wenn die Arbeitsfähigkeit bis dahin nicht wieder hergestellt ist.
Das bedeutet auf Ihren Fall bezogen, dass der Urlaub aus 2017 und 2018 spätestens am 31.03. des jeweiligen Folgejahres grundsätzlich verfallen wäre, es sei denn, dass er wegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte.
2. Neue Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen
Allerdings gibt es eine neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und auch des Europäischen Gerichtshofs zu den Voraussetzungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 06.11.2018 (Az.: C - 619/16) entschieden, dass kein automatischer Verfall des Urlaubs- und Abgeltungsanspruchs eintritt, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat. Ein solcher Automatismus würde vielmehr dem Unionsrecht widersprechen. Der EuGH hat daher entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht schon deshalb seinen Anspruch auf den Resturlaub verliert, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Vielmehr könne der Urlaubsanspruch - und der entsprechende Abgeltungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nur dann untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber etwa durch eine angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Der Arbeitgeber sei hierfür beweispflichtig, dass er den Arbeitnehmer rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass noch Resturlaub besteht und er diesen bis spätestens zum 31.12. oder 31.03. des Folgejahres nehmen müsse. Kann der Arbeitgeber diesen Nachweis nicht erbringen, dass er den Arbeitnehmer entsprechend aufgeklärt hat, verfällt der (Rest-)Urlaubsanspruch nach der aktuellen Rechtsprechung nicht automatisch.
Zur Begründung hat der EuGH weiter ausgeführt, dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses auzusehen sei. Er könnte daher davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen könne, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken könnten.
Auch das Bundesarbeitsgericht hat mit einem aktuellen Urteil vom 19. Februar 2019 (Az.: 9 AZR 541/15) entschieden, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann am Jahresende bzw am Ende des Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber nicht ausdrücklich auf den bestehenden Resturlaub und die Verfallfristen hingewiesen oder kann er den Nachweis, dass er dies getan hat, nicht erbringen, verfällt der Resturlaub nicht.
Daher kommt es hier darauf an, ob der Arbeitgeber Sie vor Ablauf der Verfallfristen für den Urlaub aus 2017 und 2018 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass Sie noch Resturlaubsansprüche haben und dass diese verfallen, wenn sie den Urlaub nicht bis zum 31.12. bzw spätestens bis zum 31.03. des Folgejahres nehmen. Hat er hierauf nicht ausdrücklich hingewiesen oder kann nicht nachweisen, dass er Sie darauf hingewiesen hat, ist der noch bestehende Resturlaubsanspruch aus den letzten beiden Kalenderjahren nicht verfallen. Der Arbeitgeber müsste diesen Anspruch dann noch gewähren.
Sollte er sich auf den Standpunkt stellen, dass der Urlaub spätestens jeweils am 31.03. des Folgejahres verfallen ist, müssten Sie dem entgegenhalten, dass dies vorausgesetzt hätte, dass er Sie vorab auch ausdrücklich auf den noch bestehenden Resturlaub und die Verfallfristen hingewiesen hat. Ist dies nicht geschehen, besteht der Urlaubsanspruch noch weiter, so dass dieser Urlaub vom Arbeitgeber noch gewährt werden müsste. Er würde damit nicht automaitsch am 30.06. verfallen, wenn der Arbetigeber einer Verlängerung bzw Aufschiebung nicht zustimmt.
Falls Sie noch Fragen hierzu haben, melden Sie sich jederzeit gern.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Ordemann
Rechtsanwältin
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