Anerkennung französischer Staatsbürgerin als Hebamme in Deutschland
Fragestellung
Bei dieser Frage geht es um die Zulassung meiner Frau als Hebamme in Deutschland.
Sie ist Französin und hat in Belgien - wo, wie in anderen europäischen Staaten, die Ausbildung zur Hebamme ein Studium umfasst - einen Bachelor-Abschluss als Hebamme ("Sage-femme") gemacht. Seitdem hat sie in der Schweiz, in Frankreich und in Norwegen offiziell als Hebamme gearbeitet.
Anfang diesen Jahres ist sie mit mir nach München gezogen und wir bemühen uns seitdem um Ihre Zulassung als Hebamme in Deutschland. Die zuständige Stelle ist
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Regierung von Oberbayern
Sachgebiet 53.1 - Gesundheit
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Da meine Frau nur über relativ geringe Deutschkenntnisse verfügt, hat sie gleichzeitig begonnen an Sprachkursen teilzunehmen. Außerdem hat sie Kontakte zu möglichen Arbeitgebern in München geschlossen und ein konkretes Angebot bekommen eine wöchentliche Gesprächsrunde zu leiten. Dieses Angebot soll sich gezielt an schwangere Frauen französischsprachiger Herkunft richten.
Sie bräuchte also zur Ausübung dieser Tätigkeit derzeit keine erheblichen Deutschkenntnisse und könnte bereits arbeiten während sie ihre Sprachausbildung fortführt. Allerdings, benötigt sie zur Ausübung der Tätigkeit die Zulassung als Hebamme in Deutschland (Auskunft/Forderung des potentiellen Arbeitgebers).
Bei dieser Zulassung haben sich die Deutschkenntnisse mittlerweile als Knackpunkt erwiesen. Die zuständige Stelle (s.o.) schreibt:
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[...] zum Nachweis der für die Ausübung der Berufstätigkeit als Hebamme erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 HebG ist ein Zertifikat Deutsch B 2 (nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen) vorzulegen.
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Wir haben uns den Paragraphen angesehen (https://www.gesetze-im-internet.de/hebg_1985/BJNR009020985.html) und lesen diese Aussage so nicht aus dem Gesetz heraus. Zusätzlich, ist uns dabei Paragraph § 22 HebG aufgefallen. Da die angedachte Tätigkeit nur geringfügig und vorübergehend vorgesehen ist (Sobald meine Frau die entsprechenden Deutschkenntnisse erworben hat, würde sie ja ihre Tätigkeit entsprechend ausweiten) trifft er unserer Ansicht nach zu.
Auf diesen Hinweis hat die Anerkennungsstelle rundweg ablehnend reagiert (scheinbar zieht sie nicht einmal eine Prüfung nach § 22 in betracht). Die Dame schreibt:
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eine Berufstätigkeit als Hebamme ist in Deutschland erst mit Erhalt der Urkunde zum Führen der Berufsbezeichnung „Hebamme“ möglich.
Die Urkunde wird ausgestellt, wenn nach Prüfung der fachlichen Gleichwertigkeit der ausländischen Ausbildung/Studium die persönliche Zuverlässigkeit, gesundheitliche Eignung und die erforderlichen Sprachkenntnisse nachgewiesen wurden.
Eine „Anerkennung“ der Ausbildung ist ohne Urkunde nicht möglich.
Bei einer vorübergehenden und gelegentlichen Dienstleistung ist ebenso die fachliche Gleichwertigkeit Ihrer Ausbildung/Studium zu prüfen. Auch die gesundheitliche Eignung und persönliche Zuverlässigkeit und die erforderlichen Sprachkenntnisse sind nachzuweisen.
Darüber hinaus muss der vorübergehende und gelegentliche Charakter der Dienstleistungserbringung vom Antragsteller nachgewiesen werden.
Die gelegentliche Dienstleistung ist, wenn sie länger als ein Jahr geplant ist, jährlich neu zu beantragen.
Eine vorübergehende Dienstleistungserbringung ist in Ihrem Fall nicht zielführend.
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Uns erscheint das Vorgehen willkürlich und dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen. Für die Ausübung der angestrebten Tätigkeit benötigt meine Frau keine umfangreicheren Deutschkenntnisse (zur Verständigung reichen diese durchaus). Darüberhinaus, wäre eine deutschsprachige Hebamme offensichtlich nicht geeignet den Gesprächskreis zu leiten, hätte aber sehr wohl die entsprechende Zulassung.
Als juristischen Laien, drängt sich uns außerdem der Verdacht auf dass hier faktisch gegen die europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen wird. Wie gesagt, hat meine Frau schon in mehreren Europäischen Staaten gearbeitet und ist bisher nicht auf diese Probleme bei der Zulassung gestoßen (Die Schweiz und Norwegen sind selbstverständlich keine EU-Staaten).
Unsere Frage ist ob das Recht hier tatsächlich auf unserer Seite steht (gegebenenfalls Begründung) und wie wir uns der Zulassungsstelle gegenüber verhalten sollen. Diese war bisher recht unkooperativ und bemüht hauptsächlich allgemeine Aussagen ohne im Detail auf unseren Fall einzugehen. Die Bitte um ein Telefonat wurde mit Verweis auf Datenschutz abgelehnt (Ich solle zuerst eine Vollmacht meiner Frau per Post schicken). Zudem verläuft das Verfahren quälend langsam (durch Verzögerungen kann meine Frau jederzeit ihre Arbeitsmöglichkeit verlieren).
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Martin Schröder
Sehr geehrter Fragesteller,
dass die Anerkennungsstelle für die endgültige Anerkennung das Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 fordert, ist wohl nicht zu beanstanden. Der Hebammenverband fordert C1:
https://www.hebammenverband.de/beruf-hebamme/berufliche-anerkennung/
Ich teile Ihre Auffassung, dass im Fall Ihrer Ehefrau an § 22 Hebammengesetz zu denken ist. Dort stellen sich zwei Rechtsfragen.
1) Genügen die relativ geringen Deutschkenntnisse Ihrer Ehefrau, um im Sinne des § 22 Abs.3 letzter Satz belegen zu können, dass die für die Ausübung der Dienstleistung erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache vorliegen?
2) Würde es sich bei der Leitung des Gesprächskreises um eine vorübergehende und gelegentliche Dienstleistung handeln?
Bei Bejahung beider Fragen würde eine Anzeige der erstmaligen Aufnahme der Dienstleistung unter Vorlage der Belege einschließlich einer Erklärung Ihrer Ehefrau nach Abs. 3 Nr. 4 über ihre Deutschkenntnisse ausreichen. Die Dienstleistung wäre genehmigungsfrei.
Zur ersten Frage vergleichen Sie bitte die Entscheidung des VGH Kassel:
7 A 1307/15.Z
die Sie im Internet abrufen können. Dort ging es um den Fall eines Arztes, der allerdings erfolglos blieb, weil er gar keine Sprachkenntnisse vorweisen konnte. Die Regelungen und der europarechtliche Hintergrund sind aber in beiden Fällen identisch. Der Entscheidung kann man meines Erachtens entnehmen, dass man im Rahmen des § 22 anders als im Rahmen der Anerkennung konkret auf die für die konkret beabsichtigte Dienstleistung erfoderlichen Sprachkenntnisse abstellen muss.
Damit übereinstimmend heißt es in Art. 53 Abs. 4 der Richtlinie 2005/36/EG in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU:
"Überprüfungen der Sprachkenntnisse müssen in angemessenem Verhältnis zur auszuübenden Tätigkeit stehen."
Diese Maßgabe ist bei der Auslegung des § 22 Hebammengesetz zu berücksichtigen und führt dazu, dass in Ihrem speziellen Fall diejenigen Deutschkenntnisse ausreichend sein müssten, die erfoderlich sind, damit Ihre Ehefrau die Kurzleitung organisieren kann. Die eigentliche Kommunikation findet dann auf Französich statt. Die Patientensicherheit ist nicht gefährdet.
Zur zweiten Frage kann ich Ihnen nicht sagen, wie oft und wie lange man Dienstleistungen erbringen darf, um die Kriterien vorübergehend und gelegentlich zu erfüllen. Denn das ist eine Frage des Einzelfalles. Typischer Fall ist ein Einzelauftrag oder eine geringe Anzahl von einzelnen Aufträgen verschiedener Auftraggeber.
Eine wöchentliche Dienstleistung auf unbestimmte Dauer wäre wohl eher kritisch zu betrachten.
Vielleicht lässt sich das im Einvernehmen mit den Auftraggeber gestalten?
Für das Kriterium vorübergehend wäre sinnvoll, wenn der Dienstvertrag eine nicht zu großzügige zeitliche Befristung vorsähe, die Ihrer Frau ausreicht, die für die Anerkennung nötigen Deutschkenntnisse zu erwerben.
Für das Kriterium gelegentlich wäre sinnvoll, wenn die Veranstaltungen nicht regelmäßig wöchentlich beauftragt wären. Vielleicht könnte man vorsehen, dass die Dienste Ihrer Ehefrau von Woche zu Woche bei Bedarf abgerufen werden.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Hinweisen behilflich sein.
Mit besten Grüßen
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