Anspruch auf Rechnung - Erpressung
Fragestellung
Guten Tag Frau Weber,
es handelt sich um folgenden Sachverhalt:
Ich war als Kommunikationstrainerin freie Mitarbeiterin in einem Unternehmen. Aufgrund von Kundenverlust musste der Vertrag mit dem Unternehmen von Unternehmensseite fristlos gekündigt werden. Bei dem Kündigungsgespräch, in dem die beiden Vorstände ein weiterer freier Mitarbeiter und ich anwesend waren, wurden wir vor folgende Sache gestellt: entweder wir stellen für den Juni keine Rechnung und dann bekommen wir den Mai sofort bezahlt. Sollten wir für den Juni eine Rechnung stellen, bekommen wir weder Juni noch Mai bezahlt. Da wir auf das Geld angewiesen waren, mussten wir uns für die Variante, eins, also Verzicht auf die Rechnungslegung für den Juni entscheiden. Es handelte sich bei den Rechnungen um folgende Beträge: Mai 3000 Euro, Juni 1000 Euro. Als Zeugen gibt es nur meinen Kollegen und die Tatsache, dass keine Rechnung gestellt wurde. Da es sich bei dem einen Vorstand um eine meiner besten Freundinnen handelte, war ich dadurch so belastet, dass ich 9 Monate ambulant in psychatrischer Behandlung war und krankgeschrieben wurde.
Das ist jetzt 4 Jahre her.
Meine Frage an Sie ist folgende: Handelt es sich bei diesem Sachverhalt um Erpressung und lohnt es sich diesbezüglich eine Anzeige zu stellen?
Vielen Dank!
K. G.
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Antwort von Rechtsanwältin Jenny Weber
Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für die Nutzung von Yourxpert. Ihre Frage beantworte ich hiermit wie folgt:
Eine Erpressung begeht, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. (§ 253 Abs.1 StGB). Zusätzlich wird noch gefordert, dass die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (§ 253 Abs. 2 StGB).
Die ersten Tatbestandsmerkmale, die Drohung mit einem empfindlichen Übel sehe ich hier als verwirklicht an. Eine Drohung liegt vor, wenn der Täter ein empfindliches Übel in Aussicht stellt, auf dessen Eintritt er Vorgibt, Einfluss zu haben. Hier hat der Vorstand letztendlich die Entscheidungsgewalt darüber, ob in Rechnung gestellte Summen auch tatsächlich ausgezahlt werden, oder nicht. Ein empfindliches Übel im Rechtssinne ist hier meines Erachtens auch gegeben, indem Ihnen mit der Nichtbegleichung gleich beider Rechnungen gedroht wurde. Diese Folge ist auch von einiger Erheblichkeit und geeignet, Sie als Geschädigte, zu dem gewollten Unterlassen der Rechnungsstellung zu motivieren. Hier handelt es sich also nicht nur um eine bloße Unannehmlichkeit, die hinzunehmen wäre.
Sie hatten auch einen rechtlichen/vertraglichen Anspruch auf die Zahlung selbstverständlich beider Rechnungen.
Die Folge der Nötigung ist ein Unterlassen im Sinne der Nichtbeibringung des geschuldeten Honorars. Der Nachteil, der Verlust der geschuldeten 1000 Euro ist hier auch eingetreten.
Problematisch an dieser Stelle ist, dass die Forderung der 1000 Euro auch werthaltig sein musste. D.h., dass das Unternehmen zu dem Zeitpunkt der Tathandlung auch finanziell und wirtschaftlich in der Lage gewesen sein muss, diese Rechnung zu bezahlen. Wenn das Unternehmen also in den roten Zahlen steckte, hatten Sie aus Sicht des Gesetzgebers ohnehin keine Chance, die Bezahlung der Rechnung zu realisieren, so dass in diesem Falle eine Erpressung nicht vorliegen würde. Ob dies nun der Fall war, lässt sich für einen Außenstehenden nicht beurteilen. Letztendlich kann dies nur ein Wirtschaftsprüfer, der ggf. Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft tätig wird, beurteilen.
Ob hier der subjektive Tatbestand, also der Vorsatz letztendlich nachweisbar ist, ist ebenfalls aus der Ferne nicht möglich, zu beurteilen. Der Täter muss mindestens den bedingten Vorsatz haben, dass die Tat zu einer nachteiligen Vermögensverfügung des Geschädigten führt und überdies die Absicht besitzen, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Der Vorsatz bezüglich der nachteiligen Vermögensverfügung Ihrerseits dürfte hier zu bejahen sein. Fraglicher erscheint es allerdings bei der Absicht, der rechtswidrigen Bereicherung. Dies hängt wiederum von der damaligen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ab. Der Vorstand könnte hier auch argumentieren, dass sich dieses Angebot damals um eine Art Vergleichsangebot handelte und eine Begleichung beider Rechnungen zu dem damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen wäre.
Daran schließt sich sogleich die Problematik des Abs. II, der sog. Verwerflichkeitsklausel, an. Die Zweck-Mittel-Relation der Anwendung der Androhung des empfindlichen Übels zu dem angestrebten Zweck müsste als verwerflich anzusehen sein. Hier bietet sich für den Vorstand eine breite Argumentationsgrundlage, diese Zweck-Mittel-Relation als eben nicht verwerflich dastehen zu lassen. Dies ganz einfach dadurch, dass versucht wurde, das Unternehmen finanziell wieder zu stabilisieren. Ob dies letztendlich als wirklich zutreffend anzusehen ist, vermag hier nur der Staatsanwalt einzuschätzen, denn lediglich dieser hat Zugang zu den für diese Einschätzung relevanten Unterlagen.
Die Tat, wenn Sie denn von den Ermittlungsbehörden als Erpressung eingestuft werden würde, wäre noch nicht verjährt. Erpressung verjährt nach 5 Jahren Die Verjährungsfrist für das Vergehen der Erpressung beträgt gemäß § 78 StGB 5 Jahre und beginnt mit Vollendung der Tat (bzw. Eintreten des tatbestandlichen Erfolges). Demnach könnten Sie in diesem Jahr noch eine Anzeige bei der Polizei erstatten.
Der ebenfalls evtl. im Raume stehende Betrug, der durch Ihre Weiterbeschäftigung im Monat Juni erfüllt sein könnte (abhängig von der speziellen Vertragsgestaltung und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens), wäre ebenfalls noch nicht verjährt und könnte zur Anzeige gebracht werden. Der zivilrechtliche Anspruch hingegen wäre nach 4 Jahren bereits leider verjährt, da die Regelverjährungsfrist 3 Jahre beträgt und in Ihrem Vertrag aller Wahrscheinlichkeit eine noch kürzere Ausschlussfrist vereinbart wurde. Sie haben also keine Möglichkeit, die noch geschuldeten 1000 Euro mit Erfolg einzuklagen.
Wegen welchen Tatbestandes letztendlich ermittelt wird, entscheiden einzig die Polizei und dann später die Staatsanwaltschaft. Diese lassen sich diesbezüglich auch ungern reinreden. Ich rate Ihnen, eine Anzeige zu erstatten. Dies kostet Sie –bis auf die investierte Zeit und Fahrtkosten zur Polizeidienststelle, welche Sie erstattet bekommen können- nichts. Sie haben auch sehr wenig zu verlieren. Sie sollten zur Anzeigenerstattung sämtliche Unterlagen mitnehmen, speziell Ihren Vertrag über die freie Mitarbeit, die Kündigung und auch die gestellten Rechnungen. Welche Unterlagen von den Ermittlern benötigt werden, hängt dann auch von dem jeweiligen Ermittler ab. Schildern Sie den Sachverhalt so genau und detailliert wie möglich. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie nach der persönlichen Anzeigenerstattung noch einen Termin zur persönlichen Zeugenvernehmung wahrnehmen müssen. Ein Zeuge für dieses Gespräch sollte unbedingt angeführt werden, dies ist stets von Vorteil und könnte dem Staatsanwalt die Arbeit etwas erleichtern. Sie sollten allerdings auch damit rechnen, dass das Verfahren eingestellt wird, was erheblich von der Verteidigung der angezeigten Personen abhängt.Wenn Sie diesen Fakt, dass eine Einstellung des Verfahrens kommen könnte, psychisch verkraften, sollten Sie eine Anzeige erstatten.
Ich hoffe, mit der Beantwortung Ihrer Anfrage, weitergeholfen zu haben
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Mit freundlichen Grüßen
Jenny Weber
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vielen Dank für die ausführlichen Informationen. Ich habe gestern noch mit meinem Zeugen gesprochen, der leider aus Angst vor Repressalien wie Rufmord und ähnliches, nicht aussagen wird.
Vielen Dank nochmal
K. G.
vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Selbstverständlich würden 2 vorhandene Zeugen die Chancen, ein Ermittlungsverfahren weiterzuführen, etwas erhöhen. Letztendlich ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg der Strafanzeige ist es jedoch nicht, wenn nur 1 Zeuge zur Verfügung steht. Der eine Zeuge sind ja Sie als Anzeigenerstatterin. Erfahrungsgemäß, und dies schreibe ich nur, weil die Antworten nicht veröffentlicht werden, ist es tatsächlich so, dass der Fortgang einer Strafanzeige maßgeblich von der Person des ermittelnden Polizeibeamten und noch mehr der des Staatsanwaltes abhängt. Für den Staatsanwalt bietet sich, wie bereits erläutert, sehr viel Spielraum, das Ermittlungsverfahren einzustellen. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig darauf hinauslaufen. In Ihrem Falle hängt das Vorliegen einer strafbaren Handlung von zu vielen Unbekannten ab, die lediglich ein Staatsanwalt -bzw. bei Anklageerhebung ein Richter- vermag, aufzuklären. Ob er die dazu notwendigen Ermittlungsmaßnahmen anordnet oder das Verfahren sofort einstellt, lässt sich leider nicht vorhersagen. Dies hängt u.a. erfahrungsgemäß von der Arbeitsbelastung etc. der zuständigen Staatsanwaltschaft ab.
Wie ich bereits schrieb, wenn Sie es verkraften können, dass eine Einstellung des Verfahrens mit einer Begründung, die Ihnen evtl. missfallen wird (weil Sie nicht Ihren Eindrücken von der Realitität entspricht), erfolgt, sollten Sie es zumindest versuchen und eine Strafanzeige erstatten. Sie können dies auch zunächst in schriftlicher Form tun und erhalten dann später eine Zeugenvorladung. Sie können allerdings auch die Anzeige mündlich direkt bei der Polizei erstatten. Sie sollten sich jedoch auch darüber im Klaren sein, dass die beiden Beschuldigten Kenntnis darüber erlangen werden, wer sie angezeigt hat. Wenn Sie diesbezüglich irgendeine Art Repressalien befürchten, sollten Sie angesichts Ihrer Situation vielleicht doch Abstand von der Erstattung einer Strafanzeige nehmen und versuchen, dass Thema abzuschließen. Es könnte und wird auch so sein, dass der zweite freie Mitarbeiter, sofern sein Name bekannt wird, ebenfalls als Zeuge fungieren muss. Er hat diesbezüglich kein Wahlrecht und muss eine Aussage tätigen, wenn er eine entsprechende Vorladung bekommt. Als Zeuge ist man -im Gegensatz zum Beschuldigten- zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet und kann diese nur in bestimmten Fällen verweigern.
Leider kann ich Ihnen keine weitere absolute Empfehlung geben, wie Sie am günstigsten Verfahren sollen. Wenn dies 4 Jahre her ist, dann hätten Sie theoretisch noch 1 Jahr Zeit, bevor die Straftat verjährt ist. Vielleicht sollten Sie sich auch noch etwas Bedenkzeit genehmigen, bevor Sie sich für die eine oder andere Variante entscheiden.
Falls Sie weitere Rückfragen haben, stehe ich Ihnen sehr gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Jenny Weber
Rechtsanwältin
ich bedanke mich sehr für Ihr weitergehendes Interesse an einer Beratung durch mich. Ich bitte Sie, mich (Rechtsanwältin Jenny Weber, Berlin) einfach zu googeln. Dort erfahren Sie dann meine Telefonnummer und können mich ganz normal via Festnetz kontaktieren.
Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sonntagabend.
Mit freundlichen Grüßen
Jenny Weber
Rechtsanwältin