Anfechtung Vertreterwahl bei Spardabank
Fragestellung
"Wegen des nachstehend ersichtlichen Sachverhalts suche ich einen Rechtsanwalts.
der sich im Gesellschaftsrecht, insbes. Geossenschaftsrecht auskennt oder geistig beweglich genug ist, um sich in diesen einfachen Sachverhalt zurecht zu finden.
Ich möchte gegen die Spardabank gerichtlich vorgehen.
Ich kann mir nicht vorstellen, einen solchen Prozeß verlieren zu können.
Die HUK-Coburg hat mir die Kosten einer Erstberatung durch einen Rechtsanwalt zugesagt,
nicht aber für einen Prozeß, weil Streitigkeiten aus dem Bereich des kollektiven
Arbeitsrechts nicht unter Versicherungsscutz stehen" , was immer das bezogen auf
den Fall auch heissen mag ..
Beste Grüße
Alfred Mayer
Merkwürdige Vertreterwahl bei der Spardabank
Sehr geehrte Damen und Herren
Derzeit läuft bei der Spardabank München e.G. die Neuwahl der aus 231 Personen zusammengesetzten Vertreterversammlung, die die rund 250.000 Mitglieder vertreten soll.
Bis 29.September 2016 können in den nach Postleitzahlen aufgeteilten 17 Wahlbezirken Wahlvorschläge eingereicht werden.
Ein Foto der jedem Mitglied zugegangenen Information füge ich im Anhang bei.
Wahlvorschläge können von jedem Mitglied eingereicht werden, müssen aber von 150 Mitgliedern unterstützt werden. Das ist unmöglich, weil sich die Mitglieder untereinander nicht kennen. Mitgliederversammlungen hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.
Nach dem Genossenschaftsgesetz, der Satzung und der Wahlordnung hat der Wahlausschuß die Möglichkeit, selbst nach Gutdünken bei allen Wahlbezirken einen (also den einzigen !) Wahlvorschlag zu erstellen, der bei der Wahl dann nur als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden kann.
Der Wahlausschuß wiederum setzt sich aus fünf von der bisherigen Vertreterversammlung gewählten und sage und schreibe je zwei von Vorstand und Aufsichtsrat benannten Personen zusammen. Im schlimmsten Fall setzt sich der Wahlausschuß also aus 2 Vorstandsmitgliedern, 2 Aufsichtsratsmitgliedern und 5 einfachen Mitgliedern einer auf die gleiche Weise gewählten Vertreterversammlung zusammen.
Es ist damit ein Leichtes für den Vorstand, sich die wenigen Vertreter der Mitglieder gewogen zu machen und damit fest im Sattel zu sitzen und freischwebend weitestgehend und selbst bei der Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat freie Hand zu haben und die Interessen der rund 250.000 Mitglieder unberücksichtigt zu lassen
Das sind die eher harmlosen Folgen. Es kann auch zur Spezlwirtschaft, aber auch zur Korruption und sogar zur Entstehung
mafiöser Strukturen kommen.
Im Augenblick sind Mißstände jedenfalls für ein einfaches Mitglied nicht zu erkennen, wenn man hinnehmen will, daß gerade den wirtschaftlich nicht gut da stehenden Mitgliedern ein überdimensionaler Finanzierungsbeitrag durch unverhältnismäßig hohe Dispozinsen bei einer Refinanzierungsmöglichkeit mit Null Prozent abverlangt wird, was nicht im Sinne der Mitglieder sein kann.
Vgl. http://www.focus.de/finanzen/banken/girokonto-vergleich/sparda-bank-muenchen-eg-online_aid_26901.html
Wie die Skandale bei anderen Banken zeigen, kann die Lage aber schnell kippen. Gelegenheit macht Diebe.
Ein ähnlicher Mißstand ist vermutlich bei allen Spardagenossenschaften zu finden und wohl auch bei Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit, bei denen ich als Versicherter noch nie von irgendwelchen Wahlen zu den Kontrollorganen gehört habe.
Wer sich als Vertreter bewerben will, hat die Möglichkeit, sich die Adressen der Mitglieder in seinem Wahlbezirk herausgeben zu lassen und mit hohen Kosten und hohem Zeitaufwand (ja in Tag- und Nachtarbeit) sich mit den rund 15.000 Mitgliedern seines Wahlbezirks in Verbindung zu setzen, um rund 15 weitere Bewerber und 150 Unterstützer innerhalb von 4 Wochen zu gewinnen zu versuchen.
Ob so etwas für ein einzelnes Mitglied überhaupt organisierbar wäre, ist fraglich.
Und das nur, um selbstverständliche Mitgliederrechte wahrnehmen zu können.
Eine demokratische, rechtsstaatliche Wahl der Vertreter wäre mit wesentlich geringerem Aufwand mit einer alle fünf Jahre einberufenen Generalversammlung oder von Mitgliederversammlungen in den einzelnen 17 Wahlbezirken möglich. Große Aktiengesellschaften schaffen für alle Aktionäre zugänglilche Versammlungen jedes Jahr.
Ich selbst als hinfälliger Greis und als Mensch mit vielen Interessen und Aufgaben habe kein großes Interesse, in die Vertreterversammlung gewählt zu werden.
Als ersten Schritt, hier als einzelnes Mitglied etwas ändern zu können, habe ich aber schon mal die Adressen der 14 314 Mitglieder in meinem Bezirk angefordert und auch allein nur Ansicht und ohne Ausdruckmöglichkeit bekommen
Die Daten zu bekommen war natürlich mit großem Eierlegen und Zeitverlust verbunden. Der Vorstand hat kein Interesse, seine komfortable Position
auch nur im Ansatz zu gefährden.
Um die Absurdität dieses Wahlverfahrens unter Beweis zu stellen, würde ich mir wünschen, daß hunderte Mitglieder jeweils die Mitgliederadressen anfordern.
Allein schon die Notwendigkeit der Herausgabe von persönlichen Daten an jedes an einer Kandidatur interessierte Mitglied macht diese Art des Wahlverfahrens meiner Meinung nach verfassungswidrig. Aber wen interessiert das schon ...
Mit freundlichen Grüßen
Alfred Mayer"
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Antwort von Rechtsanwältin, Schlichterin Brigitte Draudt-Syroth
Sehr geehrter Ratsuchender,
ich beantworte Ihre Frage gerne wie folgt:
Ich habe Ihre Argumentation nachvollzogen. Einen Verstoß gegen das hier maßgebende Genossenschaftsgesetz ist derzeit noch nicht geschehen, aber es empfiehlt sich hier - wie ich im Einzelnen noch ausführen werde- einige Punkte zu beobachten.
Ein Foto der zugesandten Information haben Sie leider nicht hochgeladen.
Um Chancen für eine Klage zu haben, müssten Sie einen Verstoß gegen allgemeine Wahlgrundsätze des Genossenschaftsrechts und/oder des Aktienrechts anführen und eine Anfechtungsklage gemäß § 51 Genossenschaftsgesetz, § 243 Aktiengesetz erheben. Hier ist eine Frist von einem Monat zu beachten, nachdem der Beschluss gefasst wurde.
Hierzu verweise ich auf ein einschlägiges Urteil des BGH:
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 15. Januar 2013, Az.: II ZR 83/11
unterliegen die in der Vertreterversammlung einer Genossenschaft gefassten Beschlüsse nicht nur der Anfechtung nach Maßgabe des § 51 GenG, sondern es finden auch die aktienrechtlichen Grundsätze über die Nichtigkeitsklage und die Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG entsprechende Anwendung. Ein Beschluss der Vertreterversammlung ist daher entsprechend § 241 Nr. 3 Fall 1 AktG nichtig, wenn er mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar ist (BGH, Urteil vom 22. März 1982 II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231).
Das ist dann der Fall, wenn die von der Vertreterversammlung beschlossenen Regelungen der Wahlordnung gegen elementare Wahlgrundsätze verstoßen.
Bestimmt die Wahlordnung für die Wahl zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft, dass Kandidaten nicht zugleich Mitglied des Wahlvorstands oder Wahlhelfer sein können, wird dadurch weder das passive Wahlrecht nach § 43a Abs. 2 Satz 1 GenG noch der in § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG normierte Grundsatz der allgemeinen wahl eingeschränkt.
Sehen Satzung und Wahlordnung zur Vertreterwahl einer Genossenschaft vor, dass Wahlvorschläge eines Mitglieds zu ihrer Wirksamkeit 20 Unterstützungsunterschriften bedürfen, verstößt dies bei einer Genossenschaft mit mehr als 70.000 Mitgliedern und einer auf Wahrung der Gleichheit des Wahlrechts ausgerichteten Einteilung der Wahlbezirke nicht gegen die Grundsätze der allgemeinen und gleichen Wahl.
Dies gilt auch dann, wenn nach der Wahlordnung auch ein Wahlvorschlagsrecht des Wahlvorstands besteht, dessen Wahlvorschläge ohne Unterstützung wirksam sind.
Das ist ja ein Punkt, den Sie aufgeführt haben, der aber von der Rechtsprechung nicht beanstandet wird.
In der Wahlordnung zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft kann dem Wahlvorstand jedenfalls dann ein Wahlvorschlagsrecht eingeräumt werden, wenn ihm ausschließlich Mitglieder der Genossenschaft angehören, die mehrheitlich von der Vertreterversammlung oder Generalversammlung gewählt werden, und es auch den anderen Mitgliedern möglich ist, Wahlvorschläge zu unterbreiten.
Auch das ist bei Ihnen der Fall, von der Rechtsprechung anerkannt.
Gemäß § 43a GenG ist es bei Genossenschaften mit mehr als 1 500 Mitgliedern, was hier der Fall ist, möglich, dass in der Satzung bestimmt wird, dass die Generalversammlung aus Vertretern der Mitglieder (Vertreterversammlung) besteht.
Die Satzung kann auch bestimmen, dass bestimmte Beschlüsse der Generalversammlung vorbehalten bleiben. Der für die Feststellung der Mitgliederzahl maßgebliche Zeitpunkt ist für jedes Geschäftsjahr jeweils das Ende des vorausgegangenen Geschäftsjahres.
Als Vertreter kann jede natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person, die Mitglied der Genossenschaft ist und nicht dem Vorstand oder Aufsichtsrat angehört, gewählt werden. Das ist hier der Fall, denn aus dem Kreis der Mitglieder werden hier Vorschläge erwartet.
Gemäß der genannten Vorschrift ist eine Zahl von 150 Mitgliedern in jedem Fall ausreichend, um einen Wahlvorschlag einreichen zu können. Nähere Bestimmungen über das Wahlverfahren einschließlich der Feststellung des Wahlergebnisses können in einer Wahlordnung getroffen werden, die vom Vorstand und Aufsichtsrat auf Grund übereinstimmender Beschlüsse erlassen wird. Sie bedarf der Zustimmung der Generalversammlung.
Wichtig ist, und das müssten Sie bitte prüfen, dass eine Liste mit den Namen und Anschriften der gewählten Vertreter und Ersatzvertreter ist mindestens zwei Wochen lang in den Geschäftsräumen der Genossenschaft und ihren Niederlassungen zur Einsichtnahme für die Mitglieder auszulegen. Die Auslegung ist in einem öffentlichen Blatt bekannt zu machen. Die Auslegungsfrist beginnt mit der Bekanntmachung. Jedes Mitglied kann jederzeit eine Abschrift der Liste der Vertreter und Ersatzvertreter verlangen; hierauf ist in der Bekanntmachung nach Satz 2 hinzuweisen.
Eine Möglichkeit, die Sie hätten, wäre die gemäß § 43 a (7) GenG, wonach die Generalversammlung zur Beschlussfassung über die Abschaffung der Vertreterversammlung unverzüglich einzuberufen, wenn dies von mindestens einem Zehntel der Mitglieder oder dem in der Satzung hierfür bestimmten geringeren Teil in Textform beantragt wird. Wenn Sie also hier entsprechend viele Mitglieder zusammen bekommen würden, so wäre das möglich.
Nicht erschließt sich mir allerdings, wieso Ihre Rechtschutzversicherung die Deckungszusage über eine Erstberatung hinaus mit der Begründung des kollektiven Arbeitsrechts ablehnt.
Das passt nicht auf den beschriebenen Fall.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Draudt
Rechtsanwältin
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Leider gehen Sie nicht auf das Problem ein. Es besteht darin, dass die Anforderungen an die Aufstellung einer Liste mit rund 12 Kandidaten mit 150 Unterstützern in jedem von den 17 Wahlbezirken mit jeweils rund 15000 Mitgliedern innerhalb von vier Wochen unmöglich ist, es also in keinem der Wahlbezirke zu einer der unter starkem Einfluß von Vorstand und Aufsichtsrat zustande gekommenen Liste konkurrierenden Liste kommen wird.
Damit sind die Mitglieder bei der Aufstellung der Kandidaten voll ausgeschlossen.
Die Mitglieder der Genossenschaft kennen sich nicht. Wie sollen sie da Kandidaten und Unterstützer finden ?
Nur um seine Rechte als Mitglied wahren zu können, müsste ein gigantischer Aufwand betrieben werden.
Das Foto der Aufforderung sende ich Ihnen gern mit Email zu. Meine Adresse ist a@mayer-online.net
ich nehme Bezug auf meine ausführliche Antwort, in der ich zu allen Aspekten Stellung genommen habe, auch zu dem nochmals angesprochenen, siehe insbesondere am Ende meiner Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Draudt
Rechtsanwältin